Gut und schlecht – Wirtschaft und Zahlen

Ein kurzes Video ist mir gesten begegnet, das zeigt, wie sich die vorderen Reihen der CDU/CSU-Fraktion im Plenarsaal des Bundestages vor Lachen auf die Schenkel klopfen, als Robert Habeck, der vor zwei Jahren zum Wirtschaftsminister ernannt wurde, seinen jüngsten legendären Spruch absonderte: „Der Wirtschaft geht es gut, nur die Zahlen sind schlecht“.

Der Wirtschaft geht es tatsächlich prima. Ein Blick in meine Statistik „Jobwunder Deutschland“ belegt es täglich aufs Neue.

Alleine der heutige Update, zwei Tage nach dem vorherigen, bringt den Gutgang der Wirtschaft unüberbietbar zum Vorschein.

Ich fange mal ganz klein an.

In Bad Schmiedeberg hat die Spedition Troitzsch Involvenz angemeldet. Der Hauptauftraggeber „Colep“ wurde nämlich geschlossen, und schon war kein Bedarf mehr für die Transportleistung. Für Troitsch habe ich 15 Mitarbeiter geschätzt, die nun nicht mehr hoch über, sondern direkt auf der Straße sitzen. Bei COLEP, in Laupheim, ein Unternehmen, das Pharmaverpackungen herstellte, waren im Oktober 23 übrigens 100 Jobs verlorengegangen.

In Tübingen ist die Druckerei Gulde in die Insolenz gerutscht. Das 1919 gegründete Unternehmen, in vierter Generation in der Familie Gulde, ist mit dem Auftragsmangel nicht mehr klargekommen. Womöglich hat man erst einmal weniger gedruckt, aber dann kam doch die Insolvenz. Hier habe ich geschätzt, dass es die letzten 25 Mitarbeiter getroffen haben wird.

In Offenburg ist der nächste Schlag gegen die Baubranche zu verzeichnen. Wacker Objekt, ein Unternehmen für schlüsselfertiges Bauen hat sich aus dem Markt verabschiedet. Geschätzt 30 Arbeitskräfte müssen sich einen neuen Job suchen oder Bürgergeld beantragen.

Im schönen Waldsee ist gleich noch ein Bau- und Immobilienunternehmen mit mannigfachen Dienstleistungen, bis hin zum Reinigungsdienst, Baden gegangen, hat also Insolvenz angemeldet. Die Planbau B3. Wegen des breiteren Tätigkeitsspektrums habe ich geschätzt, dass es 35 Beschäftigte getroffen haben wird.

In Recklinghausen, in bester Lage am Festspielhaus, hat die nach dieser Lage benannte Seniorenresidenz wohl keine Chance mehr. 120 hochwertige Heimplätze lassen mich schätzen, dass dort rund 40 Mitarbeiter betroffen sind.

Die letzte und höchste, unter den zweistelligen schlechten Zahlen, findet sich

in Berlin. Dort hat ein so genanntes StartUp „L’herbivore“,versucht, nachhaltig Fleischimitate aus Pflanzen in den Markt zu werfen. Der Markt jedoch hat das nicht angenommen. So dürften hier etwa 60 Jobs, mangels Wupper, über die Spree gegangen sein.

Die dreistelligen schlechten Zahlen beginnen da, wo vor etlichen Jahren die Chinesen das Know How im Roboterbau käuflich erworben haben, nämlich

in Augsburg. Die KuKa schrumpft ihren Bereich „Systems“. Da gab es 2017 noch 750 Mitarbeiter. Inzwischen sind es nur noch 500, und auch die halten die chinesischen Eigner an dieser Stelle für nicht mehr in voller Höhe für erforderlich. Schlagen Sie mich tot, aber ich denke, es werden wieder 250 in die Freiheit entlassen. Darunter lohnt es sich doch gar nicht.

In Koblenz sitzt das Unternehmen Compu Group Medical des Milliardärs Frank Gotthardt, der sich mit Software-Produkten für Ärzte, Apotheken und Krankenhäuser so etwas wie eine goldene Nase verdient hat und zuletzt durch sein Engagement bei Nius (Achtung Reichelt) in die Schlagzeilen geraten ist. Nun macht die Compu Group Medical Verluste und die sollen durch Personalabbau kompensiert werden. 9000 Jobs gibt es da – vorsichtig geschätzt wird ein Abbau von 300 Stellen genügen, um statt 15 Millionen Verlust wieder schwarze Zahlen zu schreiben.

In Zwickau geht es ebenfalls um 300 Jobs, diesmal nicht geschätzt, sondern echt verloren, weil der Anlagenbauer SMA im Streit mit dem Kunden um eine hohe Rechnung den Kürzeren gezogen hat und Insolvenz anmelden musste.

In Heilbronn und Schefflenz wird Theo Müller (Müller Milch) zwei von Campina übernommene Werke (Landliebe) schließen. Schließlich sollen die mit der Übernahme verbundenen Synergie-Effekt im Müller Milch Imperium nutzbar gemacht werden. Es geht um 400 Jobs, die auf dem Weg vom Kuhstall ins Kühlregal nicht mehr gebraucht werden.

In Rosenberg sieht es für den dortigen Magna-Standort nicht rosig aus. Der österreichisch-kanadische Automobilzuliefer-Konzern will von 600 Beschäftigten am Standort nur 150 übrig lassen. Womöglich nur zum Aufräumen und Lichtausschalten. Magna hat schon mehrere Standorte in D geschlossen, der Vergleich mit Bosch ist da nicht von der Hand zu weisen. Damit stehen weitere 450 Jobverluste in der Statistik.

Die letzte und höchste der dreistelligen schlechten Zahlen der guten Wirtchaft wurde

in Frankfurt, in den Deutsche Bank Türmen ausgelöst. Es geht um die ungeliebte, zugekaufte Tochter Postbank. Erst hat man 250 bis 300 eigene Filialen aus Städten und Gemeinden verschwinden lassen und jetzt geht es um 1.800 Postbank Stützpunkte in Gemischtwarenläden und Lotto-Annahmestellen. Das ist da irgendwie nebenbei mitgelaufen, aber bei genauer Betrachtung dürften pro Partner etwa ein halber Kopf mit der Postbank beschäftigt gewesen sein. Damit werden auf die eine oder andere Weise 900 Jobs vernichtet werden.

Haben Sie mitgezählt? Die schlechten Zahlen der guten Wirtschaft im zwei- und dreistelligen Bereich, aufgelesen innerhalb von zwei Tagen, summieren sich schon auf 2805 potentiell verlorene Jobs.

Aber es gibt ja auch noch zwei vierstellige Hochkaräter.

Es gibt einen Ort namens Alfter, der besonders auf das „l“ im Namen stolz sei dürfte und bis jetzt auch darauf stolz sein durfte, ein großes Keramikunternehmen als Gewerbesteuerzahler sein eigen zu nennen. Damit ist es vorbei. Die Deutsche Steinzeug hat Insolvenz angemeldet. Klar. Keramik. Ofen. Brennen. Fossile. Teuer. Teuer. Teuer. Habeck. Betroffen sind 1.000 Beschäftigte in vier Werken.

 

In Ludwigshafen, wo die Badischen Anilin und Soda Fabriken (BASF) wohnen, gärt es schon lange. 2022 wollte man bis 2026 jährlich Kosten in Höhe von 500 Millionen einsparen, jetzt sind diese Pläne überarbeitet und das Ziel auf 1,1 Milliarden Euro angehoben worden. Geht es der Wirtschaft nicht gut, wenn man seine mittelfristigen Pläne innerhalb so kurzer Zeit mehr als verdoppeln kann? Doch. Da hat er recht, der Herr Habeck. Was die Zahlen angeht, so verlangt diese Einsparung den Abbau von rund 11.000 Jobs. 5000 hatte ich schon 2022 erfasst – die übrigen 6000 heute.

Von Mittwoch auf Freitag
10.000 Jobs futsch in Deutschland.

Nun ja, eigentlich nur 9805, aber ich erfahre auch längst nicht alles was in D zusammenbricht.

Alle Meldungen seit dem 21. September 2019 finden Sie hier.