Stell dir vor, es ist Blockade – und keiner will durch …

IMG_3999

Am frühen Morgen sah es noch so aus, dass die Bauern mit ihren Traktoren an der Auffahrt zur A93, Richtung München, einen Stau verursachen könnten. Offenbar hatten viele Autofahrer keine Ahnung, dass sie heute mit Verkehrsblockaden rechnen müssten. Mehr als ein Dutzend Fahrzeuge, die eisern auf der Abbiegespur verharrten, habe ich aber nicht gezählt. Es gab einige groteske Szenen zu beobachten, wie ungläubige Verkehrsteilnehmer im Umfeld der Auffahrt „rangierten“, um doch irgendwie auf die Autobahn zu gelangen, während andere mit eingeschalteter Warnblinkleuchte vorsichtig und verunsichert herumschlichen.

Die Landwirte mit ihren Zugmaschinen hatten aber wieder schnell ein Einsehen und ließen immer wieder einen Pulk durch, und das, ohne sich an die 40:20 Regel zu halten, die vor allem in Norddeutschland ausgegeben worden war.

Später wurde es um die Treckerfahrer einsam.

Kurz vor 10 Uhr habe ich diese Bilder aufgenommen:

Fünf Traktoren blockieren die Auffahrt Richtung München – aber von der B301 aus will niemand diese Auffahrt nutzen.

Dann kam dieser Lkw – und er durfte unmittelbar passieren.


Die Autobahn war allerdings ziemlich leer, und das nicht nur in dem Augenblick, als dieses Foto entstanden ist.

Betrachtet man sich die möglichen Ausweichstrecken, dann wird klar: Es muss nicht die Autobahn sein, vor allem nicht für die Pendler im morgendlichen Berufsverkehr.

Praktisch neben der A93 verläuft die B300, die Fahrstrecke – beispielsweise zwischen Kelheim und Wolnzach – ist bis auf 600 Meter identisch lang, und die Fahrzeit steigt auf der Bundesstraße nur um 8 Minuten gegenüber der Autobahn.

Jeder, der am heutigen Vormittag dieses Teilstück befahren wollte, hatte Gelegenheit, sich am Wochenende seine Ausweichstrecke auszusuchen.

Für mich, mit meinem ganz kleinen Einblick in das Blockadegeschehen, stellt es sich so dar, dass die Bauern hier nur Präsenz gezeigt haben. Eine Drohgebärde.

Nun wird es darauf ankommen, wie diese Drohgebärde in Berlin intertpretiert wird.

Nimmt man sie nicht ernst, könnte es in der nächsten Woche schon ganz anders aussehen. Nicht nur an der Auffahrt zur A93 in Elsendorf, sondern auch da, wo  heute schon größere Auswirkungen zu verzeichnen waren.

Die Bauern meinen es ernst.

Wenn Scholz sich bei Trudeau Nachhilfe-Unterricht im Umgang mit Blockaden geholt haben sollte, könnte sich hierzulande Vergleichbares abspielen.

Auszüge aus Wikipedia:

Die Bewegung bildete sich als Protestaktion von hunderten LKW-Fahrern, die von Prince Rupert zu einer 5.000 Kilometer langen Protestfahrt zur Bundeshauptstadt Ottawa aufbrachen. Sieben Tage lang fuhr die Kolonne aus Sattelschleppern, Kleinlastern, SUV und Pkw über den Trans-Canada Highway.

In der Hauptstadt angekommen, blockierten sie Teile der Innenstadt. Die kanadische Polizei ging zu Anfang der Proteste nach eigener Schätzung von 8.000 bis 15.000 Protestierenden aus.

Am 14. Februar 2022, 16 Tage nach Beginn der Trucker-Proteste, setzte der kanadische Premier Justin Trudeau ein Notstandsgesetz für ganz Kanada in Kraft, das es seiner Regierung unter anderem erlaubt, die Trucker-Proteste als „öffentliche Versammlung“ zu verbieten. Das Gesetz erlaubte der Regierung unter anderem auch Bankkonten einzufrieren.

Nach dem Verbot wurde in Kanada geräumt und der Polizei vorgehalten, sie sei nicht energisch genug vorgegangen.

Dass ich sehr viel Verständnis für die Proteste der Bauern habe, versuchte ich schon am Samstag mit diesem Beitrag zu begründen. Darin hatte ich ausgerechnet, dass der Ertrag pro Hof, vor Pacht, Zinsen und Steuern schon ohne die neuen Steuererhöhungen bei 125.000 Euro pro Jahr lag, der auf durchschnittlich 3,5 Beschäftigte verteilt werden musste, so dass netto pro Kopf monatlich nur 2.300 Euro übrigblieben, aus denen aber auch noch die notwendigen Investitionen (Stall, Scheune, Maschinen, Traktoren) finanziert werden müssen. Der Unterschied zum Mindestlohn ist gering – und in Anbetracht der bäuerlichen Arbeitszeiten eher nicht mehr feststellbar. Das fällt nur weniger auf, weil auf dem Bauernhof die mitarbeitenden Familienangehörigen meist nicht gesondert entlohnt werden.

Die ZEIT hat, leider weitgehend hinter der Bezahlschranke, ein ähnliches Ergebnis ermittelt: Jährlicher Durchschnittsgewinn 115.000 Euro.

Zu den Bauernprotesten kommt in dieser Woche noch der dreitägige Bahnstreik, zu dem bisher noch nicht erzählt wurde, er sei von Rechtsextremen unterwandert, gekapert und instrumentalisiert worden. Dennoch wird man versuchen, alles zu vermengen, und auch die Jäger, die sich mit den Bauern solidarisch erklärt haben, wie alle Inhaber von Waffenbesitzkarten, in die rechte Ecke zu drängen.

Aus dieser Gemengelage heraus könnte in Deutschland tatsächlich sehr schnell ein allgemeines Streik- und Versammlungsverbot zum Schutz der Demokratie erlassen werden. Die Grundrechtseinschränkungen der Corona-Zeit könnten hier als Blaupause dienen, und dass es hinterher zu irgendeiner Form der Aufarbeitung käme, das glaubt nach Corona in Berlin niemand mehr. Da fühlt man sich im Schutze desVerfassungsgerichtsurteils sehr sicher.

Was dabei niemand auf dem Plan hat, das ist die Tatsache, dass bestimmte Erkenntnisse, wie dieses: „Es ist schon immer gutgegangen, es wird auch diesmal gutgehen“, nur so lange gelten, wie sich die Quantitäten nicht  derart verändern, dass damit auch ein Umschlag in der Qualität entsteht. Nicht jeder, der „Kipppunkte“ im Munde führt, weiß auch, was sie bedeuten.

Milch, nur als ein Beispiel, weil sie auch vom Bauernhof kommt, kann man auf dem Herd im Milchtopf durchaus heiß machen. Doch wehe, man bringt sie zum Kochen!

Noch die letzten beiden Bilder von 11.30 Uhr, also kurz vor dem angekündigten Ende der Blockade:

Einen Lkw hat es doch noch erwischt. Der darf erst einmal nicht weiter.

Und schon ist die Polizei da. Aber, auch wenn es auf dem Foto so aussieht, der Wagen hat nicht gehalten, sondern ist – ungehindert, über die Ausfahrtsspur – weitergefahren auf die Autobahn.

Ein Hinweis noch. Newsletter-Abonnenten haben es bereits erfahren. Es gibt einen neuen Beitrag auf Ampel-go-home.de: „Urban Priol – die linksgrüne Hämepumpe