New York
Dienstag, 21. Februar 2023

 

“Mr. Ambassador, I need to see you urgently.”

Der Leiter des deutschen Generalkonsulats in New York war alarmiert. Er wusste, ohne hinzusehen von wem diese SMS stammte, die er soeben erhalten hatte, und er hoffte, endlich eine präzise Auskunft auf seine Fragen nach Entwicklern, Herstellern und Betreibern der alten TV-Satelliten zu erhalten, nach denen er sich sehr vorsichtig erkundigt hatte. Harry Grimm hatte bisher immer Wege gefunden, an verschüttete oder verborgene Informationen zu gelangen, wenn er glaubte, damit der alten Heimat einen Gefallen tun zu können. Wer seine Quellen waren, wie er seine Informationen kam, hatte er nie preisgegeben. Es hatte nur einmal einen kurzen persönlichen Kontakt gegeben, bei dem man sich kurz beschnuppert und vor allem auf die möglichen Kommunikationswege verständigt hatte.

Dirk Westermann beantwortete die SMS knapp mit: „Hop on, TS, 1th past 10 am.“ Das OK. traf dreißig Sekunden später ein.

Der Generalkonsul, verließ das Konsulat immer wieder einmal, ohne seiner Sekretärin Bescheid zu sagen. Sein Verhalten fiel also auch heute nicht weiter auf. Schon gegen halb zehn hatte er die Haltestelle der Hop-On – Hop-Off Sightseeing Busse am Times Square erreicht, seine Papiere vorgelegt – Sicherheit muss sein – und das 3-Tage-Ticket bezahlt. Harry Grimm tauchte wie aus dem Nichts neben ihm auf. Schweigend warteten sie gemeinsam auf den nächsten Bus. Schon am nächsten Halt stiegen sie wieder aus und gingen getrennt ihrer Wege. Grimm hatte außer „Hallo“ nichts gesagt. Seine Botschaft befand sich in einem kleinen Kuvert, das jetzt in der Innentasche des Sakkos des Konsuls steckte.

Zurück im Konsulat erbat er sich, eine halbe Stunde nicht gestört zu werden. Auf den ersten Blick war er von der Nachricht enttäuscht. Da war nichts von Satelliten, Entwicklern, Software-Ingenieuren zu erkennen. Stattdessen hatte Grimm etwas von Hubschraubern geschrieben. Einen Augenblick später war Westermann jedoch hellwach. Es wurde so etwas wie eine Invasion angekündigt.

Elf schwere Transporthubschrauber vom Typ Sikorski CH 53K werden zusammengeführt, um in der Nacht zum zweiten März mit dreihundert schwerbewaffneten Kämpfern vom letzten Stop in  Triest aus kommend in der Nähe von Innsbruck im Tiefstflug in den deutschen Luftraum einzudringen. Zielpunkte für das Absetzen der Kämpfer seien jeweils in der Peripherie von Stuttgart, Frankfurt/M., Duisburg, Bremen, Hamburg und Berlin vorgesehen. Die Militärische und zivile Luftraumüberwachung werden wegen eines simulierten Systemabsturzes von 0.00 bis 05.00 lahmgelegt. Nur die autonomen Radarsysteme der Luftabwehr können die Eindringlinge noch erfassen. Das Ziel der Übung: Araberclans und deren Sympathisanten in ihren Hochburgen anzugreifen und möglichst viele, vor allem aber die führenden Mitglieder zu töten. Achtung: Dies ist keine prodeutsche Aktion. Es geht nur um Zeitgewinn.

Dirk Westermann scannte das Papier ein, fragte in Berlin kurz nach, ob Rigg Peters noch im Amt sei, und als er mit diesem kurz gesprochen hatte,  sandte er die Scandatei über eine absolut sichere Verbindung an seinen Vertrauensmann im Auswärtigen Amt, der die Nachricht ausdruckte, und anschließend, wie auch Westermann in New York, die verräterischen Dateien unmittelbar aus dem System und auch von der Festplatte des Druckers löschte.

Eine halbe Stunde später, es war sowieso schon Feierabend, war Rigg Peters unterwegs zu Gunther Liebermann, den er noch im Büro der Firmenzentrale antraf.

„Vom Konsul. Aus sicherer Quelle. Ich hoffe, ihr könnt damit etwas anfangen. Kommt mir nicht ganz koscher vor, die Geschichte. Würde ziemlich tief recherchieren, bevor ich darauf anspringe.“

Dann hatte er sich auch schon wieder verabschiedet. Er eignete sich als verschwiegener Bote. Aber immer saß ihm diese Angst im Nacken, die nicht zuließ, dass er sich selbst engagierte.

 

Gunther kontaktierte Fritz. Fritz wendete sich an Major Wendler. Der versprach, der Sache nachzugehen.

 

Q 1
Mittwoch, 22. Februar 2023

 

Die Website war brandneu, hatte ein sehr ansprechendes, neugierig machendes Design und war mit allen Schikanen des SEO-Marketings ausgestattet, so dass die großen Suchmaschinen wie gewünscht auf alle als Meta-Tags eingerichteten Schlagworte ansprachen.

Entsprechend hoch waren schon am ersten Tag die Klickzahlen. Und die Nachricht, so kurz sie auch war, verbreitete sich über die Sozialen Netzwerke wie ein Lauffeuer weiter.

Leute, hier ist Q.

Klartext aus Deutschland für Deutschland. Von nun an immer wieder mit den aktuellsten Meldungen über Vorfälle, die sich erst noch ereignen werden.

Freut euch, denn am Freitag wird ein Wunder geschehen!

Der nur durch massive Wahlmanipulation und zwielichtige Absprachen ins Amt gehobene Bundeskanzler wird am Freitag dieser Woche seinen Rücktritt erklären.

Damit geht die Phase der Lähmung, die unser Land schon länger befallen hat, von ihm aber noch einmal in unvorstellbarem Maße gesteigert wurde, zu Ende.

Wartet zwei Tage ab. Dann dürft ihr entscheiden, ob ihr länger Sven Groot glauben wollt, von dessen Verheißungen bisher nicht eine eingetroffen ist, oder ob ihr euer Tun und Handeln doch lieber an dem ausrichten wollt, was ich versprechen – und halten – werde.

Wie bei Q-Annon in den USA reagierten die Medien auf diese Ankündigung so, als hätte sie es nie gegeben, nämlich gar nicht.

Weil die Medien nicht reagierten, erfuhr auch der Kanzler vorerst nichts davon, dass sein Plan, den er bisher nur im engsten Kreise des Kabinetts bekanntgegeben hatte, schon öffentlich geworden war. Nicht einmal die Faktenfinder wagten es, diese heiße Nachricht dadurch noch zu betonen, dass sie entsprechenden Widerspruch in die Welt setzten.

Jonas Schmölz war glücklich. Nie zuvor hatte er so brisante Informationen erhalten, noch dazu direkt aus einem Bundesministerium – und nie zuvor war es ihm gestattet, solche Nachrichten unzensiert zu verbreiten. Die Tatsache, dass er seinen Namen nicht nennen durfte, dass seine Seite noch nicht einmal ein Impressum hatte, störte ihn nicht mehr.

Irgendwie kam er sich vor wie ein Batman des Journalismus. Und irgendwie begann er tatsächlich mehr und mehr genau dazu zu werden.

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Dieser Roman wurde im Sommer 2020 geschrieben. Die Handlung beginnt am 17. November 2022 und endet am 1. Mai 2023. Die Kapitel tragen das jeweilige Datum der visionären Handlung. Die weiteren Veröffentlichungstermine und die Links zu allen bereits veröffentlichten Kapiteln finden Sie hier.  Viel Spaß beim Mitlesen.