Andere Abhilfe (26)

Duisburg-Marxloh
Donnerstag, 2. März 2023

Provozierend langsam fuhr der Streifenwagen am frühen Abend die Kaiser-Friedrich-Straße entlang. Jene Straße, die von den Clans schon im Frühjahr 2020 als quasi exterritoriales Gebiet für sich reklamiert wurde. In einer E-Mail an die Polizei hieß es (in leicht gekürzter Form) seinerzeit schon:

Betreff Allahu Akbar,

Duisburg-Marxloh ist unser Stadtteil. Wir verbieten allen Ungläubigen, unseren Stadtteil zu betreten. Alle Polizisten, Journalisten und auch andere Ungläubige werden wir mit Waffengewalt vertreiben oder töten. Bei uns gilt nur die radikale Scharia. Wir haben uns 2000 Stück AK-47 Sturmgewehre mit genügend Munition aus der Türkei und Russland beschafft.

Allahu Akbar, tötet alle Ungläubigen.

Es dauerte danach noch fast ein Jahr, bis das Innenministerium der Polizei vorschrieb, sich jeglichen Einsatz in dem von den Clans beanspruchten Gebiet, unabhängig von Dringlichkeit und Wichtigkeit des Anlasses, ausdrücklich genehmigen zu lassen. Nachdem die ersten Anträge vom Innenministerium abgelehnt worden waren, gab auch die Polizeiführung auf und beantrage erst gar keinen Einsatz mehr. Das Gebiet war an die organisierte Kriminalität verloren.

Die arabischen Jungs, die gelangweilt in den Sisha-Bars herumlungerten, mit ihren Smartphones spielten; die Straßenhändler, die ihre Kunden mit Stoff versorgten, das Personal  und die Kunden der Halal- Läden, sogar der Frisör, der gerade einen Vollbart kunstvoll zurechtstutzte und den Streifenwagen durch das Schaufenster seines Salons herannahen sah, sie alle ließen von ihren Beschäftigungen ab, riefen laut und empört durcheinander und schaukelten sich gegenseitig hoch.

„Was will der dreckige Kuffar hier?“

„Die faschistische Kartoffel!“

„Los, den holen wir uns!“

Schnell standen zwanzig, dreißig aufgebrachte Jugendliche auf der Straße, umringten den Streifenwagen, dessen Fahrer sich nicht beeindrucken ließ, sondern in Schrittgeschwindigkeit Meter um Meter weiter rollte. Die Meute wuchs schnell an. Jetzt waren auch Baseballschläger und Eisenstangen im Einsatz. Die Heckscheibe des Wagens ging zu Bruch. Der Fahrer wusste, er konnte es nicht länger hinauszögern. Wohl wissend, dass ihn da draußen in dem Getümmel keiner hören würde, rief er laut: „Allahu Akbar!“, und voller Vorfreude auf den Eintritt in ein sorgenfreies Leben mit siebenundsiebzig Jungfrauen im Paradies, zündete er die zweihundert Kilogramm Dynamit die im Kofferraum des gestohlenen Polizeiwagen verstaut waren.

Ein greller Lichtblitz zerschlug den Frieden der Abenddämmerung. Ein ohrenbetäubender Knall ließ die Fensterscheiben der umliegenden Häuser bersten. Die Einzelteile des von der Explosion zerlegten Streifenwagens pfiffen wie Granatsplitter durch die Luft. 

Augenblicke später, als die letzten Glassplitter zu Boden gefallen waren und nur noch das Wimmern der Verletzten zu hören war, kamen sie, wie aufgescheuchte Ameisen, von allen Seiten aus den Häusern. Lautes Geschrei nach Hilfe, Sanitätern, Ärzten gellte über die Straße, in deren Mitte die ersten Flammen aus den Überresten des Polizeiautos schlugen.

Sie kamen wie aus dem Nichts. Vom Kreisverkehr an der Holtener Straße her. Rund fünfzig Mann, die Maschinenpistolen im Anschlag. Als aus dem Getümmel um den Anschlagsort der erste laute Warnruf ertönte, eröffneten sie das Feuer. Es dauerte keine Minute, dann regte sich dort nichts mehr und die letzten neugierigen Gesichter tauchten unter den Fenstern ab.

Dann war der Spuk vorbei. Nach einer Stunde erfüllte das Donnern der Rotoren eines schweren Transporthubschraubers, der im Tiefflug über die Kaiser-Friedrich-Straße flog, die Luft.

Gegen Mitternacht erteilte der Innenminister persönlich die Genehmigung für den Einsatz von zwei Hundertschaften der Bereitschaftspolizei, nachdem er erfahren hatte, dass es vergleichbare Anschläge auch in anderen großen Städten mehrerer Bundesländer gegeben hatte.