Dreckige Politik – North Stream 2

Es war einmal ein deutsch-russisches Gemeinschaftsprojekt, der Bau der direkten Pipeline durch die Ostsee, die weder durch Polen noch durch die Ukraine führt, um die Erpressbarkeit Deutschlands und Russlands von den an den Gashähnen sitzenden Regierungen der Transitländer  zu beenden und sich obendrein auch noch von den Durchleitungsgebühren befreien zu können.

Es war  ein deutsch-russisches Gemeinschaftsprojekt, aus dem Russland sich mit Devisen versorgen wollte, während es Deutschland darum ging,  sich langfristig  den Bezug preisgünstiger Energierohstoffe zu sichern.

Es war etwas, was man gemeinhin als „Win-Win-Situation“ bezeichnet.

Irgendwann entwickelte sich der Wind aus den USA zum Sturm gegen dieses Projekt, und alle knickten ein, freuten sich über die Sanktionen und klagten nicht, als die Drohung der USA, die neue Pipeline zu zerstören – von wem auch immer – wahr gemacht wurde.

Nur Manuela Schwesig  soll bis zuletzt versucht haben, die Fertigstellung der Pipeline  trotz der US-Sanktionen voranzustreiben, dies u.a. mit Hilfe einer von Gazprom gesponsorten Stiftung für Klimaschutz, was Frau Schwesig heftige verbale Prügel einbrachte. Ich erinnere mich, dass die öffentliche Meinung dahin gelenkt wurde, Frau Schwesig habe im Alleingang versucht, das Pipeline-Projekt – für Russland – zu retten, was irgendwie mit den Spenden für die Stiftung zusammenhängen sollte und zumindest eine Hauch von Korruption suggerierte.

Nun kommt das Handelsblatt mit alten Akten ans Licht.

Darin findet sich zwar  nicht das glatte Gegenteil, aber doch eine völlig andere Darstellung. Wer ein Handelsblatt Abo hat, kann den Artikel hier lesen. Er beginnt mit der Aussage, Olaf Scholz und Manuela Schwesig, heute entschlossene Unterstützer der Ukraine, hätten noch lange ein Projekt vorangetrieben, dass nicht im Sicherheitsinteresse (Sicherheitsinteresse?) der Ukraine lag: Nord Stream 2.

Wer an dieser Stelle von der Bezahlschranke des Handelsblattes aufgehalten wird, kann sich bei Prawda.de über den Inhalt des Handelsblatt-Artikels informieren.

Da heißt es, Olaf Scholz habe 2020 als Finanzminister der Groko unter Merkel, die also auch davon gewusst haben muss, den USA einen geheimen Deal angeboten, um Sanktionen gegen Nord Stream 2 zu verhindern.

Gegenstand dieses Angebots sei es gewesen, eine Milliarde deutsches Steuergeld für den Bau von LNG-Terminals an der deutschen Nordseeküste auszugeben. Ein Angebot das sicherlich klug durchdacht war und der Annahme Rechnung getragen hat, dass es  den USA nie um die Transitgebühren für die Ukraine gegangen ist (warum denn auch?), sondern ausschließlich darum, Europa langfristig als Markt für ihr Fracking-Gas zu gewinnen.

Es seien wiederholte Versuche von Scholz dokumentiert, Donald Trump von den Sanktionen gegen die Pipeline abzubringen, wobei er auch Einfluss auch Steven Mnuchin genommen habe, seinerzeit Scholz‘ Kollege als Finanzminister der USA.

Es gab also einen Olaf Scholz, der sich der Bedeutung von Nord Stream 2 für Deutschland bewusst war. Oder stimmt das gar nicht? Folgte er damals nur widerwillig der Richtlinienkompetenz seiner Chefin, um dann – endlich selbst Kanzler und richtlinienkompetent – der Beerdigung des Pipeline-Projekts freudig zuzustimmen? Oder waren es die Grünen, die es zur Bedingung für ihren Eintritt in die Ampel-Koalition gemacht hatten, dass nichts Fossiles mehr in Deutschland verbrannt werden dürfe, am besten, es kommt  erst gar nicht mehr hier an? Oder war es Joe Biden, der Scholz so eindringlich versichert hatte, dass er die Mittel hätte, die Inbetriebnahme zu verhindern, der Scholz einfach, nach dem Motto: „Der Klügere  gibt nach“, so vollständig einknicken ließ, dass ihm nicht ein einziges Wort des Widerspruchs oder  wenigstens der öffentlichen Klage über das Verhalten Bidens dazu eingefallen ist?

Ich weiß es nicht. Und ob Olaf Scholz sich auf Befragen hin noch erinnern können wird, ist zumindest gesichert ungewiss.

Wie aber soll man diese Wende erklären?

Kann es sein, dass Scholz als Merkels Finanzminister überzeugt war, mit seinem angestrebten Geheim-Deal nicht nur Schaden vom deutschen Volke abzuwehren, sondern sogar seinen Nutzen zu mehren, während er heute davon überzeugt ist, er wende Schaden vom deutschen Volke ab und mehre seinen Nutzen, wenn er den Import russischen Erdgases unterbindet?

Ausschließen können möchte ich gerne, dass die deutsche Souveränität bereits da endet, wo sie mit den hegemonialen Absichten der USA kollidieren könnte.

Und überhaupt:

Mit welchem Recht verhängen die USA Sanktionen gegen ein bilaterales Wirtschaftsprojekt, fernab vom amerikanischen Kontinent? Mit welchem Recht kündigen sie dessen Zerstörung an und lassen diese dann auch noch ungerührt bis wohlwollend zu?

Das Szenario ließe sich durchaus auch so deuten, dass sich Deutschland im Krieg mit den USA befindet. Was ja auch stimmt. Seit dem Waffenstillstand nach der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht von 1945 steht selbst der Versuch, einen Friedensvertrag zu formulieren, immer noch aus.

Da sich aber von deutscher Seite keine Verteidigungsanstrengungen erkennen lassen, kann es faktisch auch kein Krieg sein. Was aber dann?

Dreckige Politik!

Nachtrag, 11.45 Uhr:

Lese  gerader hier, dass nun ausgerechnet die gesichert umweltaffine „Deutsche Umwelthilfe“ einen Untersuchungsausschuss fordert, um die Versuche von Olaf Scholz, US-Sanktionen gegen Nord Stream 2 zu verhindern, aufzuklären. Auch das kann nur von der Absicht getrieben sein, Schaden vom deutschen Volke abzuwenden und seinen Nutzen zu mehren. Leider kann ich nicht erkennen, um welchen Schaden und welchen Nutzen es da gehen soll.