PaD 24 /2020 – Konjunkturprognosen – Hier auch als PDF verfügbar: PaD 24 2020 Konjukturprognosen
George Orwell hätte seine helle Freude. Bei jedem Blick auf das Neueste aus Wirtschaft und Finanzmarkt könnte er in perfektestem Neusprech baden, noch subtiler und ausgefeilter als er das in den Vierzigerjahren in seiner Prognose für die Unterordnung der Logik unter eine verlogene Ideologie aufgezeigt hat. Und so, wie Orwell es vorhergesehen hat, sind es nun tatsächlich nur wenige, die noch erkennen, dass es die widerspruchsfreie Koexistenz von zwei absolut gegenteiligen Wahrheiten in der realen Welt nicht geben kann.
Die Weltwirtschaft ist in die Knie gegangen.
Jede neue Prognose weist ein Stück weiter nach unten. Nationale Regierungen verschulden sich bis über beide Ohren, um den vollständigen Zusammenbruch aufzuhalten. Die Zahl der Neuinfektionen und der Todesfälle der Corona-Epidemie wächst weltweit zügig weiter. Die Kurve wird steiler, statt flacher. Die Meldungen über einen aufgehobenen Lockdown hier wechseln sich in munterer Folge ab mit den Meldungen über den nächsten neuen oder wieder in Kraft gesetzten Lockdown an anderer Stelle. Demonstrationen gegen Maskenpflicht und Kontaktsperren, da, wo sie verordnet wurden, stehen Demonstrationen für gesetzlich vorgeschriebene Maskenpflicht und Kontaktbeschränkungen da gegenüber, wo es sie nicht gibt und sich die Corona-Fälle häufen. Ganze Wirtschaftszweige stehen vor dem Aus. Tourismus, Luftfahrt, Gastronomie, Kinos, Theater, Museen, kriechen seit Monaten auf dem Zahnfleisch. Den Flugzeugbauern, Brauereien, Messebauern, sogar den Werbeagenturen brechen die Aufträge weg. Die Automobilindustrie steht vor riesigen Halden inzwischen gealterter, praktisch unverkäuflicher Neuwagen, die trotz Produktionsstop, Kurzarbeit und gebremstem Restart nicht weniger werden. Dahinter lauert der Pleitgeier über den vielen, vielen Zuliefer-Unternehmen und nicht zuletzt auch über dem zweiten – und praktisch letzten, nennenswerten Standbein der deutschen Exportindustrie, dem Maschinenbau. Großbäckereien stürzen reihenweise in die Insolvenz, Banken machen eine Filiale nach der anderen dicht, BMW schickt 10.000 Leih- und Werkvertragsarbeiter sowie 6.000 Angehörige der Stammbelegschaft nach Hause, die Lufthansa baut 22.000 Stellen ab, bei Daimler werden es ebenfalls um die 20.000 Leute sein, die vergeblich versuchen werden, einen neuen Job zu finden, VW verabschiedet sich von der Nutzfahrzeugsparte – 5.000 Arbeitsplätze vernichtet, Fraport verzichtet auf 1.000 Mitarbeiter, Continental wird rund 2.500 Jobs streichen, der Windmühlenproduzent Enercon wird insgesamt schätzungsweise 4.500 Beschäftigte abwerfen, ZF, Getriebehersteller, wird 7.500 Stellen abbauen, Thyssen Krupp trennt sich weltweit von 20.000 Mitarbeitern, die Deutsche Bahn dementiert noch halbherzig, dass der Sparplan sich nicht realisieren lassen wird, wenn nicht 10.000 Mitarbeiter ausscheiden, die Standorte von Karstadt Kaufhof und Real brechen in Zeitlupe zusammen, was insgesamt ebenfalls weit über 10.000 Jobs kosten wird, TUI hat, trotz massiver Staatshilfe weltweit 8.000 Abschiedsbriefe geschrieben, bei der teilverstaatlichen Commerzbank geht es um rund 6.000 Jobs – und Mc Kinsey schätzte Ende April 2020, dass in Europa insgesamt 59 Millionen Jobs gefährdet seien.
Doch dieses Horrorszenario ist noch nicht die ganze Wahrheit, in den USA herrschen – trotz wütender Corona-Pandemie – bürgerkriegsähnliche Zustände. Der Mob verwüstet plündernd und brennend die Innenstädte, Denkmäler werden vom Sockel gerissen und immer wieder kommt es zu bewaffneten Zusammenstößen, bei denen vor allem Schwarze von Schwarzen ermordet werden. Joe Biden, dessen geistige Fitness umstritten ist, sagen die Demoskopen den Sieg über Trump voraus, der weiterhin von allen Seiten unter massiven Beschuss steht. Nichtsdestotrotz führt Trump seinen Handelskrieg gegen China und die EU und Deutschland weiter und scheint wild entschlossen, die angedrohten Sanktionenen gegen North Stream 2 in Kraft zu setzen.
Letzteres ist eine Katastrophe, über die nicht gesprochen wird. Atom- und Kohleausstieg können – wenn überhaupt – nur gemeistert werden, wenn zugleich jede Menge schnell anfahrbarer Gaskraftwerke installiert werden, mit denen die Schwankungen des nicht wirklich ökologischen Flatterstroms aus Wind und Sonne ausgeglichen werden können. Die brauchen aber Gas. Deutschland ist ja reich an Erdgasvorkommen, nicht wahr? Wenn die deutsche Regierung vor den US-Sanktionen einknickt und Putin mit der Pipeline definitiv auch einige Milliarden sinnlos in der Ostsee versenkt haben wird, könnte die Belieferung mit russischen Gas zumindest ins Stocken geraten, kontingentiert werden, was auch immer. Niemand lässt sich gern verarschen, schon gar nicht von der vermeintlich mächtigsten Frau der Welt. Sollten die Preise fossiler Energieträger – Kohle, Gas und Öl – weiterhin im Keller bleiben, werden auch die bisher noch überlebenden Fracking-Unternehmen der USA das Geschäft aufgeben und die sie finanzierenden Banken auf den notleidenden Krediten sitzen lassen. Ob dann noch Flüssiggasfrachter aus den USA in Deutschland ankommen werden ist fraglich.
Ich will diese Schritt für Schritt in die Realität hineinwachsende Dystopie nicht weiter ausführen. Auch zu viele Schreckensmeldungen stumpfen ab und machen gleichgültig. Ja. Fragen Sie sich doch selbst! Ist Ihnen heute nicht auch längst vieles vollkommen wurst, worüber Sie sich noch vor zehn Jahren fürchterlich aufgeregt hätten? Sei es weil Sie es für eine üble Verschwörungstheorie gehalten hatten, sei es, weil Sie irrend annahmen, Ihr Protest könne noch etwas bewirken?
Die Börsen zeigen sich ungerührt.
Ja, es gab einen Corona-Knick im DAX-Chart, doch der ist längst wieder ausgebügelt. Würde man vom Höchststand bei knapp 14.000 Punkten zum nach dem kurzfristigen Einbruch wieder erreichten Stand von knapp 13.000 Punkten statt dem „V“ eine gerade Linie einziehen, sähe das aus, wie eine ganz normale, immer wieder auftretende Schwankung – aber nicht wie ein Alarmsignal.
Der DAX, der so gerne als Konjunkturbarometer bezeichnet wird, der DAX, der angeblich zukünftige Entwicklungen vorausnimmt, weist scheinbar in eine kurz bevorstehende glückliche Zukunft mit gutem Wachstum und sprudelnden Gewinnen. Lufthansa und Wirecard sind ebenso spurlos am DAX vorübergegangen, wie der massive Anstieg der Arbeitslosigkeit. Und wenn die realistisch einzuschätzende Zukunftsentwicklung vorhergesagt wird, dass nämlich, nach der gesetzlich bis in den Herbst hinein erlaubten Insolvenzverschleppung und mit dem Auslaufen des Kurzarbeitergeldes eine riesige Insolvenzwelle über Deutschland hereinbrechen wird, dann sollte man erwarten, dass das Donnern der Hufe der aus den Aktien flüchtenden Anleger nur noch mit Gehörschutz zu ertragen sein würde.
Nix.
Da prallen zwei Wahrheiten aufeinander, die sich nicht unter einen Hut bringen lassen. Es sind sogar sichtbare, greifbare, aber eben schlicht nicht mehr begreifbare Realitäten. Die Kurstafel an der Frankfurter Börse lügt sogar noch weniger als die Schlagzeilen mit den allmonatlich verkündeten, frisierten Arbeitslosenzahlen.
Ich persönlich halte nichts von der Theorie paralleler Universen, ich will nicht einmal von den „zwei Welten“ sprechen, die hier nebeneinander existieren, denn beide Bilder verharmlosen das, was tatsächlich vor sich geht.
Warren Buffet hat es ausgesprochen, Georg Schramm, der begnadete Aufklärer in der Maske des Kabarettisten hat es den Deutschen mit ernster Eindringlichkeit übersetzt:
„Es herrscht Krieg.
Reich gegen Arm –
und meine Klasse,
die Klasse der Reichen,
wird ihn gewinnen.“
Werfen Sie mit dem Wissen um diese absolut ernst gemeinte Aussage noch einmal einen Blick auf die Kurstafeln und auf die Arbeitslosenzahlen, auf die Ankündigung von weiteren Massenentlassungen und auf die Richtung der steuerfinanzierten Subventionsflüsse.
Da mögen Sie jetzt einwenden: „Die Kleinen bekommen doch auch Unterstützung!“, und das stimmt sogar – vordergründig. Bei Licht besehen ist die Unterstützung der Kleinen nur die Umsatz- und Gewinngarantie für die Großen. Es ist wie beim Wohngeld, bei der Übernahme der Mietkosten für Hartz-IV-Empfänger: Damit wird nicht den Armen geholfen, die dürfen das Geld nur durchreichen und sorgen damit dafür, dass die Rendite der Eigentümer stimmt. Nach den Gesetzen des Marktes hätten wir zwar nicht mehr Wohnraum, aber deutlich niedrigere Mieten.
Und zuletzt dürfen Sie sich die Frage stellen, warum eben dieser Warren Buffet gerade eben mit 10 Milliarden Dollar ins Erdgasgeschäft eingestiegen ist. Na? Klingelt’s?