Die Zurechnungsfähigkeit von Straftätern und Politikern

Es hat in dieser Republik seit ihrem Bestehen schon viele Strafprozesse gegeben, bei der von Gutachtern zu prüfen war, ob den Beschuldigten das Vergehen zugerechnet werden kann, oder nicht. Dabei stand nicht die Frage im Vordergrund, ob der Beschuldigte die Tat begangen habe, oder ob sie einem anderen Täter zugerechnet werden muss, denn der Beweis für die Tat des Täters war von den Ermittlungsbehörden erbracht. Es ging vielmehr darum, ob  der Beschuldigte überhaupt in der  Lage war, das Schuldhafte seiner Tat zu erkennen. So  kann von einer verminderten Schuldfähigkeit schon dann ausgegangen werden, wenn die Tat unter Alkohol- oder Drogeneinfluss begangen wurde. Ebenso kann eine Tat im Affekt dazu führen, dass dem Beschuldigten die Tat nicht vollumfänglich zugerechnet werden kann. Darüber hinaus finden wir die Unzurechnungsfähigkeit wegen krankhafter psychischer Störungen, und zu guter Letzt kann es einfach auch ein erheblicher Mangel Wissen und Intelligenz, also schlicht  „Dummheit“ sein, die einen Gutachter dazu bringt, Unzurechnungsfähigkeit zu attestieren.

Wir wollen uns bei dieser Klientel nicht länger aufhalten, auch nicht darauf eingehen, wie manche Strafverteidiger ihre Mandanten geradezu darauf trainieren, dem Gutachter ihre Unzurechnungsfähigkeit darzustellen. Es ist auch nicht von Belang, inwieweit die zuständigen Richter die Gutachten bei der Urteilsfindung berücksichtigen, da ihnen ja auch da ein Ermessungsspielraum (im Sinne ihrer eigenen Zurechnungsfähigkeit) zur Verfügung steht.

Es geht in diesem Aufsatz darum, die Verantwortung politischer Entscheidungsträger unter die Lupe zu nehmen.

Dazu ist zunächst festzustellen, dass es so etwas wie eine strafrechtliche Verantwortung politischer Entscheidungsträger für ihr Handeln im Amt grundsätzlich nicht gibt. Bitte, das Handeln im Amt sollte nicht mit persönlicher Bereicherung verbunden werden oder anderen einen ungerechtfertigten Vorteil verschaffen. Hat die Opposition einen solchen Verdacht, versucht sie, einen Untersuchungsausschuss zu installieren. Im schlimmsten Fall wird die Immunität des Betroffenen aufgehoben  und die Staatsanwaltschaft  eröffnet ein Verfahren gegen Björn Höcke. Das sind aber nicht die Fälle, über die hier zu sprechen ist.

Zu sprechen ist über die Migrationspolitik seit 2015. Zu sprechen ist über die Rolle der politisch Verantwortlichen  in der Corona-Pandemie. Zu sprechen ist über das Heizungsgesetz, die CO2-Besteuerung, die erleichterte Einbürgerung von Ausländern, die Vorschrift, in öffentlichen Gebäuden Toiletten für ein drittes  Geschlecht anzubieten. Aber auch die Beschlussfassung über ein Netzwerkdurchsetzungsgesetz, über einen neuen Paragraphen der Majestätsbeleidigung, verbunden mit der verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates und seiner Repräsentanten, auch unterhalb der  Strafbarkeitsgrenze und die massive finanzielle Förderung von Organisationen der so genannten Zivilgesellschaft und deren Kampf gegen rechts. Solches Handeln im Amt, für das es keine strafrechtliche Verantwortung gibt, soll betrachtet werden, um wenigstens abzumessen, ob den Verantwortlichen ihre Taten vollständig zugerechnet werden können oder ob sie im Zustand verminderter Zurechnungsfähigkeit gehandelt haben.

Es geht in allen diesen Fällen um hohe materielle Kosten, die den Bürgern aufgebürdet werden und um die parallel dazu fortschreitende Demontage der noch zulässig  ausübbaren Grundrechte.

Dagegen ist – dieser Vergleich muss hier erlaubt sein – ein Bankraub mit einer Millionenbeute, ein geradezu lächerlicher Schaden, und die Geiselnahme einer einzelen Person zum Zwecke der Erpressung wird, betrachtet  man die Schwere dessen, was die Geisel zu erdulden hat, einmal ganz nüchtern, zu einer zwar tragischen, aber doch temporären Belastung, wogegen die Beschneidung der Rechte eines ganzen Volkes – auf unabsehbare Zeit – durchaus als ein weitaus schwerwiegenderer Akt der massenhaften Freiheitsberaubung angesehen werden kann.

Nachdem das Handeln im politischen Amt  grundsätzlich nicht strafbar ist, obwohl es ungleich schwerwiegendere Schäden verursachen und dramatischere Folgewirkungen auslösen kann, als alle derzeit in Deutschland inhaftierten Straftäter zusammen, während der Grund für diese Straffreiheit nur darin besteht, dass die handelnden Akteure „irgendwie doch“ vom Parlament bestimmt wurden, dessen Zusammensetzung in freien, gleichen und geheimen Wahlen vom Volk selbst so gewählt worden ist, muss alles Regierungshandeln, so schädlich es der  Opposition auch erscheinen mag, als die unverfälschte Umsetzung des Willens des Volkes angesehen werden. Damit liegt hier eine hermetisch geschlossene Erzählung vor, der man Glauben schenken könnte.

Folgt man  dieser Logik, ergibt sich daraus allerdings ein für Regierungspolitiker äußerst unerfreuliche Konsequenz:

Die negativen Folgen des Handelns von Regierungspolitikern können diesen nicht zugerechnet werden. Sie sind insofern als unzurechnungsfähig anzusehen, als sie nach eigener Angabe lediglich den Willen des Volkes exekutieren.

Wir sind hier beim Rechtskonstrukt des Befehlsnotstandes angelangt, wir sind bei den Mauerschützenprozessen und der Radbruch’schen Formel angekommen, die besagt, dass sich ein Richter bei einem Konflikt zwischen dem positiven (gesetzten) Recht und der Gerechtigkeit immer dann – und nur dann – gegen das Gesetz und stattdessen für die materielle Gerechtigkeit zu entscheiden habe, wenn das fragliche Gesetz

  • als „unerträglich ungerecht“ anzusehen ist oder
  • die im Begriff des Rechts grundsätzlich angelegte Gleichheit aller Menschen aus Sicht des Interpreten „bewusst verleugnet“.

Das Gesetz um das hier bei der Ausdeutung der Radbruch’schen Formel geht, ist der Artikel 20 des Grundgesetzes, mit dem Wortlaut: Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen (und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung) ausgeübt.

Wenn das Volk seiner Regierung also seinen Willen vorgibt, der schon bei der Würdigung nach dem gesunden Menschenverstand großen Schaden anrichten würde, dann könnte sich die Regierung bei der Weigerung, diesen Willen zu vollziehen, immer darauf berufen, dass das Volk „unerträglich Ungerechtes“ verlangt und in manchen Fällen auch darauf, dass der Wille des Volkes die Gleichheit aller  Menschen „bewusst verleugnet“.

Das wäre ein Freifahrtschein für die Vernachlässigung des Wählerauftrags, der es sogar möglich macht, gegen den Wählerauftrag tätig zu werden.

Diese Verweigerung müsste von einem Richter als richtiges Handeln angesehen werden, was heißt: Die Regierung kann den Wählerauftrag in den Wind schreiben und das tun, was sie für besser und nützlicher hält, wenn der Auftrag des vom Grundgesetz eingesetzten Souveräns an die Regierung, bei seiner Umsetzung unerträglich ungerechte Folgen hätte.

Das ist jetzt in der Theorie alles ein bisschen kompliziert geworden. In der Realität ist alles viel einfacher.

Wenn ich nicht irgendeine wichtige Nachricht aus den letzten 75  Jahren verpasst habe, hat sich bisher noch keine Bundesregierung darauf berufen, bewusst gegen den Wählerauftrag zu regieren. Im Gegenteil: Die Litanei vom klaren Wählerauftrag, den wir umsetzen werden, ertönt nach allen Wahlen besonders laut, und wird während der Amtszeit bei jeder Kritik aus der Opposition mit unterschiedlicher Lautstärke wortgleich wiederholt.

Mit der damit selbst bescheinigten Unzurechnungsfähigkeit wegen Befehls-, bzw. Wählerwillens-Notstand, wird die Verantwortung eiskalt auf die Wähler abgewälzt. 

Hier beißt sich die Katze allerdings kräftig in den Schwanz.

Wie kann „der Wähler“ unsinnige und sich selbst schädigende Ziele verfolgen und diese als Regierungsauftrag an die Gewählten vergeben? Ist „der Wähler“ etwa selbst unzurechnungsfähig? Steht er unter Drogen? Wählt er im Affekt? Ist er einfach nur dumm?

Waren die Väter des Grundgesetzes überhaupt zurechnungsfähig, als sie die kühne Formulierung wählten: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus?“

Oder war das Volk der ersten Nachkriegsjahre noch vollständig zurechnungsfähig, so dass ihm die Formulierung kluger Aufträge an die Regierung ohne jeden Zweifel zugetraut werden konnte, während die heute Wahlberechtigten auf rätselhafte Weise mehrheitlich in die Verblödung gefallen sind?

Alle diese Spekulationen sind allerdings nur logische Fingerübungen.

Die Meinungsforscher haben die Lösung doch längst an vielen Beispielen öfffentlich gemacht.

Die Regierung regiert, vermeintlich durch den Wahlerfolg für eine volle Amtszeit legitimiert, munter am Wählerwillen vorbei.

Wobei es nicht die Parteien sind, die dem Wähler mit dem Kreuz in der Wahlkabine die Möglichkeit geben, ihren „Wählerwillen“ zu artikulieren, sondern die Demoskopen, die zu ganz konkreten Themen einigermaßen zuverlässig herausfinden, was die Wähler wirklich wollen.

Um hier mit einem Missverständnis aufzuräumen: Parteiprogramme und Wahlprogramme entfalten keinerlei einklagbare Wirksamkeit auf die Regierungsarbeit. Da fallen die kühnsten Versprechen schon in Scherben, wenn in den Koalitionsverhandlungen um Ämter und Kompromisse gerungen wird.  Wenn die Regierung dann steht, dann ist es die Lage, die sich verändert, die Situation, die sich verschärft hat und das Nie-Dagewesene, für das es noch keine Blaupause gibt, was die Loslösung von den programmatischen Ideen so erleichtert, dass auch das glatte Gegenteil möglich wird.

Als Fazit darf  festgehalten werden:

Weder der Wählerwille, noch bestehende Gesetze, ja oft genug noch nicht einmal das Grundgesetz können Politiker daran hindern, ihre ideologischen Ziele durchzusetzen.

Daraus ergibt sich – aus dem Wirken in ihren Veranwortungsbereichen – die unbestreitbare persönliche Verantwortung für ihre Maßnahmen.

Gesicherte  Erkenntnisse über die Zurechnungsfähigkeit der jeweiligen Personen haben sich bei diesen Überlegungen nicht ergeben können, weil sich die persönliche Verantwortung der Amtsträger der juristischen Aufarbeitung entzieht, weshalb es auch nicht zu entsprechenden Begutachtungen kommt.

 

Über das Labyrinth, in dem der Wählerwille umherirrt, ohne je den Ausgang zu finden, über den er sich verwirklichen könnte, habe ich dieses Buch geschrieben:

 

Demokratie – Fiktion der Volksherrschaft

Ein Buch,

  • das mit den Abgründen der Demokratie beginnt, die sich auftun, wenn es um den Wählerwillen geht, um die Karrieren der Alphatiere und um den Fraktionszwang,
  • das die Probleme der heruntergewirtschafteten Republik Deutschland von A, wie Antifa, bis Z, wie Zampano, schonungslos aufzählt, und
  • das die Defizite im Bereich von Freiheit, Staatlichkeit und Staatsbürgerschaft aufgreift, sowie den Widerspruch zwischen Demokratie und Kapitalismus beleuchtet, der wieder sichtbar wird, seit die Soziale Marktwirtschaft im Sterben liegt.

Dabei wird deutlich, an welchen Stellschrauben gedreht werden kann, um Freiheit und Demokratie wieder gedeihen zu lassen, denn Demokratie ist wie Beton. Es kommt drauf an, was man daraus macht.

284 Seiten Kreutzer für 18,80 Euro hier zu haben.