Macht euch vom Acker, Landwirte und Bauern!

Das ZDF überschreibt seinen Beitrag über die Installation einer Expertenkommission mit der hilflos klingenden Botschaft:

„Landwirtschaft von morgen gesucht“

Gestern gab Angela Merkel höchstpersönlich den Startschuss, flankiert von der Ex-Unternehmensberaterin Svenja Schulze und der Ex-Weinkönigin Julia Klöckner, erstere für Klima, Umwelt und Dekarbonisierung, letztere für Ernährung und Landwirtschaft zuständig.

Noch im Herbst wird ein Zwischenbericht erwartet, der Abschlussbericht soll im Frühsommer nächsten Jahres vorgelegt werden.

In Anbetracht der damit auf den Weg gebrachten, neuerlichen Anstrengung, die Landwirtschaft massiv zu regulieren, würde ich keinem Bauern empfehlen, auch nur die geringste Investition in seinen Betrieb zu planen, solange der Abschlussbericht nicht vorliegt.

Schließlich setzt sich so eine Kommission zusammen, um einen Kompromiss zu erzielen, und dieser Kompromiss kann kaum anders aussehen, als dass die Bauern am Ende froh sein müssen, wenn sie auch nur die Hälfte der Forderungen derer abwenden können, die sich die Landwirtschaft zum Feindbild erkoren haben.

Das erkennt man auch schon daran, dass der Bauernverband (der längst primär die Interessen der landwirtschaftlichen Großbetriebe vertritt) schon zu Beginn der Arbeit nur den Anspruch erhebt, dass Landwirtschaft am Standort Deutschland – mit Kooperationsmodellen zwischen Landwirtschaft und Umweltpolitik – möglich bleiben solle. Das klingt schon eher nach Rückzugsgefecht als nach der Hoffnung, wenigstens die bisher noch verbliebene Position halten zu können.

Die professionellen Umweltschützer fahren da ganz andere Geschütze auf. Weg mit Monokulturen und Massentierhaltung, weg mit Übernutzung der natürlichen Ressourcen, Einschränkung der Düngung, Vorfahrt für den Klimaschutz!

Die professionellen Tierschützer würden die Fleischproduktion in Deutschland am liebsten ganz verbieten und stattdessen Tofu aus den Soja-Monokulturen in Nord- und Südamerika auf die Teller der Deutschen bringen.

Die Verbraucherschützer hingegen wollen die Verbraucher über höhere Preise vor den Produkten der Massenproduktion schützen und irgendwie bessere Kennzeichnung von Tierwohl und Ackerqualität auf die Produkte bringen.

Betrachtet man sich diese Gemengelage, und malt sich aus, wer zum Schluss obsiegen wird, dann wird ein Trend deutlich, in dem sich die Abschaltung der gesicherten Stromerzeugung, die Destruktion der Automobilindustrie und jetzt die Strangulation der Landwirtschaft zu einem Gesamtbild ergänzen, zu dem der Wohnungsmangel, die verdeckte und offene Arbeitslosigkeit, die Kinder- und Altersarmut, der Zustrom von Migranten, der Verfall der Infrastruktur und die Bildungsmisere nur scheinbar im Widerspruch stehen.

Vorbei die Zeiten, in denen ein Landwirtschaftsminister noch ein Landwirtschaftsminister war, wie der Freidemokrat Josef Ertl, dessen Vita ich hier verlinkt habe, um den Unterschied zur politischen Karriere von Julia Klöckner herauszustellen.

Vorbei die Zeiten, als „Landwirtschaft, Ernährung und Forsten“ noch integraler Bestandteil einer geschlossenen volkswirschaftlichen Betrachtungsweise des politischen Handelns waren.

In meinem Buch „Wo bleibt die Revolution“ habe ich begründet, warum die  „Volkswirtschaft“ eine der unabdingbaren Grundvoraussetzungen für die Konstitution und den Erhalt der Staatlichkeit ist und wie sie mindestens beschaffen sein muss.

Es sieht heute so aus, als sei das „politische System“ dabei, die deutsche Volkswirtschaft auf die Ertragskraft der Mindestproduktivitätsformel zu reduzieren.

Was das heißt, erfahren Sie hier in einem kurzen Auszug aus diesem Buch.
Im aktuellen Kontext besonders relevante Aussagen habe ich in roter Schrift hervorgehoben.

 

Das Spielfeld
volkswirtschaftlichen Handelns

Grundbedingung für volkswirtschaftliches Handeln ist ein in sich geschlossener Wirtschaftraum, der unter einer einheitlichen politischen Gesamtverantwortung steht. Dieser Wirtschaftsraum, der in aller Regel geografisch von Staatsgrenzen definiert ist und durch selbstverantwortete, internationale Aktivitäten seiner Bürger, Unternehmen und Organisationen eine Erweiterung erfahren kann, stellt das innere Spielfeld dar.

Das innere Spielfeld der Volkswirtschaft kann jedoch kaum in einer Art von staatlichem Autismus nach außen abgekapselt werden, wie es in Nordkorea noch versucht wird.  Es ergeben sich beinahe zwangsläufig immer neue Gelegenheiten und Notwendigkeiten für Interaktionen, die über die eigentlichen Staats- und originären Interessengrenzen hinweg gehen. Gemeinhin handelt es sich dabei um eigene oder fremde Expansionsbestrebungen, die dazu bewegen, das äußere Spielfeld zu betreten, nahe und ferne Nachbarn auf diesem Planeten zu beobachten und mit ihnen über volkswirtschaftliches Agieren in Austausch zu treten.

In jüngerer Zeit sind neue, globale Herausforderungen dazu gekommen, wie z. B. der Schutz der Atmosphäre und der Weltmeere, die ein Zusammenwirken der Weltgemeinschaft erforderlich machen und dabei in ganz erheblichem Maße zu Interessenkonflikten führen, die ihren Ursprung in verfehlten oder auch nur in zu egoistischen volkswirtschaftlichen Zielsetzungen haben. Gerade diese neuen Herausforderungen machen deutlich, dass verantwortungsvolle Wirtschaftspolitik keineswegs nur den kurzfristigen Vorteil der eigenen Wirtschaftsunternehmen im Auge haben darf, sondern stets auch in längerfristigem Denken darauf achten muss, sich nicht selbst durch Mitwirken am hemmungslosen Raubbau, bzw. durch seine mehr oder minder stillschweigende Duldung, die Existenzgrundlage zu entziehen.

Noch immer ist Staatspolitik darauf ausgerichtet, „Stärke“ zu gewinnen und zu erhalten. Die Mittel und Methoden dazu sind durchaus als technokratisch zu bezeichnen und vernachlässigen – so oft es opportun erscheint – die Lebensinteressen der Bevölkerung. Das Streben nach Stärke in wirtschaftlicher Hinsicht und das Streben nach Stärke in militärischer Hinsicht sind dabei kaum voneinander zu trennen, ja sie bedingen sich geradezu gegenseitig. Das Extrembeispiel, das wohl keiner weiteren Erläuterung bedarf, finden wir beim Blick auf die Vereinigten Staaten von Amerika.

Ein Musterbeispiel dafür, dass es auch anders geht, war über einige Jahrzehnte die junge Bundesrepublik Deutschland, doch auch die neutralen Europäer, Österreich und Schweiz, sollten Erwähnung finden, bevor das Beispiel USA unwidersprochen als Regelfall angesehen wird.

Betrachtet man beide in der Realität existierenden Möglichkeiten, so entsteht der Eindruck, dass Volkswirtschaft unter zwei Aspekten betrieben werden kann.

  • Einmal unter dem Aspekt, die Volkswirtschaft primär als einen integralen Bestandteil der „Staatsmacht“ anzusehen und sie den staatlichen Machtinteressen unterzuordnen,
  • zum anderen unter dem Aspekt, die Volkswirtschaft primär als ein Handlungsfeld zur Verbesserung der Lebensbedingungen der eigenen Bevölkerung anzusehen.

Dass in beiden Fällen innerhalb der Bevölkerung ganz erhebliche Wohlstandsgefälle möglich sind, ist von dieser Grundeinstellung unabhängig.

Wenn in den USA die Produktion von Militärflugzeugen und Zivilflugzeugen unter Machtinteressen quersubventioniert wird, also sowohl das Militär bestmöglich ausgerüstet, als auch der weltweite Markt der Zivilflugzeuge mit steuersubventionierten Produkten aufgerollt wird, dann dient diese Verquickung primär dem Machterhalt, sowohl in militärischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht.

Dabei wachsen selbstverständlich die Vermögen der Shareholder der involvierten Wirtschaftsbetriebe, es mag auch zu Wohlstand unter den Angestellten und Facharbeitern kommen – es gibt jedoch nur ganz bedingt auch Auswirkungen auf die so genannte Unterschicht.

Wenn in Österreich der Ausbau eines Tourismusgebietes durch staatliche Hilfen und die Bereitstellung der öffentlichen Infrastruktur subventioniert wird, wird sich die eintretende Belebung vermutlich stärker auf die gesamte Einkommenssituation der Region auswirken, weil eben nicht nur die Investoren Gewinne generieren, sondern auch mehr Kellnerinnen und Skilehrer beschäftigt werden. Auf die Lebensumstände der Industriearbeiter und Arbeitslosen in den Ballungszentren muss dies jedoch keineswegs einen Einfluss haben.

Wirtschaftspolitik darf eben – trotz aller gegenteiligen Behauptungen unter dem Motto: „Sozial ist, was Arbeit schafft“, keinesfalls mit Sozialpolitik verwechselt oder gleichgesetzt werden.

 

Das innere Spielfeld

Volkswirtschaft wird zumeist lediglich als die Profession von Wirtschaftswissenschaftlern angesehen, die in ihren Elfenbeintürmen Statistiken wälzen und hin und wieder mit Prognosen an die Öffentlichkeit treten, während  ihre Studenten versuchen, aus den inzwischen erkannten, historischen Fehleinschätzungen ihrer Zunft zu lernen.

Dass volkswirtschaftliches Handeln ein wesentliches Aufgabenfeld der Politik darstellt, wird dabei leicht übersehen. Die notwendigen Kompetenzen werden jedoch auch in der praktischen Politik zumeist so auf einzelne Ressorts verstreut, dass sie weder regierungsintern noch in ihrer Ausstrahlung auf das Publikum als ein geschlossenes Handlungsfeld wahrgenommen werden. Wo die Richtlinienkompetenz des Regierungschefs schwach ausgeprägt ist und sich die einzelnen Ressorts ihren abgegrenzten Aufgabengebieten weitgehend isoliert widmen, ist ein volkswirtschaftlich insgesamt effektives Handeln naturgemäß schwieriger und häufiger von Fehlentwicklung begleitet als da, wo ein klarer und durchsetzungsfähiger Wille die Richtung und die Ziele vorgibt.

Dies könnte als Kritik an der Demokratie missdeutet werden, weshalb daran erinnert werden muss, dass es starke Führungsfiguren auch in der Demokratie gegeben hat und gibt, während unfähige Führungsfiguren auch in Monarchien und Diktaturen niemals auszuschließen waren.

In der Demokratie sollte es allerdings einfacher sein, unfähige Führungsfiguren durch fähigere zu ersetzen – und das wiederum spricht eindeutig für die Demokratie als Regierungsform.

 

Das Überleben des politischen Systems

Grundsätzlich ist Volkswirtschaft also das Handlungsfeld der Politik und muss daher, immer im Sinne der Maslow‘schen Bedürfnispyramide, zunächst einmal so eingestellt werden, dass das politische System eines Staates überleben kann.

Die viel gehörte Klage: „Die Politiker betrachten den Staat als einen Selbstbedienungsladen“, verliert damit nicht an Gewicht und Bedeutung. Es darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden,  dass nur durch die Sicherstellung der Versorgung des politischen Systems, mit allem was es zu seinem Überleben und Funktionieren benötigt, der Erhalt des Staates und damit des einheitlichen Wirtschaftsraumes überhaupt gewährleistet wird. Entzieht man dem politischen System die materielle Grundlage, fällt der Staat zwangsläufig in die Anarchie oder wird zur Beute anderer Staaten und ihrer politischen Systeme.

Größe und Umfang des politischen Systems müssen in einer gesunden Relation zur Größe des Staatsgebietes und zur Zahl der Einwohner, zur Komplexität der Gesellschaft und ihrer arbeitsteiligen Wirtschaft, sowie zu den von innen und außen drohenden, bzw. auch nur befürchteten  Gefahren stehen.

Nur um das zu verdeutlichen: 500.000 Quadratkilometer unbewohnter Wüste können mit einem weitaus geringeren Aufwand administriert werden als 100 Quadratkilometer eines dichtbesiedelten mitteleuropäischen Ballungsraumes.

Für die Gestaltung des Spielfeldes ergibt sich daraus eine erste Regel, welche die Mindestproduktivität für einen funktionierenden Wirtschaftraum beschreibt.

 

Mindestproduktivitäts-Regel

Die Summe der Ergebnisse des wirtschaftlichen Handelns einer Volkswirtschaft muss mindestens ausreichen,  

  • um die materielle Basis des nicht produktiven politischen Systems (Legislative, Exekutive und Judikative) sicherzustellen und
  • den minimalen Selbsterhalt sowie die notwendige
    Reproduktionsrate der produktiven Bevölkerung zu gewährleisten.

(Anmerkung am 8. September 2020: Deutschland befindet sich auf dem Weg, seine Volkswirtschaft auf diese Mindestproduktiviätsregel zu reduzieren!)

 Die Einhaltung dieser einfachen Regel genügt, um feudalistische oder diktatorische Regime mit starken, vorwiegend nach innen gerichteten, militärischen oder paramilitärischen Repressionskräften über lange Zeiträume stabil zu halten.

Typische Ausprägungen von Volkswirtschaften, die lediglich nach der Regel der Mindestproduktivität arbeiten, fanden sich, historisch betrachtet, in Gesellschaften, in denen weltliche und kirchliche Fürsten, abgestützt auf die durch Repression ausgebeutete Arbeitskraft ihrer Leibeigenen, ein Zwei-Klassen-System installieren und aufrecht halten konnten. Es sind zugleich die Erscheinungsformen einer Reihe von – trotz scheinbar demokratischer Wahlen – immer noch bestehenden  Diktaturen auf dem afrikanischen Kontinent.

Aus dieser Mindestproduktivitäts-Regel ergeben sich jedoch Ableitungen, die höchst interessant sind:

  1. Der Aufwand für die Repression steigt mit dem Maß der Ausbeutung der produktiven Bevölkerung und mindert damit den erhofften Mehrnutzen für die Teilhaber des politischen Systems, bis an den Punkt, an dem die absolute Leistungsobergrenze einer Volkswirtschaft erreicht ist.
  2. Wird dieser Punkt überschritten, kommt es zum Zusammenbruch der Ordnung. Sei es, dass Aufstände aufflackern, sei es, dass Polizei und Militär die Gefolgschaft aufkündigen, sei es, dass innerhalb der Machtelite Verteilungskämpfe um die Anteile an der Beute ausbrechen – immer ist mit einer chaotischen Phase zumindest partieller Unregierbarkeit zu rechnen.
  3. Chaotische Phasen stellen jedoch eine Einladung an die Kräfte außerhalb dar, sich das (vorübergehend) paralysierte Staatswesen ganz oder in Teilen anzueignen. Oft unter dem Vorwand, wieder Friede und Ordnung ins Land bringen zu wollen, ziehen fremde Mächte ein und übernehmen das politische System und die damit verbundenen Pfründen.

Derartige kriegerische Überfälle auf Staaten mit geschwächter Führung ziehen sich wie ein blutroter Faden durch die Geschichte aller Nationen und haben auch in der Gegenwart immer noch Konjunktur.  

Chaotische Phasen in „Staatsgeschichten“ können jedoch auch andere Ursachen haben. Vor allem Einflüsse der Natur, wie Dürreperioden, Überschwemmungen, Epidemien, Vulkanausbrüche oder Erdbeben, führen dazu, dass der Eigenbedarf der produktiven Bevölkerung steigt, während die Zahl der verfügbaren produktiven Kräfte durch solche Ereignisse nicht selten reduziert wird. Die führt – sozusagen auf natürlichem Wege – an den vorbeschriebenen Punkt, an dem die Leistungsobergrenze erreicht ist – und damit der materielle Erhalt des politischen Systems nicht mehr sichergestellt werden kann.

Andere Einflüsse, die allerdings schwerer nachvollziehbar sind, kommen aus einem wachsenden, manchmal sogar übersteigerten Selbstbewusstsein der Bürger. Erinnert sei an die Zeiten, als sich über dem einfachen Bauernstand die Zünfte der Handwerker organisierten – und im Wissen um ihre „Unersetzlichkeit“ für die Bedürfnisse der Herrschenden, in langwierigem und zähem Ringen das Recht erstritten, als freie Bürger in freien Städten leben und arbeiten zu dürfen.

Auch solche Einflüsse sind in der Gegenwart nicht selten. Immer aufgeklärtere Bürger in vielen Staaten dieser Welt fordern immer mehr Einfluss auf die Gestaltung des Gemeinwesens und ihres eigenen Lebens. Es kam so zu politischen Konkurrenzen,  deren Wurzeln außerhalb des dicht geschlossenen Zirkels alter Machteliten lagen. Sozialisten, Linke, Gewerkschaftler, Kommunisten und wohlmeinende Altruisten führten und führen Aufstände und Revolutionen an, die nicht aus der Qual der maximalen Ausbeutung geboren sind, sondern aus dem originären Wunsch nach wahrer Freiheit und angemessener, bzw. gerechter Teilhabe am Bruttosozialprodukt.

Wo solche Revolutionen in der Lage waren, bzw. sind, dem politischen System die Handlungsfähigkeit zu nehmen, standen und stehen auch heute die „sich freuenden Dritten“ an den Grenzen und verschaffen sich Einlass.


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