Scheingefechte in der ARD

Gibt es so etwas, wie eine Platzhirschin?

Falls ja, dann hat sich Maybrit Illner gestern als solche inszeniert. Ihr Co-Moderator konnte einem echt leid tun, wenn sie ein ums andere Mal dazwischengrätschte, wenn er glaubte, nach dem abgesprochenen Drehbuch an der Reihe zu sein. Dabei wollten doch beide das Gleiche: Alles tun, um die Matadore der Sendung schon von der ersten Frage an zur Weißglut zu reizen, um damit die eigenen Chancen für die nächste Fernsehpreis-Verleihung zu verbessern.

Dass das nur in Ansätzen gelingen konnte, lag daran, dass Frau Baerbock, Herr Laschet und Herr Scholz auch alle das Gleiche wollten. Nämlich, ihre Chancen für die bevorstehende Bundestagswahl zu verbessern. Wie kann man sich aber von der Konkurrenz abheben,

  • wenn man sich einig darin ist, dass das Klima geschützt und die Mobilität gewendet werden soll,
  • wenn man sich einig ist, dass jährlich 150.000 bis 200.000 Asylanten und dazu 400.000 ausländische Fachkräfte einwandern müssen, um die Industrie und die Rentenversicherung am Leben erhalten zu können.
  • Wenn alle ihr Sprüchlein von der Digitalisierung aufsagen,
  • und das Sprüchlein von der Bildung,
  • und wenn alle Wert darauf legen, dass – bis zum Sieg der Flotte des galaktischen Imperiums über den Todesstern – auf Teufel komm raus geimpft werden muss?

Dadurch, dass man so schöne Parolen aufsagt, wie: „Aufbruch, statt wegducken!“? Dadurch, dass man entweder versichert, weder mit der AfD, noch mit der LINKE zu koalieren, oder indem man sich standhaft, wie die Spartaner bei der Schlacht an den Thermopylen, ein winzig kleines Hintertürchen für die Koaltion mit der LINKEn offen hält? Dadurch, dass man sich im luftleeren Raum darüber streitet, wie lange Kohlekraftwerke noch benötigt werden? Dadurch, dass man aufzählt, was man alles getan hat, um zu verhindern, dass das, was dann eingetreten ist, eintreten kann? Wenn man zur Behebung der Wohnungsnot in den großen Städten (jetzt aber wirklich) fleißig bauen und Bauvorschriften vereinfachen will, während man nur in der Skalierung der staatlichen Eingriffe in den Wohnungsmarkt noch kleine, individuelle Duftnoten setzt, wohl wissend, dass diese im Koalitionsvertrag nur zum allseits faulen Kompromiss vermengt wieder in Erscheinung treten werden? Ja, natürlich, sichere Renten – wer kann da dagegen sein? 48 Prozent für die nächsten 50 Jahre, oder doch nur bis 2025? Ohne Anhebung der Beitragssätze, weil die vielen nicht erwerbstätigen Frauen endlich einen Job bekommen und in die Rentenkasse einzahlen? Warum haben sie denn keinen Job? Weil es keine KiTa-Plätze gibt? Zum Totlachen.

Es gab in dieser Runde kein einziges, wirklich sachliches Argument. Es war wie auf dem Hühnerhof, wenn zwei Gockel in ihrem Kampf um die begehrenswerte Henne aufeinander losgehen, während  diese ihre Kommentare herausgackert, mal halb zustimmend, mal halb ablehnend, mal die Schönheit des eigenen Gefieders anpreisend, aber stets darauf bedacht, ihre Präferenzen nicht preiszugeben, solange nicht einer der beiden Kontrahenten so viel Federn gelassen hat, dass er wundenleckend vom Misthaufen hinab in das Regenerationsbad der Opposition zu steigen gewillt ist.

Besonders schön wurde der Hahnenkampf, als Olaf Scholz, der Kandidat, der auf seinen Plakaten (wahrheitsgemäß?)  farblos in schwarz-weiß vor tiefrotem SPD-Hintergrund dargestellt wird, gezwungen wurde, Frau Saskia-Antifa-Esken, ohne sie zu demontieren, zur ganz normalen Parteivorsitzenden herunterzureden, und Armin Laschet gleichmaßen gezwungen wurde, jenen Mann, der es als einziger Parteigänger Merkels gewagt hatte, das von der Antifa in die Welt gesetzte und von Angela Merkel nach Kräften verbreitete Gerücht von den Hetzjagden zu Chemnitz, als Gerücht zu entlarven, als ganz normales Parteimitglied erscheinen zu lassen, das letztlich auch seinen, Laschets Weisungen zu folgen haben werde.

Es war eine Art vorgezogene Koalitionsverhandlung, eine öffentliche Versteigerung der Grünen-Sitze im nächsten Bundestag an den meistbietenden Kanzlerkandidaten. Weil die Moderatoren die Rolle des Auktionators aber nicht angenommen haben, weiß die Öffentlichkeit weiterhin nicht mit Sicherheit, ob Annalena jetzt lieber mit dem Umfrageriesen Scholz oder dem Umfragezwerg Laschet den Bund für die nächsten vier Jahre schließen wird.

Ach, hätten wir doch bloß eine Demokratie und in der Demokratie eine Opposition, die mit ihren Vorstellungen auch zu Wort kommen kann. Dann könnten die Wähler wissen,

  • dass nicht nur das alles zu dominieren scheinende Grün in leichten Schattierungen zur Wahl steht,
  • dass die Alternative nicht darin besteht, zwischen rot oder schwarz lackierten Lastenrädern zu wählen,
  • dass die Alternative nicht darin besteht, einen ganz schnellen oder nur einen schnellen Ausstieg aus Kohleverstromung und Verbrennungsmotor zu wählen,
  • dass die Alternative nicht darin besteht, eine absolute oder nur eine partielle Impfpflicht einzuführen,
  • und so weiter, und so weiter.

Ach hätten wir doch bloß noch einen König oder einen Kaiser, der das Land als sein Eigentum betrachtet und daher bemüht ist, pfleglich damit umzugehen, Schaden von ihm abzuwenden und seinen Nutzen zu mehren!

Wer nicht zum Regieren ausgebildet und erzogen wurde, wer nur auf Zeit zum Verwalter bestellt ist, weil er einen „Wahlkampf“ gewonnen hat, und weiß, dass er die Macht wieder abgeben muss, kommt von einer deutlich schlechteren Ausgangsposition und hat Mühe, diese Größe zu erreichen.

Demokratie ist der Versuch, die Macht des Herrschers zu beschneiden, ihren Missbrauch zu erschweren und so zu erreichen, dass die Interessen des Volkes von der Politik berücksichtigt werden. Beim Blick auf die letzten 16 Jahre deutscher Geschichte muss dieser Versuch als in weiten Teilen gescheitert angesehen werden.

Warum das so ist, und wie man es verändern könnte, habe ich vor drei Jahren in meinem Buch „Demokratie – Fiktion der Volksherrschaft“ ausführlich dargelegt. An dieser Stelle will ich nur das Vorwort zu diesem Buch wiedergeben, weil ich darin schon jenen Zustand der Freiheitsberaubung durch den Staat beschrieben habe, wie wir ihn jetzt in der Pandemie in voller Blüte erleiden dürfen.


Freiheit und Demokratie

Ein Vorwort

Phrasen, wie „Freiheit und Demokratie“, bis zum Überdruss gehört, haben längst ihre dem ursprünglichen Sinn entsprechende Bedeutung verloren. Wäre es anders, wir würden darum kämpfen.

„Freiheit und Demokratie“ steht für etwas ganz anderes, nämlich für den starken, ja übermächtigen Staat, der seine Macht mit den Mitteln psychologischer Gewalt erhalten kann, weil seine Bürger nach Jahrzehnten subtiler Gehirnwäsche soweit abgestumpft sind, dass die Anwendung physischer Gewalt zur Durchsetzung so genannter „Staatsziele“ nur noch in Ausnahmefällen erforderlich scheint.

Freiheit gibt es, ohne Zweifel, doch sie hat ihren absoluten Charakter eingebüßt.

Freiheit ist zur Ware geworden und kann gegen Bezahlung in unterschiedlichsten Graden der Abstufung erkauft werden. Doch es ist nicht der demokratisch verfasste Staat, der mit „Freiheit“ Handel treibt. Der Staat greift nur insoweit in den Freiheitsmarkt ein, als er mithilft, die Freiheit zu einem knappen Gut zu machen und damit die Preise hochzuhalten. Der Staat kauft quasi – per Gesetz – jeden Überschuss an Freiheit auf und zwingt die Bürger damit an jene Futterkrippen, wo die letzten, erbärmlichen „Freiheitskrümel“ wohlfeil angeboten werden.

Die Rechtfertigung für dieses staatliche Agieren liefert – so widersinnig dies zunächst auch scheint – ausgerechnet die Demokratie. Jene Demokratie, die, fernab von ihren Idealen, zur gelebten Selbstverständlichkeit geworden ist. Kaum jemand, der noch widerspricht, wenn es heißt: „Wahlen ändern nichts“, oder: „Die Da-Oben machen ja sowieso was sie wollen.“

Doch der damit zum Ausdruck gebrachten Resignation folgen zu wenig Wut, zu wenig Aufbegehren, zu wenig Engagement, als dass die allgemeine Erkenntnis der Fehlentwicklung zu Korrekturen führen könnte. Und wo Wut und Aufbegehren und Engagement sich dennoch sammeln, zu einer Bewegung, zu einer Partei werden, wird diese Energie von den Statthaltern der real existierenden Demokratie neutralisiert und über kurz oder lang in eine rundgeschliffene, angepasste Gestalt gepresst.

Wie aber kommt es, dass „der Staat“ sich gegen seine Bürger in jeder nur erdenklichen Weise zu deren Nachteil und Missfallen durchzusetzen vermag, wo doch in der Demokratie die Bürger Ziel und Plan der Politik bestimmen?

Dieser Frage nachzugehen, die Antworten darauf zu geben und einen Weg aus dem Dilemma zu weisen, das durch die missbräuchliche Interpretation der Weisheit: „Die Freiheit des Einen muss da enden, wo die Freiheit des Anderen beginnt“, erst in unseren Köpfen errichtet wurde, ist die Absicht dieses Buches.

 

Elsendorf, im Frühjahr 2018
Egon W. Kreutzer


ISBN 9783751901536