Wie kommt der Oligarch zur Yacht (2)

PaD 18 /2022 – Hier auch als PDF (Teil 1 und 2) verfügbar: Pad 18 2022 Wie kommt der Oligarch zur Yacht 1, 2

Die Frage, wie die Oligarchen zu ihrem Reichtum kommen, habe ich am 10. April mit Hilfe eines stark vereinfachten Modells vom Grundsätzlichen her beantwortet. Hier der Link zum (nochmaligen) Nachlesen.

Die versprochene Fortsetzung, mit der Erläuterung, warum die Yachten mit der Zeit immer größer werden, beginnt mit dem heutigen Paukenschlag.

Im Detail lässt sich die Problematik nicht mehr so einfach schildern, wie im leicht verständlichen, aber sehr statisch angelegten Beispiel im ersten Teil. Schließlich gibt es mehrere, sich gegenseitig verstärkende Ursachen für den wachsenden Reichtum und die immer größer werdenden Yachten der Oligarchen. Ausführlicher sollen in diesem und im nächsten Teil des Artikels die nachstehenden, wirkmächtigen Prozesse der Wirtschaftsmechanik behandelt werden:

  1. Der Produktivitätszuwachs
  2. Die sich verkürzenden Produktlebenszyklen
  3. Die Substitution qualitativ hochwertiger Konsumgüter durch qualitativ minderwertigere
  4. Die steuerliche Benachteiligung von Löhnen und Konsum gegenüber Einkommen und Vermögen
  5. Die global verflochtenen Lieferketten
  6. Geldschöpfung aus dem Nichts vor allem für Zwecke der Gewinnoptimierung von Unternehmen
  7. Zins und Zinseszins, Inflation und Spekulation

Es gibt eine ganze Reihe weiterer Einflussfaktoren, man nehme zum Beispiel nur die Korruption, die ein beschleunigtes Vermögenswachstum unterstützen, doch wären diese ohne die hier explizit benannten Themen alleine nicht ausreichend, um tatsächlich Reichtümer anzuhäufen, die in keinem sinnvollen Verhältnis zu den erbrachten Leistungen stehen, sondern ausschließlich aus einer Haltung der Vernachlässigung der gesellschaftlichen Verantwortung anwachsen können, was selbstverständlich auch für die so genannten Philantropen gilt.

Voraussetzung für das Verständnis der Ausführungen zu allen Einzelthemen ist das Wissen darum, dass Menschen und Arbeitsbienen gleichermaßen den Ertrag ihrer Arbeit nicht selbst genießen dürfen, sondern dass es in der erfolgreichen „Volksbewirtschaftung“ primär darauf ankommt, Arbeitsfähigkeit und Reproduktionsfähigkeit des Volkes zu erhalten, und zwar nur in dem für sinnvoll und erforderlich gehaltenen Umfang. Dafür genügt ein Bruchteil dessen, was ein Volk hervorzubringen vermag, wobei es große Unterschiede in der wertebasierten Mentalität und in der dem Entwicklungsstatus entsprechenden Qualifikation und damit in der Produktivität der Völker gibt.

 

A. Der Produktivitätszuwachs

Menschen sind erfinderisch. Besonders erfinderisch dann, wenn es gilt, den Aufwand für ein erwünschtes Ergebnis zu reduzieren. Dazu sind nicht die großen technologischen Umwälzungen – Dampfmaschine,  Elektrizität, Computer – erforderlich. Es genügt, bestehende Abläufe und Verfahren immer weiter zu optimieren. Viele Unternehmen bedienen sich dabei eines betrieblichen Verbesserungs-Vorschlags-Wesens, weil sie  das, was den Mitarbeitern bei ihren „vorgeschriebenen“ Tätigkeiten an Verbesserungsmöglichkeiten einfällt,  von diesen – unter Umgehung der direkten Vorgesetzten – erfahren wollen. Direkte Vorgesetzte sind nämlich häufig echte Fortschrittskiller, weil sie Ideen, die nicht von ihnen selbst kommen, sehr ungern nach oben durchlassen. Es könnte ja daraus der Vorwurf entstehen, selbst auf mindestens einem Auge blind gewesen zu sein.

So werden Verbesserungsvorschläge von einer Kommission begutachtet. Wo es erforderlich scheint, werden Versuche gefahren und Muster angefertigt, es werden Risiken und Nutzen beurteilt, Einsparungsmöglichkeiten berechnet, und schließlich wird der Vorschlag umgesetzt. Dass bei diesem System auf fünfzig Vorschläge neunundvierzig „blödsinnige“ Vorschläge entfallen, wie „größere Spiegel“ in den Waschräumen oder „öfter Linsensuppe“ in der Kantine, wird in Kauf genommen. Für einige Einreicher solcher Vorschläge gibt es sogar eine kleine Prämie, doch an der Größe der Spiegel in den Waschräumen ändert sich ebenso wenig wie am Speiseplan der Kantine. Wichtig ist der „fünfzigste Vorschlag“, der Vorschlag, der es möglich macht, Material oder Arbeitsstunden einzusparen, deren Wert sich übers Jahr auf fünf-, sechs- oder siebenstellige Beträge summiert.

Die fleißige Biene, die den Vorschlag ersonnen und mit Eifer in eine verständliche Form gebracht hat, erhält eine einmalige Prämie, die, wenn es hochkommt, dem Einsparungspotential einiger Wochen entspricht. Das kann dann – für die Verhältnisse des Vorschlagenden – ein  schöner Batzen Geld sein, aber eben nur ein Bruchteil dessen was er seinem Arbeitgeber mit seiner Idee geschenkt hat.

Passend dazu sieht das Gesetz vor, dass „Arbeitnehmer-Erfindungen“ grundsätzlich dem Arbeitgeber gehören, auch wenn die Erfindung außerhalb der Arbeitsstelle und der bezahlten Arbeitszeit gemacht wurde.

Es ist egal, ob sich der Produktivitätsfortschritt darin ausdrückt, dass die „gleiche Menge“ mit geringerem Aufwand, oder bei „gleichbleibendem Aufwand“ eine größere Menge produziert werden kann, der geldwerte Vorteil des Produktivitätsfortschritts mehrt den Gewinn des Unternehmens. Das Einkommen der Beschäftigten bleibt bestenfalls gleich, in der Regel senkt der Produktivitätsfortschritt jedoch den Lohnanteil in der Produktkalkulation, weshalb das eingesparte Geld irgendwo auch in einer Lohntüte fehlen muss.

Nun sind die Unternehmen allerdings nicht auf zufällig eingereichte Verbesserungsvorschläge angewiesen. Überall arbeiten Heerscharen von Ingenieuren und Technikern, Kaufleuten, IT-Spezialisten und Problemlösungsfachleuten daran, die Produktion und die Verwaltung effizienter zu machen. Die Auswirkungen nennt man meist „Rationalisierung“ und – egal ob das eigene Unternehmen sich wegen des Produktivitätsfortschritts selbst von Mitarbeitern trennt, oder ob es den Fortschritt nutzt, die eigenen Marktanteile zu vergrößern – immer steht am Ende jemand ohne Lohn und Arbeit da, und sei es beim Zulieferer in Eriwan.

Produktivitätsfortschritt ermöglicht es bei unveränderten Preisen mit reduzierten Kosten höhere Gewinne zu generieren. Produktivitätsfortschritt kann es ebenfalls ermöglichen, eher knappe Güter zu überall verfügbaren Gütern zu machen und damit neue Kundengruppen zu erschließen. Dies allerdings setzt zusätzliche Kaufkraft voraus, die vom Produktivitätsfortschritt nicht im notwendigen Maße geschaffen werden kann, auch dann nicht, wenn wegen wachsender Auftragseingänge zusätzliche Mitarbeiter eingestellt und entlohnt werden, denn diese dürfen weder absolut, noch anteilig an den Produktkosten, mehr Lohn erhalten als durch den Produktivitätsfortschritt eingespart wird.

Für diese zusätzliche Kaufkraft gibt es prinzipiell drei Quellen. Das sind  der Verzicht auf das Ansparen von Geld, die Auflösung von Sparguthaben oder die Liquidierung anderer Vermögenswerte und letztlich die Kreditaufnahme.

Das Mühen der Gewerkschaften um höhere Löhne  hilft  bei dieser Problematik nicht weiter. Höhere Löhne bedeuten höhere Kosten. Höhere Kosten führen in der Regel zu steigenden Preisen und zur so genannten „Lohn-Preis-Spirale“, die den Parteien von Arbeitgebern und Arbeitnehmern jeweils nur kurzzeitig Vorteile verschafft, die dann aber auch schnell wieder verpuffen. Mehr dazu gibt es unter Punkt „G. Zins und Zinseszins, Inflation und Spekulation“

B. Die sich verkürzenden Produktlebenszyklen

Wo Kriege und Städteplaner keine Verwüstungen angerichtet haben, findet man immer noch wunderschöne, jahrhundertealte Fachwerkhäuser, aber auch Burgen und Schlösser, nicht zu vergessen die großartigen Kathedralen aus fernen Zeiten. Noch bis ins späte neunzehnte  Jahrhundert hinein, zum Teil auch noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts, waren die Baumeister darauf bedacht, ihren Schöpfungen eine lange Lebensdauer zu sichern.

Die heutige Betonbauweise führt auf breiter Front nach wenigen Jahrzehnten zu Mängeln in der Bausubstanz. Dabei ist es egal, ob es sich um die Plattenbausiedlungen der DDR handelt oder um Brücken, Rathäuser, Hallenbäder und die berüchtigten Wohnblocks aus den 60er Jahren. Von den Nachfolgern der Fachwerkhäuser, den modernen Fertighäusern in Holz-Ständer-Bauweise ganz zu schweigen. Hier wird nur noch eine wirtschaftliche Nutzungsdauer von 70 bis 90 Jahren angenommen, was bedeutet, dass in aller Regel die direkten Erben des Bauherren mit dem Ende der wirtschaftlichen Nutzungsdauer konfrontiert werden. Etwas – aber nicht sehr viel – besser ist es allerdings mit den Steinhäusern vom Bauträger auch nicht bestellt.

Häuser, als immer noch „langlebige“ Wirtschaftsgüter am Beginn dieser Aufzählung zu finden, mag manchen irritieren, doch ist es wichtig zu erkennen, wie weit der Trend zur Kurzlebigkeit auch in diesem Segment bereits gediehen ist.

Die Ursachen sind einfach aufzufinden. Es existiert ein riesiger Cluster von Gewerken, deren  Kapazitätsauslastung direkt an den Auftragseingang im Hochbau  gebunden ist. Das beginnt bei den Baumaschinenherstellern, setzt sich fort über die Produktion von Backsteinen, Zement, Schnittholz und Ziegeln, Badewannen, WCs, Wasserrohren, Einbauküchen, Stromleitungen, Verteilerkästen, Schaltelementen, Fußbodenbelägen und Wandfarben. Verarbeitet wird alles von vielerlei spezialisierten Handwerkern. In Deutschland werkeln am Bau, incl. Ausbaugewerke, derzeit rund 1,3 Millionen Beschäftigte.

Darin sind jedoch weder die Beschäftigten der Zulieferindustrie, noch die von Subunternehmern angeführten ausländischen Arbeiterkolonnen enthalten. Auch die Mitarbeiter in den Baubehörden, bei den kreditgebenden Banken und in den Notariaten und Grundbuchämtern fehlen noch, so dass unschwer davon ausgegangen werden kann, dass für etwa 2 Millionen Arbeitnehmer zumindest eine kontinuierliche, wegen des Produktivitätsfortschritts sogar wachsende  Bautätigkeit angestrebt werden muss, wenn die Zahl der Yachten der Oligarchen zunehmen soll.

Aus welchem Grund schaffen Unternehmen Arbeitsplätze?

Arbeitsplätze in der gewinnorientierten Privatwirtschaft werden ausschließlich dann geschaffen, wenn sich die Unternehmen davon einen positiven Einfluss auf die Gewinnentwicklung erwarten. Kein Unternehmer schafft Arbeitsplätze, um seiner Belegschaft Löhne zahlen zu können, damit seine Mitarbeiter davon auskömmlich leben können.

Der Mitarbeiter muss mit seiner Leistung einen Beitrag zum Unternehmensgewinn leisten. Der zusätzliche Mitarbeiter muss einen zusätzlichen Beitrag leisten. Ist das nicht gegeben, werden Arbeitsplätze abgebaut.

Damit aber gerät das Unternehmen in ein Dilemma. Je weniger Beschäftigte – desto geringer, im Branchenvergleich – der absolut zu erwirtschaftende Gewinn.

Wenn also die Baukonjunktur schwächelt und die vorhandenen Kapazitäten nicht mehr ausgelastet werden können, sinken branchenweit die Gewinne so lange, bis so viele Unternehmen aus dem Markt ausgeschieden sind, dass die verbliebenen Mitbewerber wieder unter Volllast arbeiten können.

Es gilt also, die Baukapazitäten so zu gestalten, dass sie ausreichen, um den sich aus der Lebensdauer der Bauwerke ergebenden Ersatzbedarf und den Zusatzbedarf durch Ausweitung des Bestandes in ungefähr gleichbleibenden Jahresscheiben decken zu können.

Statistiker können das ausrechnen. Die Bauwirtschaft kann das auch. Der Umkehrschluss liegt nahe: Verkürzung der wirtschaftlichen Nutzungsdauer erhöht die Nachfrage nach Bauleistungen, was alleine schon deshalb wichtig ist, um die Folgen des Produktivitätsfortschritts auf die Beschäftigungslage ausgleichen zu können. Denn nach wie vor gilt: Die absolute Höhe des Gewinns hängt letztendlich – wiederum im Branchenvergleich – von der Zahl der produktiv beschäftigten, effizient arbeitenden Mitarbeiter ab.

Handelt es sich im Bereich der Bauwirtschaft noch um ein Generationen übergreifendes, verantwortliches Handeln, vergleichbar mit der Forstwirtschaft, sind weite Bereiche der Konsumgüter-Industrie bereits bei weitaus kürzeren Produktlebenszyklen angekommen. Ein Beispiel aus meiner Erinnerung: Meine Mutter nähte noch in den 1960er Jahren mit einer Nähmaschine, deren Metallgehäuse mit einer Jahreszahl von 18xx versehen war. Diese Maschine wurde  dann auch noch mit einem Elektromotor nachgerüstet und tat weiter ihre Dienste. Eine Studie aus dem Jahr 2017, beauftragt von einem Nähmaschinenhersteller, weist aus, dass selbst die „Wünsche“ der Käufer bezüglich der Lebensdauer ihrer Nähmaschine gerade noch bei 14 bis 15 Jahren liegen.

Grundsätzlich zu unterscheiden sind drei Arten der Verkürzung der Lebensdauer von Produkten.

  1. Der physische Verschleiß, der insbesondere durch die Wahl der Materialien für häufig oder stark beanspruchte Teile beeinflusst werden kann.
  2. Die technische Überalterung, die einerseits mit einer sorgfältig geplanten Modellentwicklung erreicht werden kann, andererseits aber auch durch Veränderungen von Normen und Schnittstellen die vollumfängliche Nutzung nicht mehr ermöglichen.
  3. Die modische Entwertung, die mehr dem psychologischen Wunsch folgt, sich durch das Mitgehen mit dem Trend als gruppenzugehörig auszuweisen.

Physischen Verschleiß finden wir bei praktisch allen Haushaltsgeräten, von der Waschmaschine bis zum Mixer, aber auch bei so wichtigen Kleinigkeiten wie zum Beispiel Reißverschlüssen.

Technische Überalterung ist die Domäne der IT-Branche, sowohl software- als auch hardwareseitig, und der Unterhaltungselektronik.  Das Smartphone vom Vorjahr wirkt ungefähr so alt, wie Zeitung vom Vortag.

Mode ist nicht nur auf Bekleidung beschränkt. Sie hat inzwischen auch die Einrichtungs-Industrie erfasst, die den schnellen Austausch des Mobiliars unter anderem dadurch erleichtert, dass die einst große und teure Schrankwand einer Vielzahl von kleinen Sideboards, Vitrinen, usw. weichen musste, von denen man sich leichter trennt, wenn die Wohnung wieder einmal dem aktuellen Trend entsprechend nachgerüstet werden soll.

Arbeitgeber und Arbeitnehmervertreter sind sich einig darüber, dass all dies letztlich der Beschäftigungssicherung und dem Wohlstand der Bevölkerung dient.

Diese Argumentation ist vollkommen richtig, aber eben nur die halbe Wahrheit. Umsatz und Beschäftigung sichern primär den Gewinn, ist der nicht mehr zu erzielen, machen die Klügeren den Laden rechtzeitig dicht. Die weniger Klugen verpassen den richtigen Zeitpunkt und finden sich dann vor dem Insolvenzgericht wieder.

 

C. Die Substitution qualitativ hochwertiger Konsumgüter durch qualitativ minderwertigere

„Qualität ist ein Mythos“, hieß es in den siebziger und achtziger Jahren als das Thema „Qualitätsmanagement“ die Kassen der Unternehmensberatungen klingeln ließ. Es gäbe keine „Qualität an sich“. Qualität sei immer nur das, was in den Spezifikationen der Produkte festgelegt wurde. Eben diese Qualität sei zu erreichen und zu halten, sie dürfe weder unter- noch überschritten werden. Qualitätsvergleiche zwischen unterschiedlich „wertigen“ Produktlinien der  Konkurrenz würden sich deshalb verbieten.

Beginnen wir mit dem, was vor Jahrhunderten „der Kasten“ hieß und heute als „Schrank“ daherkommt. Es gibt sie noch, die alten Kästen, die meisten in Museen oder bei Schlossbesichtigungen zu bewundern sind. Die waren durch und durch aus edlen Hölzern, kunstvoll verziert mit Einlegearbeiten oder Schnitzereien, alle Verbindungen in verzinkter Schwalbenschwanz-Ausführung oder unsichtbar verdübelt und verleimt, da gab es keine Schraube und schon gar keinen Nagel! Diese Möbel waren versehen mit starken, eisernen Scharnieren und Schlössern. Die wurden einmal beim Tischler beauftragt, lebenslang benutzt und dann weitervererbt.

Später hat man die edlen Hölzer durch billige Weichhölzer ersetzt und die Oberflächen mit Furnieren ansehnlich gemacht, was jedoch das Maß der Verzierungen zu Gunsten großer, glatter Oberflächen schon deutlich reduziert hat.

Heute besteht der Schrank aus Pressspanplatten, die in Mehrzahl auch längst nicht mehr lackiert, sondern mit einer Plastikfolie überzogen werden, die entweder als Holzimitation oder als Farblack-Imitation ihre Wirkung entfaltet. Die Verbindungen, die eine schnelle Montage der im Paket angelieferten Einzelplatten ermöglichen, sind in die Spanplatten eingefräst und halten größeren Belastungen, wie sie bei  Umzügen mit Demontage und Wiederaufbau regelmäßig auftreten, häufig nicht Stand.
Ach ja, die Rückwand, aus Presspappe, mit kleinen Nägeln oder Schrauben in einer umlaufenden Fräsnut befestigt, dient der Aussteifung der kompletten Konstruktion, die ohne Rückwand dazu neigt, sich zur einen oder anderen Seite in Schräglage zu begeben.

Das Spannende an dieser Entwicklung besteht darin, dass es den „Kasten“ schon seit langer Zeit in jedem Haus und jeder Wohnung als unverzichtbares Ordnungs- und Aufbewahrungselement gegeben hat. Dies bedeutet, dass sich praktisch jede Familie die Nutzung eines Schrankes leisten konnte. Sicherlich, es gab Unterschiede in der handwerklichen Gestaltung und der Ausschmückung, doch man konnte sich damals den Schrank aus vollem Holz in der Breite der Bevölkerung leisten, zumal der durchaus auch vererbbar war. Heute kann man sich in der Breite der Bevölkerung  nur noch den Pressspan-Schrank leisten, der von den Erben dem Sperrmüll übereignet wird.

Anderes Beispiel: Die gute Hose.

Die gute Hose war aus gutem Stoff, der eine Bügelfalte halten konnte, sie verfügte über ein Innenfutter, sauber eingesetzte Taschen, hatte am Beinende einen Umschlag und ein Stoßband, das die Beanspruchung durch das Reiben der Hose an den Schuhen auffangen konnte und wurde vom Schneider in der Nachbarschaft nach Maß angefertigt.

Die gute Hose aus der Konfektion verfügte über die gleichen Eigenschaften, war aber schon nicht mehr nach Maß, sondern in der Massenproduktion nach Normgrößen geschnitten und genäht.

Noch in den 70er Jahren gehörte die gute Hose zum Mann ebenso wie sein Rasierwasser.

Heute ist das Beinkleid der Goldwäscher vom Klondike River, jene mit Nieten grob zusammengenagelten, indigo-gefärbten, absolut nicht formstabilen Baumwollfetzen, zur guten Hose aller Männer und Frauen für nahezu alle Gelegenheiten geworden.

Eine billige, minderwertige Arbeitshose ist – mit kleinen modischen Unterscheidungsmöglichkeiten – zur Uniform einer ganzen Bevölkerung geworden und wird erfolgreich sogar „Stonewashed“ und mit vorgefertigten Löchern so verkauft, als sei tatsächlich ein Goldwäscher ein Jahr lang damit seiner Arbeit nachgegangen.

Die gute Hose wurde lange Jahre getragen. Eine Jeans löst sich lange vorher auf und muss ersetzt werden. Inzwischen kostet die Jeans – inflationsbereinigt – schon mehr als seinerzeit die gute Hose. Wirklich gute Hosen gibt es nur noch beim Herrenausstatter.


Diese beiden ausführlicher behandelten Beispiele sind aber nur die Spitze des Eisbergs der Substitution hochwertiger Bedarfsgegenstände durch minderwertige Ausführungen.

Eine kleine Aufzählung weiterer Beispiele in Stichworten soll nur helfen, das Phänomen in seiner ganzen Breite erkennen zu können:

Füllfederhalter – Wegwerfkugelschreiber, Lederschuhe – Stoff und Plastik-Schuhe, Bäckersemmel – Aufbackware, Hüte – Baseballkappen, gebundene Bücher – Paperback-Ausgaben – E-Books, Wein, verkorkt in der Flasche – Wein im Tetrapack …

Sicherlich, es gibt auch viele Gegenbeispiele, doch die entfernen sich preismäßig immer weiter in Richtung Luxusgüter. Für die große Masse muss das Billigste jedoch immer noch gut genug sein, zumal die große Masse vom Nutzen des Produktivitätsfortschritts  weitgehend abgekoppelt wurde und wegen der immerwährenden Inflation das höherwertige Angebot gar nicht mehr bezahlen kann.

Es ist alles eine Frage der Einstellung des Verhältnisses zwischen dem Ertrag der Arbeit, der dem Arbeitgeber zugutekommt, und dem letztendlich an die Arbeitnehmer ausgeschütteten Netto-Lohn, was darüber bestimmt, ob es zwischen den Erzeugnissen „Brot“ und „Yachten“ noch weitere Produkte geben kann, die zum Konsum der Masse taugen.

Hilfreich ist es dabei, auf Importe aus absoluten Niedriglohnländern zurückgreifen zu können. Auch deutliche Gewinnmargen der Importeure machen die Versorgung der Bevölkerung mit einer größeren Auswahl von Produkten immer noch möglich. Bezahlt wird dies allerdings mit dem Verlust ganzer Branchen im Binnenmarkt. Zum Ausgleich muss der Export gut laufen, wenn die Beschäftigung und die Kaufkraft erhalten bleiben sollen, welche beide die Gewinne der Oligarchen mehren. Die Beschäftigung ermöglicht den Gewinn beim Verkauf ins Ausland, die Kaufkraft ermöglicht den Gewinn beim Verkauf der Importgüter im Inland.

Dass dieses Spiel nicht aufgehen kann, wird spätestens deutlich, wenn man sich klar macht, dass die Beschäftigten aller Länder dieser Welt – samt der von den Beschäftigten finanzierten Staaten – niemals  in der Lage sein können, die von ihnen erzeugte Produktion mit den an sie gezahlten Löhnen kaufen und bezahlen zu können.

Dass es doch immer noch funktioniert, liegt daran, dass die Regionen dieser Welt ihre Positionen in punkto Lohn- und Preisgefüge langsam aber sicher tauschen. Aus Hochlohn- und Hochpreisländern werden allmählich Niedriglohn- und Niedrigpreisländer, während andere Regionen den umgekehrten Weg gehen.

Die Ursache dafür liegt nicht nur in der dem Wohlstand innewohnenden Neigung zu körperlicher und geistiger Verfettung, Degeneration und Verblödung. Die Ursache liegt auch in gezielten Entscheidungen zur Herbeiführung und Unterstützung von Auflösungstendenzen bei Werten und Regeln, bei bewährten Hierarchien und Leitbildern, bis die Zerstörung der Ordnung die gemeinsame, koordinierte Leistung einer Volkswirtschaft nicht mehr möglich macht.

Auf diese Weise gelingt es immer wieder, die während des Aufstiegs einer Region dort angesammelten Vermögenswerte des Staates und der privaten Haushalte im Zuge des Abstiegs abzugreifen und damit den Aufstieg einer anderen Region zu finanzieren, wobei das Geld, das hin und her fließt, nur das Mittel zum Zweck ist, um zum geeigneten Zeitpunkt wertbeständiges Eigentum (Grund und Boden, Edelmetalle, Kunstwerke) zu erwerben und das damit nutzlos gewordene Geld dann in der Inflation untergehen zu lassen.

Fortsetzung folgt.