Das weltweit agierende Sportartikel-Unternehmen aus Herzogenaurach (in Franken!) erfreut sich derzeit des aufrichtigen Mitleids einiger deutscher Politiker, die nach Jahren der Ablehnung jeglicher patriotischen Strömung unterhalb des kosmischen Niveaus des Eine-Welt-Patriotismus von einem patriotischen Erweckungserlebnis heimgesucht wurden und nun fürchten, für die „Mannschaft“ sei nun die Zeit des „Dreigestreift-Niemals“ angebrochen, wie es in – selig verklärter früher Nachkriegsvergangenheit – ganz ähnlich vom Kuratorium „Unteilbares Deutschland“ plakatiert wurde.
Es ist sicherlich etwas dran, an diesem patriotischen Schmerzempfinden, zumal die kühl kalkulierende Seele der Politiker sich vorstellt, dass mit der Entscheidung des Deutschen Fußballbundes, sich künftig von Nike bekleiden und beschuhen zu lassen, nach der Schwerindustrie, der Chemieindustrie, der Baustoffindustrie und der Automobilindustrie auch das Totenglöcklein der deutschen Sportartikelindustrie geläutet werden müsse.
Das ist natürlich Unfug, und dieser Kommentar ist Satire. Bitte beides nicht gleich beim nächsten Satz wieder vergessen.
Adidas ist ein Global Player mit Sitz in Herzogenaurauch.
Adidas hätte selbstverständlich die Ausschreibung gewinnen können.
Man hätte dem DFB sowohl beim Preis als auch bei den Konditionen und den nicht schriftlich fixierten, aber stillschweigend angenommenen Zuwendungen immer, wirklich immer, soweit entgegenkommen können, dass die Adidas-Ausstattung der DFB-Auswahl für die nächsten fünfzig, wenn nicht gar neunundneunzig Jahre gesichert gewesen wäre.
Aber Adidas ist eben nicht nur Global Player, sondern auch ein gewinnorientiertes Unternehmen, und da schaut man schon genauer hin, wen man sich als Werbepartner aussucht. Schließlich hängt der wirtschaftliche Erfolg des Unternehmens zu einem nicht geringen Anteil am sportlichen Erfolg des Werbepartners, mit dem man sich der Öffentlichkeit präsentiert.
Da kommt es nicht nur darauf an, ob die Werbeträger sich fotografisch gut ins Bild setzen lassen oder ob sie bei Interviews einen Satz unfallfrei ins Mikrofon sprechen können – das sind, sagen wir mal „Sekundärtugenden“ – worauf es primär ankommt, dass sind die Siege, das ist der Platz in der Welt-Rangreihe. Nur der Weltmeistertitel färbt auf den Markenhersteller ab. Zweite oder dritte Plätze wirken allenfalls noch auf dem jeweiligen Heimatmarkt, und was ist schon der Heimatmarkt eines kleinen, aber fußballbegeisterten Landes? Das ist nichts. Da kann man mit Masse nicht Kasse nicht machen.
Wie würden Sie sich also als Adidas-Manager bei einer solchen Ausschreibung verhalten?
Man schaut sich als erstes die Erfolgsstory der Mannschaft an und fragt sich: Ist dieses Team weltmeistertauglich? Da gibt es zwar eine glorreiche Vergangenheit, aber die liegt inzwischen doch zehn Jahre zurück, und seitdem stellt sich eher die Frage, ob das Team überhaupt vorrundentauglich sei. Ein verantwortungsbewusster Manager kann hier nur zu dem Schluss kommen, dass wieder einmal ein Weltmeistertitel möglich sein könnte, aber eben nicht 2026 und wohl auch nicht 2030.
Damit reduziert sich die Ausstrahlung eines bestenfalls Zweit- oder Drittplatzierten auf den Heimatmarkt. Dann blickt man auf Deutschland und seine Volkswirtschaft. Immerhin, eine Bevölkerung, die ein Prozent der Weltbevölkerung ausmacht. Aber wie sieht es mit der Kaufkraft aus? Vom Bürgergeld kann sich niemand ein Trikot kaufen. Von den zehn Millionen Rentnern, die mit weniger als 1100 Euro im Monat auskommen müssen, kann auch nicht erwartet werden, dass sie sich für die Enkel derart in Unkosten stürzen. Es bleibt natürlich immer noch der Mittelstand, die Fachkräfte – aber denen geht es auch nicht rosig, und die Tendenz zeigt keinesfalls schon wieder nach oben. Vielleicht, wenn die Chance, das Halbfinale zu erreichen ein bisschen besser wäre …
So kommt der verantwortungsbewusste Manager zwangsläufig zu dem Schluss, dass es sich nicht lohnen wird, weiterhin auf dieses Pferd, also auf diese „Mannschaft“ zu setzen. Außerdem weiß er natürlich auch, er verkauft ja lange genug Sportartikel, dass es so ist, dass eben nicht nur Siege den Umsatz in den Himmel wachsen lassen, sondern dass Niederlagen sich ebenfalls auswirken, und zwar dramatisch negativ. Welcher Amateur- oder Nachwuchskicker will sich schon die Schuhe und die Trikots einer Verlierermannschaft anziehen? Da wirst du doch bloß gehänselt.
Diese Folgeüberlegung bringt den verantwortungsbewussten Manager natürlich in höchste Not. Sich hinzustellen und einfach zu sagen: „Kein Interesse. An dieser Ausschreibung beteiligen wir uns nicht. Wir glauben nicht daran, dass diese Mannschaft noch Siege einfahren kann“, das geht ja nicht. Das ist zwar nicht Delegitimierung des Staates und der Politiker, aber Delegitimierung des DFB und seiner Repräsentanten, und damit im Grunde ein noch viel schlimmeres Vergehen.
Wer sich mit gleichermaßen gemischten Gefühlen außer Nike noch an der Ausschreibung beteiligt hat, weiß ich nicht.
Ich kann mir aber vorstellen, dass Nike davon ausgegangen ist, dass Adidas sowieso gewinnen wird und daher Preis und Konditionen so gestaltet hat, dass das Angebot noch fair aussieht, aber eben praktisch keinerlei Risiko besteht, sich auf Jahre hinaus den DFB ans Bein zu binden.
Nun. Adidas war klüger. Ahnte, dass Nike deutlich überhöht anbieten würde, und hat, um Nike zu übertrumpfen, das absolut unannehmbare Angebot eingetütet und zur Post getragen, in der festen Überzeugung, Nike damit in den nächsten Jahren in erheblichem Maße Marktanteile abnehmen zu können.
Alles Satire!
Niemals würde Adidas sich so verhalten.
Bei der Kalkulation des Angebots mussten die Folgen des Lieferkettengesetzes berücksichtigt werden. Das Ergebnis ist nicht verwunderlich.
Auch das ist natürlich nur Satire. Die Wahrheit, wenn es nicht auch zynismusvergiftete Satire ist, lautet:
Bei Nike sitzen einfach die besseren Manager. Das muss man neidlos anerkennen und als fairer Sportsmann herzlich gratulieren.