Ergebnis der Ermüdungssitzung der Ampel

Während so manche Kommunen bereits darangehen, ihre Lichtzeichenanlagen (vulgo: Ampeln) zum Zwecke des Stromsparens und des daraus folgenden Gassparens gegen 21.59 Uhr erlöschen und die letzten Kraftfahrer im energiefressenden Individualverkehr ihrem Schicksal zu überlassen, haben die Koaltionäre – zum Wohle Deutschlands – bis zum ersten Hahnenschrei in den Morgenstunden des Sonntags das elektrische Licht brennen lassen, um beim Verknoten des Entlastungspaketes nicht noch mehr als sonst im Dunkeln zu tappen.

Die erste Überraschung bot das erste Foto der abgekämpften aber glücklichen Siegertruppe. Die SPD im Doppelpack, mit Saskia Esken und Olaf Scholz, die Grünen vertreten von Omid Nouripour, die FDP in Gestalt ihres Vorsitzenden Lindner. Kein Habeck, keine Baerbock weit und breit – wenn das mal kein Omen ist.

Dann der Hammer aller Hämmer, das große, wuchtige „WUMMS!“. Hatte Lindner im Vorfeld in Dauerschleife betont, es werde sich um Entlastungen im einstelligen Milliardenbereich handeln, also maximal neun, haben es die Nichtliberalen der Koaltion geschafft, auf Lindners äußerstes Zugeständnis noch weitere 56 Milliarden drauf zu packen. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet der Liberale so beeindruckend umfallen würde? Nun ja, die alten weißen Männer, die sich noch erinnern können, dass die FDP seit vielen Jahrzehnten das Etikett „Umfallerpartei“ trägt, die wurden gewiss nicht überrascht, und für die jungen bunten Frauen war es doch nur die Bestätigung, dass der einst schwarz-weiß von den Plakaten grüßende Dreitagebartträger genau so ein liebenswerter Kuschelbär ist, wie der grüne Robert.

Der große Baumeister Scholz erklärte

  • Konstruktives: „Unsere Beschlüsse bauen aufeinander auf, ergänzen sich …“, und
  • Bewegliches: „… und folgen diesem einen Ziel, …“, sowie
  • Darumgehendes: „… es geht darum, unser Land sicher durch diese Krise zu führen.“

Wenn ich des Deutschen soweit mächtig bin, diese Aussage richtig verstehen zu können, dann haben wir es mit einem beweglichen Ziel zu tun, das voranschreitet und Richtung und Tempo vorgibt, während ein kunstvoll aufgebautes Konglomerat sich ergänzender Beschlüsse versucht, mit dem Ziel Schritt zu halten.

Das Ziel ist nun aber nicht – und wenn es so wäre, dann hätte er es so sagen können – die Krise schnellstmöglich zu überwinden, das Ziel ist auch nicht, Deutschland beherzt aus der Krise zu führen, das Ziel ist nicht, eigene Fehler, die zur Krise beigetragen, ja sie mit ausgelöst haben, zu korrigieren: Das Ziel ist, analog zu Merkels: „Nun sind sie halt mal da“, unser Land (deswegen war Habeck wohl nicht dabei) durch diese Krise, die nun mal eben da ist, und so lange sie Bestand haben wird, zu führen.

Entschuldigung, ich vergaß: Es geht nicht bloß ums Führen, Scholz will Deutschland „sicher“ durch die Krise führen. Da setzt nun die große Frage ein: Was soll in diesem Kontext wohl unter „sicher“ verstanden werden?

Die Krise gibt es ja nicht. Es gibt mindestens drei Krisen, die, wie die Beschlüsse der Ampel, aufeinander aufbauen und sich ergänzen. Da ist die Krise der deutschen Außenpolitik, die dabei ist, die Phase der Diplomatie zu überspringen und gleich zur Fortsetzung mit anderen Mitteln überzugehen, und dies nicht nur an einer Front, sondern nach anfänglichen Misserfolgen in der Kriegsrhetorik gegenüber Russland, nun versucht, dies durch starke Worte gegenüber China zu kompensieren.

Da ist die Krise der Energieversorgung. Die Energieversorgung Deutschlands hing schon vor den Russland-Sanktionen am seidenen Faden. Mit den Russland-Sanktionen wurde dieses letzte Halteseil gekappt. Es ist „sicher“, dass nicht Scholz, Habeck und Lindner, sondern alleine die Dauer und die Intensität des kommenden Winters darüber entscheiden werden, ob in Deutschland alle Lichter ausgehen oder ob es  genügt, nur die nicht lebenswichtigen freiwillig oder zwangsweise abzuschalten.

Die dritte Krise ist die Krise der Geldwertstabilität. Der Euro befindet sich auf den Devisenmärkten im Sinkflug und im Binnenmarkt auf  Inflationskurs. Davon ist sowohl die Wirtschaft, von der  Produktion bis zum Handel betroffen, die ihre Produkte nur noch mit heftigen Preisaufschlägen anbieten kann, als auch die Konsumenten, die dabei zusehen müssen, wie ihre Kaufkraft immer stärker auf den lebensnotwendigen Bedarf zusammenschrumpft und dabei erkennen, dass es selbst dafür kaum noch reicht. Neben die Zerstörung der Lieferketten und der Absatzmärkte im Außenhandel tritt so ein Schrumpfen der Absatzmärkte im Inland, der mit Firmenschließungen, Produktionseinschränkungen, Kurzarbeit und steigender Arbeitslosigkeit einhergeht und damit die Krisenspirale nur noch weiter antreibt.

Meint Scholz mit „sicher“ also, dass es sicherlich die Ampel sein wird, die das Land in der Krise herumführt? Oder meint Scholz, dass die Anstrengungen der Sicherheitskräfte des Bundes und der Länder ausreichen werden, um Proteste und Demonstrationen so niederzuhalten, dass die Führung sich sicher fühlen kann?

Eines kann er nicht meinen, dass nämlich der Lebensstandard oder zumindest das Überleben der Bevölkerung durch die Maßnahmen des Entlastungspaketes gesichert werden könnten. Das lässt sich mit einem Minimum an geistiger Anstrengung nachweisen:

Die Inflation strebt auf das von der EZB nie offiziell genannte 10%-Ziel zu. Einem privaten Haushalt mit jährlichen Konsumausgaben von 15.000 Euro (Single-Haushalt mit monatlichem Netto-Einkommen von 1250 Euro) fehlen 1.500 Euro. Dem begegnet die Regierung mit einer Einmalzahlung von 300 Euro. Es bleibt ein Fehlbetrag von 1.200 Euro. Tatsächlich sind die Auswirkungen noch verheerender, weil jener Teil des Budgets der Haushalte, der nach Begleichung der fixen Ausgaben für Miete, Versicherungen, etc., übrig bleibt, auf Preissteigerungen deutlich oberhalb der statistisch gemittelten 10% trifft.

Mit steigendem Einkommen vergrößert sich der Fehlbetrag und führt damit auch zu größeren Einschränkungen. Der erzwungene Verzicht greift dabei zwar nicht mehr so stark oder gar nicht mehr in den Bereich der lebensnotwendigen Waren und Dienstleistungen ein, bedeutet jedoch einen spürbaren Verlust an Wohlstand und Lebensqualität.

Es könnte natürlich auch sein, dass Scholz mit „sicher“ gemeint hat, dass die Deutschen vor einem Anwachsen der Gefahr durch die Erderhitzung sicher seien, weil sie von der Ampel sicher an der Nase herumgeführt werden.

Nein. Die letzten drei Atomkraftwerke, deren Leistung den Ausschlag geben könnte, wenn es darum geht, ob das europäische Stromverbundnetz zusammenbricht, die werden pünktlich zum 31.12.2022 abgeschaltet. Nein, die Ostseepipeline North Stream 2 wird nicht in Betrieb genommen, obwohl damit auf einen Schlag die Energiekrise und die Krise der Geldwertstabilität, die Krise der drohenden Stilllegung weiter Teile  der Wirtschaft und die Krise der  wachsenden Arbeitslosigkeit aus der Welt geschafft werden könnten. Aber dazu hätte erst die Krise der Außenpolitik beendet werden müssen, dazu hätte Scholz Frau Baerbock längst entlassen müssen und den Wirtschaftsminister und Vizekanzler gleich mit.

Das aber würde die Stabilität, ja den Fortbestand dieser Regierung gefährden, in deren Koalitionsvertrag genau diese, für Deutschland schädliche Politik, festgelegt worden ist. Olaf Scholz, der Sozialdemokrat, will seine Ampelmannschaft sicher durch die Krise führen, koste es was es wolle.

Bis jetzt stehen 95 Milliarden auf dem Bierdeckel. 95 Milliarden, von denen kein einziger Cent eingesetzt wird, um die Ursachen der Krise zu bekämpfen. 95 Milliarden, von denen ein Teil wegen partieller Steuersenkungen und aufgeschobener 2. Stufe der CO2-Besteuerung nicht in den Bundeshaushalt einfließen, während der größere Rest auf dem Umweg über Finanzspritzen als indirekte Subvention bei den notleidenden und bei den nicht notleidenden Wirtschaftsunternehmen ankommt, ohne die missliche Situation der deutschen Bevölkerung von Grunde her zu verändern, geschweige denn einen Beitrag zum Erhalt des gewohnten Lebensstandards beizutragen.

Der Vorstand einer Aktiengesellschaft hat sich jährlich von der Hauptversammlung seine Entlastung bestätigen zu lassen.
Bundeskanzler Olaf Scholz würde diese Entlastung mit seinem hilflosen Kurieren an den Symptomen des Niedergangs wohl kaum erreichen können.