Bereicherungsaffären

Du sollst dem Ochsen, der da drischt, das Maul nicht verbinden.
5. Mose 25,4

Die Volksvertretung hat ihr Skandälchen. Gut vernetzte Parlamentarier haben dazu beigetragen, aus dem Maskenmangel eine Maskenschwemme zu machen.

Mir fällt dann immer ein, dass solche „Provisionsgeschäfte“ grundsätzlich drei Aktivisten benötigen. Nein, nein!  Nicht Nüßlein plus Löbel plus Hauptmann. Diese drei Namen sind diejenigen, die öffentlich am Pranger stehen. Nennen wir sie: Die Bauernopfer. Keineswegs unschuldig wie die Lämmer, aber eben nur die Grasbüschel, welche die Oberfläche des Moores bedecken.

Um ein Provisionsgeschäft abwickeln zu können, braucht es drei Parteien:

  • Den Anbieter
    Egal, ob der Anbieter nun Produzent, Importeur, Zwischenhändler oder Glücksritter ist – der Anbieter ist überzeugt, mit seinem Angebot weit mehr Gewinn machen zu können, wenn er nur jemanden findet, der bereit ist oder bereit gemacht wurde, den geforderten Mondpreis zu bezahlen.
  • Den Vermittler
    Der Vermittler kennt sich im Umfeld der Einkäufer und Beschaffer gut aus. Er weiß, wen er dazu bewegen kann, ein Vielfaches dessen auf den Tisch zu legen, was der normale Marktpreis wäre.
  • Den Einkäufer
    Wer im Beschaffungswesen tätig ist und das kleine Einmaleins des Einkäufers beherrscht, braucht keinen Vermittler, um einen Massenartikel zu beschaffen, selbst wenn der Markt scheinbar leergefegt ist.

Der Vermittler – so bitterböse das klingt – ist nur dazu da, einen Anbieter aufzutreiben, der bereit ist, dem ganzen korrupten Geschäft mit einer ordentlichen Rechnung die Basis zu verschaffen, und/oder einen Abnehmer aufzutreiben, der bereit ist, diese Rechnung zu begleichen.


Einschub:

Hauptversammlung der Vertriebsmitarbeiter einer großen Versicherungsgesellschaft. Tagesordnungpunkt: Verbesserungsvorschläge.

Ein altgedienter Außendienstmitarbeiter führt aus, wie viel mehr Abschlüsse zustande kommen könnten, wenn der Außendienst attraktivere Produkte mit diesen und jenen Merkmalen anbieten könnte, wie sie von der Konkurrenz schon länger in den Markt gedrückt werden.

Der Vorstandvorsitzende antwortet: Wissen sie, mein Lieber, da haben Sie wohl recht. Aber bedenken Sie auch: Würden wir die von Ihnen gewünschte Produkte anbieten,

dann bräuchten wir Sie nicht mehr!


Provisionen können unterschiedlich hoch ausfallen. Je fragwürdiger eine Geschäftsanbahnung, desto höher wird der prozentuale Anteil des Vermittlers am Gewinn ausfallen. Allerdings wird der Vermittler kaum jemals mehr Provision einstreichen als dem Verkäufer durch die Vermittlung an zusätzlichem Gewinn zufließt. Letztendlich muss an diesem Gewinn auch der Einkäufer beteiligt werden, es sei denn, er ist so blöd, dass ihm gar nicht auffällt, wie mit seiner Hilfe sein Unternehmen, im Fall des öffentlichen Dienstes: der Steuerzahler, über den Tisch gezogen werden soll. Da ein korruptionsanfälliger Einkäufer sein Zusatzeinkommen jedoch aus vielen (weiteren) Quellen bezieht, ist sein Anteil in der Regel am kleinsten.

Wenn also bei einem Maskendeal rund 600.000 Euro Provision für den Vermittler anfallen, dann werden beim Anbieter eher mehr als eine Million Euro hängenbleiben, und der Einkäufer dürfte mit etwa 150 bis 200.000 Euro bedacht worden sein.

Diese Dimension scheint nirgends auf. Der Betrug am Steuerzahler durch die Bereicherung des zurückgetretenen Herrn Nüßlein hat nach meiner Einschätzung einen Gesamtschaden von mindestens 2 Millionen Euro verursacht. Strafrechtlich verfolgt sollten alle drei Beteiligten werden.

Wird in einem Unternehmen der freien Wirtschaft festgestellt, dass ein korrupter Einkäufer in die eigene Tasche wirtschaftet, dann fliegt der  – und der Lieferant kommt nie wieder ins Haus. Dass der Einkäufer nirgends mehr als Einkäufer unterkommt, und dass dem Lieferanten die Aufträge wegbrechen, dafür sorgt der Buschfunk. Gerichtsverfahren werden im Zusammenhang mit aufgedeckter Korruption selten angestrengt, weil dies letztlich dem Ansehen des betroffenen Unternehmens schaden würde. Wird der Staat geschädigt, entfällt die Sache mit dem Ansehensverlust. Umso wichtiger wäre die konsequente strafrechtliche Verfolgung – nicht zuletzt auch für die Parteien …


Was die Erkenntnis aus dem 5. Buch Mose betrifft, so handelt es sich dabei nicht um einen göttlichen Freibrief für ungerechtfertigte Bereicherung. Der Ochse erledigt eine wichtige und sinnvolle Arbeit. Wenn er hin und wieder ein Maul voll Getreide bekommt, dann ist das nur gerecht. Das ist, wie wenn der Einkaufsverantwortliche beim Staat am Ende des Monats sein verdientes Gehalt bekommt.