Wenn das Geld nicht mehr reicht – Tarifabschluss im öffentlichen Dienst

Im Idealfall sollen Arbeiter und Angestellt angemessen am Produktivitätsfortschritt beteiligt werden, und zwar so, dass die über Löhne und Gehälter an die Beschäftigten verteilte Kaufkraft ausreicht, um das Produzierte auch konsumieren zu können.

Es gibt dafür grundsätzlich zwei Wege, nämlich einmal den Weg der Lohnerhöhung, zum anderen den Weg der Preissenkung, wobei es durchaus noch weitere Ausgestaltungsmöglichkeiten gibt. Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich wäre zum Beispiel eine solche Ausgestaltungsmöglichkeit, mit welcher der Produktivitätsfortschritt nicht in höhere Produktionsmengen sondern in mehr Freizeit für die Beschäftigten umgewandelt wird, also weder in den Preisen, noch in den Monatslöhnen zum Vorschein kommen muss.

Es sollte klar sein, dass es da, wo es keinen Produktivitätsfortschritt gibt, auch keine Lohnerhöhungen geben kann.

Nun erleben wir in Deutschland eine Entwicklung, in welcher die Preise im gesamten Bedarsspektrum schnell gestiegen sind, so dass mit den vorher vereinbarten Löhnen der Wohlstands-Besitzstand der Beschäftigten (und auch der Rentner und Arbeitslosen) nicht erhalten werden konnte. Kein Wunder, dass die Gewerkschaften höhere Löhne, mindestens zum Inflationsausgleich fordern.

Doch diese Forderung richtet sich an die falschen Adressaten.

Die Arbeitgeber haben doch nur versucht, ihre gestiegenen Kosten für Material und Energie in den Preisen weiterzugeben. Die Auslastung der Kapazitäten wurde sogar zurückgefahren, weil einige Produkte zu den gestiegenen Kosten gar nicht mehr absetzbar gewesen wären. Die Umsätze sind in der Breite der Wirtschaft nicht gestiegen sondern eher geschrumpft. Viele Unternehmen haben wegen der Kostenexplosion ganz aufgegeben. Natürlich gibt es auch Ausnahmen, natürlich gibt es auch Krisengewinner, doch nur die wenigsten Arbeitnehmer sind auch bei diesen beschäftigt.

Fakt ist, dass es sich bei den Kostensteigerungen, von denen die deutsche Wirtschaft und die deutschen Verbraucher betroffen sind, um externe Einflussfaktoren handelt, die innerhalb der Volkswirtschaft nicht kompensiert werden können.

LNG-Gas kostet nun einmal mehr als Pipeline-Gas aus Russland und würde selbst dann mehr kosten, wenn der Energie-Weltmarkt nicht von Knappheit gekennzeichnet wäre. Der Versuch, immer mehr Strom aus Wind- und Solaranlagen ins Netz zu drücken, kostet nun einmal mehr als ihn überwiegend aus konventionellen Kraftwerken  zu beziehen. Wäre es anders, die Strompreise hätten längst sinken müssen, statt immer weiter zu steigen. Damit stellen sich die „externen“ Einflussfaktoren sehr  schnell als die Folgen bewusster Entscheidungen unserer  politischen Führung heraus. Das Mittun bei den Russland-Sanktionen, das Mittun bei den China-Sanktionen, der Grundsatz, Energie absichtlich durch Steuern und Umlagen zu verteuern, um einen Anreiz zum Energiesparen zu setzen, sind die Ursachen der Teuerung unter der Deutschland leidet.

Es ist ja immer noch keine Inflation im herkömmlichen Sinne. Es ist nicht zu viel Nachfrage, zu viel Geld im Markt. Es fehlt am Angebot, an den Gütern und Waren.

Dieser Mangel lässt sich durch Geld nicht beheben.

Wir müssen einsehen, dass wir uns aufgrund des politischen Verzichts auf preisgünstige Einfuhren und aufgrund politisch gewollteter Verteuerungen, speziell im Bereich der Energie, unseren Lebensstandard nicht mehr leisten können. Der Doppel-Wumms, mit dem 200 Milliarden Euro Schulden zur Unterstützung des Konsums aufgenommen werden, ermöglicht zwar den Hilfeempfängern, wenigstens noch halbwegs über die Runden zu kommen, aber er ändert am Problem, an der Knappheit und an den teuren Importen, die uns die Politik auferlegt hat, rein gar nichts.

Deutschland müsste wieder produktiver werden, müsste tatsächlich wieder mehr exportieren, um sich die Importe leisten zu können, dann könnten aus den wachsenden Umsätzen der Unternehmen auch wieder wachsende Löhen gezahlt und ein Stück Wohlstand zurückgewonnen werden. Das ist aber nicht der Fall, weil die deutsche Wirtschaft aufgrund der gestiegenen Kosten immer weniger wettbewerbsfähig wird und lieber ins Ausland abwandert als sich in Deutschland in die Insolvenz zu produzieren.

Wenn sich nun zu den gestiegenen Preisen für die von der Wirtschaft benötigten Importgüter und die von der Wirtschaft benötigte Energie auch noch steigende Löhne gesellen, dann kommt zur Teuerung auch noch die echte Inflation hinzu.

So erfreulich es für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes auch sein mag, durch den jüngsten Tarifabschluss ein Stück weit entlastet zu werden: Unter dem Strich werden wir bei Fortsetzung der Russland-Politik und bei Fortsetzung der Energiewende-Politik alle ärmer werden.

Der öffentliche Dienst selbst, so umstritten er auch in Teilen sein mag, erfüllt selbstverständlich wichtige Bedürfnisse der Bürger, aber er ist nicht im eigentlichen Sinne produktiv. Was wir uns an öffentlichem Dienst leisten, müssen Wirtschaft und Beschäftigte vorher erarbeiten. Wenn dies vorher nicht gelingt, dann eben nachher, durch das Abtragen der zur Finanzierung der Löhne und Gehälter aufgenommenen Neuverschuldung.

Die Gehaltserhöhung für den öffentlichen Dienst, so nötig sie gerade in den unteren Einkommensgruppen sein mag, für welche mit der „Mindestens-340-Euro-Regel“ Sorge getragen wurde, ist daher nur ein weiterer Inflationstreiber.

Um da wieder herauszukommen, müssen wir alle für etliche Jahre den Gürtel enger schnallen. Es ist nicht möglich, alle Jahre wieder einen Doppel-Wumms an Hilfsgeldern auszuschütten; es ist nicht möglich, die Teuerung mit Lohnerhöhungen zu korrigieren, ohne dabei die Inflation noch weiter zu beschleunigen. Selbst wenn die Ampel morgen scheitern würde und ihre schlimmsten Fehlleistungen von einer Nachfolgeregierung zügig korrigiert werden könnten, würde es Jahre dauern, bis das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht wieder hergestellt wäre.

Nur noch eine Frage, zum Rechnen und zum Nachdenklich-Werden:

Warum, wenn es denn für den Erhalt der Kaufkraft der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes alternativlos ist, erhalten nicht auch alle Rentner und alle Bürgergeldempfänger monatlich mindestens 340 Euro mehr als Inflationsausgleich?