Die Leute werden mehr und kaufen weniger

Die Tagesschau berichtet heute über den Rückgang der Einzelhandelsumsätze in Deutschland.

Das liest sich so, wie Dieter Hallervordens Bericht vom Tod der Kuh Elsa:

Da heißt es über die deutschen Einzelhändler:

„Ihr Umsatz fiel im März um 1,3 Prozent geringer aus als im Vormonat.“

Da fragt man sich schon, warum einen die Tagesschau mit solchen Peanuts überhaupt behelligt, so Schwankungen soll es geben, das wird schon wieder.

Im Hinterkopf taucht die Erinnerung auf, dass der März 2023 in fast allen Bundesländern 23 Arbeitstage lang war (Berlin und Mecklenburg-Vorpommern 22), während der Februar allen Bundesländern nur 20 Arbeitstage bescherte. Wobei Konsum allerdings nicht nur an Arbeitstagen stattfindet, weshalb eher vom Verhältnis 28 : 31 Tage auszugehen ist, was wiederum bedeutet, dass bei gleichem kalendertäglichen Konsum nicht 1,3 Prozent weniger, sondern 10,7 Prozent mehr in den Kassen des Einzelhandels hätten klingeln müssen.

Doch auf diese Feinheit geht die Tagesschau nicht ein. Sie eskaliert sehr vorsichtig und schiebt nun nach, dass die 1,3 Prozent Rückgang ja der nominale Rückgang sind, rechnet man die Inflation raus, die ja auch von Februar auf März angestiegen ist, dann zeigt sich, dass der reale Rückgang, in Stück, Kilogramm und Metern gemessen, 2,4 Prozent betragen habe.

Daraus lässt sich übrigens der inflationsbedingte Kaufkraftverlust von Februar auf März berechnen. Das waren 1,12 Prozent – linear fortgeschrieben entspräche das einer Jahresinflation von 12,14 Prozent. Aber das erwähnt die Tagesschau ebenfalls nicht.

Stattdessen endet die Schilderung der Tagesschau mit dem „Hammer“, dass der Einzelhandel im Vergleicht mit dem März 2022 sogar einen Umsatzverlust von 8,6 Prozent hinnehmen musste.

In Ermangelung detaillierter Zahlen hier ein Versuch der Annäherung über Durchschnittswerte:

631,9 Milliarden Euro Einzelhandelsumsatz 2022
52,6 Milliarden Euro durchschnittlicher monatlicher Umsatz

  reduziert um 8,6 Prozent Umsatzeinbruch 03/2023 : 03/2022

   48,1 Milliarden Euro durchschnittlicher monatlicher Umsatz 2023

Haben „wir“ also den Gürtel um 4,5 Milliarden Euro enger geschnallt?

Das kommt darauf an, wie man dieses „wir“ definiert.

Die Einwohnerzahl der Bundesrepublik Deutschland ist nämlich von Ende 2021 bis Ende 2022 um mindestens*) 1,1 Millionen Personen gewachsen. Dieser Zuwachs ist zum ganz überwiegenden Teil auf die Ukraine Flüchtlinge zurückzuführen, die mit Beginn des Krieges, also ab März 2022 nach Deutschland gekommen sind.

Der Anteil der 1,1 Millionen Neu-Einwohner am Einzelhandelsumsatz dürfte im März 2023 bei etwa 700 Millionen Euro gelegen haben.

Das heißt, dass die 83,2 Millionen Einwohner, die schon 2021 hier lebten, im März nicht 48,1 Milliarden, sondern nur 47,4 Milliarden beim Einzelhandel ausgegeben haben.

Pro Einwohner wurde der Gürtel also monatlich real (= inflationsbereinigt) um 62 Euro, bzw. um ziemlich genau 10 Prozent enger geschnallt.

Der Einfluss des Internethandels ist hier übrigens nicht vergessen worden. Dessen Umsätze sind im Einzelhandelsumsatz enthalten – und auch da gab es einen Rückgang um immerhin 4,8 Prozent – und zwar von Februar 2023 (28 Tage) auf März 2023 (31 Tage).

Blättern Sie doch wieder mal in meiner Statistik „Jobwunder Deutschland„, dort können Sie erkennen, welche Löcher der Umsatzrückgang vor allem im Bereich der Mode (Bekleidung, Schuhe) bereits gerissen hat.

Um die Dramatik vollständig zu erkennen:

Dem Einzelhandel ist binnen eines Jahres
die gesamte Kaufkraft von 8 Millionen Bürgern verloren gegangen.

*) Ende 2022: 83,2 Mio., Ende 2023 vorläufige Schätzung: mindestens 84,3 Mio.