Die kritische Frage nach dem Ausbau der Ladeinfrastruktur mittels mobiler oder stationärer Dieselaggregate habe ich am 11. August an dieser Stelle aufgeworfen und um Informationen gebeten.
Diese Frage wird im Zusammenhang mit der nigelnagelneuen Ausschreibung des Bundesverkehrsministeriums für 1.000 Ladestationen noch einmal interessanter.
Zwei Milliarden Euro Fördermittel wird der Bund für diese 1.000 Ladestationen auswerfen, um zu einem Zustand zu gelangen, in dem die nächste Schnellladesäule überall innerhalb von 10 Minuten zu erreichen sein soll. Das sind immer hin zwei Millionen Fördergeld pro Ladestation. Hat jemals jemand Shell, BP, ARAL, AGIP oder gar eine jener „freien“ Tankstellen für Benzin und Diesel mit solchen Mitteln fördern müssen, um die Mobiltität zu ermöglichen?
Ein Problem allerdings bleibt trotz aller Fördermilliarden:
Wie soll der für das Schnellladen benötigte Strom an die Ladesäulen gelangen?
Eine Ladestation mit 10 Ladepunkten, von denen jeder 250 Kilowatt – oder mehr – in die Autobatterien pumpen soll, braucht nun einmal eine zuverlässige Versorgung mit 2,5 Megawatt, und dafür braucht es entsprechend dimensionierte Leitungen, die niemand auf Vorrat und Verdacht neben die Autobahnen und Hauptverkehrsstraßen eingebuddelt hat. In der Nähe der großen Städte eher ein kleines Problem, aber an den Raststätten auf dem flachen Land?
Nicht beschäftigen will ich mich in diesem Zusammenhang mit der Frage, wo der Strom für die E-Mobilität eigentlich herkommen soll, wenn die letzten Kernkraftwerke abgeschaltet und die Kohlekraftwerke eins nach dem anderen vom Netz gehen, während die ebenfalls über die Maßen geförderten, stromfressenden Wärmepumpen ebenfalls vom Netz zehren wollen.
Das Problem ist bekannt. Es wird nur lautstark beschwiegen. In den Lösungsansätzen ist es jedoch wieder zu erkennen. Dabei besteht kaum Zweifel daran, dass die 1.000 Ladestationen, die Scheuer zu fördern beschlossen hat, je nach Situation auf unterschiedliche Lösungen zurückgreifen müssen. Hier stellvertretend drei Modelle:
Netz + Lastmanagement + Batteriespeicher
In Wien sitzt das Unternehmen „Smatrics“, das in Österreich bereits ein Netz von 450 Schnellladestationen betreibt. Smatrics war ursprünglich von „Verbund“, OMV und Siemens gegründet worden, ist jedoch kürzlich vollständig an den Verbund gegangen, der sich zu 51% im Staatsbesitz befindet. Smatrics will natürlich expandieren und hält, so weit mich meine Recherchen getragen haben, enge Verbindung zur EnBW. Für Smatrics ist der Strom aus dem Netz die einzige Quelle der Lade-Energie. Da man sich jedoch nicht darauf verlassen kann, dass das Netz jederzeit den benötigten Strom auch zur Verfügung stellen wird, spielen im Konzept von Smatrics die Begriffe „Pufferbatterien“ und „Lastmanagement“ eine sehr wichtige Rolle, was sich aus dem so genannte White-Paper das ich hier verlinkt habe, spätestens ab Seite 7 klar herauslesen lässt.
Hier ist also nicht beabsichtigt, Verbrennungsmaschinen im Hintergrund aufzustellen, um Bedarfsspitzen aufzufangen, sondern stattdessen einigermaßen voluminöse Batterien einzusetzen, die aufgeladen werden, wenn die Ladepunkte nur wenig Strom aufnehmen und im Netz Strom „übrig“ ist. Dass man bei Smatrics im Prospekt davon ausgeht, dass immer Strom verfügbar sein wird, um die Batterien zu laden, sei hier nur am Rande, jedoch im Zusammenhang mit dem oben verlinkten Beitrag bei Tichys Einblick erwähnt.
Stromgenerator ganz ohne Netzanschluss
Eine gänzlich andere Strategie hat man sich bei „me energy“ einfallen lassen. Eine kunterbunte Webseite trägt zunächst einmal mehr zur Verwirrung bei als zum Erkenntnisgewinn, weil es da zugeht wie auf einem Basar, wo man alles findet, was man nicht braucht, während das Gesuchte nur unter dem Tisch gehandelt wird. So findet man zum Beispiel die schon zum Fremdschämen lächerliche Behauptung: „Unsere Webseite wird ausschließlich mit CO2-neutralem Strom betrieben.“
Findet man jedoch den Weg „zur Lösung“ wird man mit der Information konfrontiert, dass die Ladestationen von „me energy“ vollkommen stromnetzunabhängig den erforderlichen Ladestrom bereitstellen sollen. Um den Trick zu entdecken, mit dem dies bewerkstelligt werden soll, muss man schon einen gewissen Spürsinn entwickeln.
„me Energy“ beabsichtigt, in ihren ab dem Herbst 2021 lieferbaren Stationen Generatoren zu betreiben, die zwar nicht mit Diesel, sondern mit BioEthanol betrieben werden.
BioEthanol ist ein Produkt, dessen Rohstoffe auf jenen Feldern wachsen, die noch nicht mit Photovoltaik-Anlagen überbaut sind. Kartoffeln, Getreide, Weintrauben, was auch immer, wird dem Prozess der alkoholischen Gärung unterworfen und dann wird durch Destillation der hochprozentige Alkohol gewonnen, der auch heute schon dem Biodiesel beigemischt wird. Schon heute werden 14% der bayerischen Agrarflächen genutzt, um BioMethan und BioEthanol zu produzieren.
BioEthanol hat eine um ein Drittel geringere Energiedichte als Dieselkraftstoff oder Benzin. Auf einem Hektar Agrarfläche kann ein Jahresertrag von ca. 2.800 Litern erzielt werden. Das ersetzt etwa 30 bis 40 Tankfüllungen Diesel oder Bezin, je nach Fassungsvermögen, und könnte einen durschnittlichen Pkw für etwa 1 1/2 Jahre die benötigte Antriebsenergie liefern. Über den Daumen gepeilt braucht man also für den Betrieb von drei Pkws 2 Hektar Acker, für drei Millionen Pkws (in D fahren fast 50 Millionen) würden 2 Millionen Hektar (20.000 Quadratkilometer) für die Erzeugung von BioEthanol erfordern. Ein Konzept, das relativ schnell an quantitative Grenzen stößt.
Hinzu kommt, dass die Behauptung, die Verbrennung von BioEthanol sei – weil nachwachsender Rohstoff – klimaneutral, zumindest umstritten ist. Selbst die Wikipedia stellt den optimistischen Annahmen immer noch die pessimistischen gegenüber.
Netz + Wind + Solar + Gas- oder Dieselgenerator
Das klassische Konzept mit Gas- oder Dieselgenerator stammt von „Hyb Energy“, wobei „Hyb“ wohl für „hybrid“ stehen soll. Es heißt: Für eine Übergangszeit, also „bis das Netz steht“ könnten diese Ladestationen mit Diesel im Hintergrund helfen, die E-Mobilität voranzubringen.
Ein Witz! E-Mobilität fördern, fürs Klima, und weil die Dinger trotz Förderung nicht so richtig über die Ladentheke gehen, eine Ladeinfrastruktur aufbauen, die den Dieselkraftstoff unter CO2-Ausstoß dort in Strom umwandelt, wo er gebraucht wird.
Die Webseite von Hyb Energy eröffnet mit einer wahrhaft drolligen Illustration einer solchen Ladestation, mit ein paar Quadratmetern Solarpaneln und zwei Mini-Mini-Windturbinen auf dem Dach und einem Mini-Shop für Snacks und Kaffee.
Es ist quasi „Toyota“, „Alles ist möglich“, und schon bei Toyota hatte ich den Gedanken: „Also auch der größte Blödsinn!“
Fazit
Ein großer Netzbetreiber, wie der österreichische Verbund, tut sich relativ leicht, sein Netz mit den Ladestationen der Tochter Smartics (optimal) zu verbinden. Dabei spielen die Batteriepuffer an den Ladestationen aber nicht nur eine Rolle, wenn es darum geht, viele E-Mobile gleichzeitig zu laden, sondern dienen m.E. auch dazu, das eigene Netz bei Frequenzabweichungen zu stabilisieren. Inwieweit die Rechnung aufgeht, ob also das anfallende Stromangebot per Lastmanagement so „gepuffert“ werden kann, dass das Schnellladen jederzeit mit der vollen Kapazität erfolgen kann, wird sich erst herausstellen, wenn sich die Kurve der Zunahme rein elektrisch betriebener Kraftfahrzeuge und die Kurve des Rückbau der konventionellen Kraftwerke schneiden.
Anbieter von Ladestationen, die nicht über ein eigenes Stromversorgungsnetz verfügen, sind gezwungen, den Weg von Hyb-Energie zu gehen, und mit einem hohen Aufwand an Hardware einen eher schwachbrüstigen Netzanschluss durch eigene Photovoltaik, eigene Windkraftanlagen, eigene Diesel- oder Gas-Generatoren und eigene Pufferspeicher so weit zu ertüchtigen, dass sie die versprochene Zuverlässigkeit auch erreichen können. Das erscheint mir als der teuerste und unsinnigste Weg, Ladestationen zu betreiben.
Me energy hingegen hat sich ehrlich gemacht, verzichtet auf alle überflüssigen Komponenten und betreibt ihre Ladestationen netzunabhängig ausschließlich über eigene Generatoren, wobei die Beschaffung von BioEthanol nicht zwangsläufig zum Engpass führen muss, weil im Zweifelsfall die Umrüstung auf Diesel- oder Biodiesel-Betrieb möglich ist.
Der Strom für die Ladestationen wird also für geraume Zeit zu einem momentan nicht abschätzbaren Anteil tatsächlich aus Gas-, Diesel- und Ethanol-Generatoren bezogen werden. Mit der Schwächung der Netze durch Stilllegung konventioneller Kraftwerke bei gleichzeitig ansteigendem Strombedarf dürfte dieser Anteil in den nächsten Jahren und Jahrzehnten eher ansteigen als abnehmen.