Mehr Demokratie wagen

Willy Brandt hat seine erste Regierungserklärung nach seiner Wahl zum Bundeskanzler, mit den Worten: „Wir wollen mehr Demokratie wagen!“, in den Rang einer „großen Rede“ gehoben.

Der maßgebliche Abschnitt lautete:

„In den 70er-Jahren werden wir aber in diesem Lande nur so viel Ordnung haben, wie wir an Mitverantwortung ermutigen. Solche demokratische Ordnung braucht außerordentliche Geduld im Zuhören und außerordentliche Anstrengung, sich gegenseitig zu verstehen. Wir wollen mehr Demokratie wagen.“

und:

„Die Regierung kann in der Demokratie nur erfolgreich wirken, wenn sie getragen wird vom demokratischen Engagement der Bürger. Wir haben so wenig Bedarf an blinder Zustimmung, wie unser Volk Bedarf hat an gespreizter Würde und hoheitsvoller Distanz.
Wir sind keine Erwählten. Wir sind Gewählte (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)
Meine Damen und Herren, in den letzten Jahren haben manche befürchtet, die zweite deutsche Demokratie werde den Weg der ersten gehen. Ich habe dies nie geglaubt. Ich glaube dies heute weniger denn je. Nein: Wir stehen nicht am Ende der Demokratie, wir fangen erst richtig an.“

Eine Würdigung dieser visionären Rede gibt es beim Deutschlandfunk.

Seitdem sind nun auch schon wieder 52 Jahre vergangen. Der mutige Sprung in eine demokratischere Republik hat zwar seine Spuren hinterlassen, doch wohnt ihnen nichts Revolutionäres mehr inne. Das, was Brandt initiiert hat, wird leider bedenkenlos aufgegeben. Teils durch die Übertragung von Souveränitätsrechten an den nicht demokratisch legitimierten Moloch „EU“, teils durch ein handzahmes Parlament, das der Exekutive das Durchregieren auf eine beschämend demütige Weise ermöglicht, teils durch das Desinteresse der Wahlberechtigten am Kurs der Politik, teils durch lautstarke Gruppen, die sich im Besitz der alleinigen Wahrheit wähnen und die demokratischen Prozesse als störende Hindernisse bei der Durchsetzung ihrer Interessen betrachten.

Es ist höchste Zeit für einen neuen Aufbruch, für den Mut, noch einmal mehr Demokratie zu wagen.

Seit 1949 steht im Grundgesetz Art. 20,2 als verbindliche Regel:

Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

Seit 1949 ist es nicht gelungen, die Ausübung der Staatsgewalt durch das Volk in Form bundesweiter Abstimmungen zu ermöglichen. Im Gegenteil, es gab und gibt immer wieder Stimmen hochrangiger Politiker in Regierungsverantwortung, die rundheraus erklärten, bundesweite Abstimmungen seien vom Grundgesetz verboten.

Nun hat sich eine private Initiative gegründet, die eine erste bundesweite Abstimmung außerhalb der staatlichen Organisation geplant, vorbereitet, finanziert und bereits ins Laufen gebracht hat.

Es kann sein, dass Sie davon noch nie gehört haben, doch die Abstimmung läuft  bereits. Die Medien schweigen diese Initiative tot, statt die Idee aufzugreifen und zu verbreiten und zur Teilnahme aufzurufen. Noch sind 20 Tage Zeit, die Abstimmungsunterlagen abzufordern, die per Post ins Haus geliefert werden, und per Post, als Briefwahlunterlage im doppelten Kuvert auch wieder zu den Auszählungsstellen gebracht  haben.

Vier Themenkreise werden behandelt, die allesamt von erheblicher Bedeutung sind:

  • die staatliche Rahmensetzung für Organtransplantationen
  • die Organisationsstruktur und Finanzierung des Krankenhauswesens
  • die reguläre Einführung bundesweiter Volksabstimmungen
  • die Maßnahmen zur Einhaltung des 1,5 Grad Klimaziels

In einem so genannten „Abstimmungsheft„, das als PDF heruntergeladen werden kann, werden zu allen Themen Vor- und Nachteile, Argumente für Zustimmung und Ablehnung sehr neutral dargelegt. Wer an der Abstimmung teilnimmt, ist also nicht automatisch auf eine Zielrichtung der Veranstalter festgelegt, wie es üblicherweise beim Mitzeichnen von Petitionen der Fall ist.

Ich bin vor Wochen auf diese Initiative gestoßen, habe mir seinerzeit die Briefwahlunterlagen bestellt und sie am Freitag letzter Woche im Briefkasten vorgefunden. Inzwischen sind meine vier Kreuze auf dem Stimmzettel angebracht, der Stimmzettel steckt im inneren Wahlumschlag, der innere Wahlumschlag und die Abstimmungserklärung (so eine Art Wahlberechtigungsschein) stecken im äußeren Wahlumschlag, und der wird in Kürze von der Post weitertransportiert werden.

Heute Morgen habe ich die Seite der Initiative „Abstimmung 21“ aufgesucht und bin regelrecht erschrocken. Von mehr als 60 Millionen deutschen Wahlberechtigten haben sich noch nicht einmal 300.000 für die Teilnahme an dieser Abstimmung angemeldet. Ein mickriges, halbes Prozent.

Aber das wird kaum am mangelnden Interesse liegen, sondern daran, dass die Weiterverbreitung der Information bisher nicht funktioniert hat.

Daher lautet mein dringender Appell:

  • Besuchen Sie jetzt die Seite „Abstimmung 21“.
  • Fordern Sie dort die Abstimmungsunterlagen für sich an.
  • Geben Sie Ihre Stimme ab, sobald die Unterlagen bei Ihnen eingegangen sind. Bis zum Stichtag (18.09.) ist nicht mehr viel Zeit.
  • Animieren Sie möglichts viele Menchen in Ihrem persönlichen Umfeld, sich ebenfalls zu beteiligen.

Ich empfände es als eine Schande für Deutschland und die Deutschen, wenn es nicht gelingen sollte, aus den knapp  300.000 die sich bisher angemeldet haben, noch mindestens drei Millionen zu machen. 

Die Webseite „Abstimmung21.de„, wo man sich zur Teilnahme anmelden kann, ist seit meinem ersten Besuch heute Morgen „kaputt“. (Ich fühle mich unschuldig!)
Ich habe das Problem per Mail gemeldet, aber bis jetzt hat sich nichts gebessert. Bin aber überzeugt, dass der Fehler bald behoben werden wird. Vielleicht bookmarken Sie sich die Adresse und schauen jeden Tag mal vorbei …

Das schon oben verlinkte „Abstimmungsheft“ ist davon aber nicht betroffen. Da finden Sie jedenfalls im Detail, worum es geht, und wie es geht, und können sich durchaus entscheiden, ob Sie mitstimmen wollen, wenn die Seite wieder funktioniert.

Eine gute Woche!

Egon W. Kreutzer