Bundesbank warnt vor Bank-Run

Joachim Nagel, Chef der deutschen EZB-Zweigstelle „Bundesbank“, macht sich Sorgen. Fake-News in den Sozialen Medien könnten zu einem Ansturm der Sparer auf die Banken führen, die alle gleichzeitig „ihr Geld“ abheben wollen, was im schlimmsten Fall zur Bankenpleite führen könne.

Mit der daraus abgeleitete Forderung, die Bankenaufsicht möge – wie in Südkorea – systematisch die Sozialen Medien überwachen, heizt Nagel die seit langen Jahren im Netz kursierenden Crash-Prophetien allerdings noch an, verleiht er ihnen mit dem Gütesiegel der Bundesbank doch ein weitaus höheres Maß an Glaubwürdigkeit, als dies von Einträgen in den Sozialen Medien alle geschaffen werden könnte.

Was soll das also?

Die Sachlage ist klar. Banken müssen nur über so viel eigene Liquidität verfügen, wie  es die Pflicht zur Mindestreserve-Haltung vorschreibt. Der Mindestreservesatz der EZB liegt seit Januar 2012 bei 1 Prozent, was (vereinfacht) bedeutet, dass für 100 Euro Giro- und Sparguthaben nur 1 Euro  tatsächlich als Liquidität von der Bank vorgehalten werden muss. Die naive Vorstellung, das von Kunden eingezahlte Geld liege im Tresor der Bank und könne jederzeit wieder herausgegeben werden, ist also falsch – und das wiederum könnte einfache Gemüter dazu bewegen, ihr Geld abzuheben, so lange die Bank noch etwas hat, um es zu Hause unter dem Kopfkissen zu bewahren. Dieses Verhalten könnte bei Kenntnis der realen Verhältnisse tatsächlich eine Panik auslösen.

Doch die Liquiditätsreserven der Banken reichen in normalen Zeiten vollkommen aus, weil immer nur ein kleiner Teil der Einlagen tatsächlich bewegt wird, so dass die Banken die Kundenaufträge, seien es nun Barabhebungen oder Überweisungen an andere Institute, in der Regel problemlos bewältigen können. Wobei den Banken noch zusätzliche Möglichkeiten offen stehen, sich kurzfristig mit Liquidität zu versorgen, wenn dies erforderlich sein sollte. Einmal geschieht das über das so genannte Interbanken-Geschäft, wo sich die Banken untereinander über Nacht Geld leihen, zum anderen über Kredite der Zentralbank, die zum Beispiel durch die Übertragung von Wertpapieren abgesichert werden. 

Für den Fall massenhafter Bargeldabhebungen bei einer oder mehreren Banken, was den Bargeldvorrat (nicht gleichzusetzen mit der Liquidität) der Banken schnell erschöpfen würde, stehen in praktisch unbegrenzter Menge frisch gedruckte Banknoten bei der Zentralbank bereit, die innerhalb von Stunden mit Werttransportern an die Bankschalter geschafft werden könnten, um dem Gerücht, eine Bank stünde vor der Pleite, den Wind aus den Segeln zu nehmen und die Gemüter schnellstmöglich wieder zu beruhigen. Dies weitgehend unabhängig davon, wie gut oder schlecht es der betroffenen Bank tatsächlich geht, insbesondere dann, wenn es sich um eine systemrelevante Bank handelt. In einer solchen Krise geht es darum, den Entstehungsbrand zu löschen, bevor er auf andere Institute übergreift und am Ende die ganze Währung zusammenbrechen lässt.

Kann es also im Interesse der Bundesbank, bzw. der EZB sein durch die Warnung vor einem Bank-Run diesen tatsächlich erst auszulösen? Eigentlich nicht.

Worum geht es also dann?

Joachim Nagel plagen offenbar ernsthafte Sorgen, sonst würde er  nicht mit solchen Aussagen an die Öffentlichkeit treten.

Tatsächlich bahnt sich in Deutschland etwas an, was den Bankensektor weit mehr erschüttern könnte als der Versuch von Kleinsparern, ihr Geld als Bargeld  von den Banken abzuziehen und wie zu alter Väter Zeiten unter dem Kopfkissen zu bewahren.

Da gibt es zwei Trends, von denen einer schon öffentlich besprochen wird, während der andere eher unterirdisch schwelt, den Bankern aber dennoch schon schlaflose Nächte bereiten dürfte.

Der öffentlich besprochene Trend ist die Differenz zwischen den Auslandsinvestitionen der deutschen Wirtschaft und den Investitionen des Auslands in Deutschland – sprich: Der Kapitalabfluss aus Deutschland.

Schon im letzten Jahr erreichte der Saldo aus Kapitalabflüssen und Zuflüssen einen Wert von 132 Milliarden US-Dollar. Allerdings hat sich die Lage der deutschen Wirtschaft – man könnte sagen, seit Beginn der Ampel-Regierung – kontinuierlich immer weiter verschlechtert. Insbesondere im Bereich der Versorgung mit preiswerter Energie stehen die Zeichen für viele Unternehmen auf Sturm und die Welle der Produktionsverlagerungen ins Ausland hat gerade erst begonnen. Die jüngste Umfrage des Bundesverbands Mittelständische Wirtschaft brachte wahre Horrorzahlen zum Vorschein: 22 Prozent der Mittelständler denken über eine Verlagerung ins Ausland nach und 26 Prozent stellen sich die Frage, ob es für sie nicht günstiger sei, das Geschäft ganz aufzugeben.

Ich wage eine Prognose – mehr aus dem Bauch heraus als auf Basis zuverlässiger Zahlen – mit der Aussage: Am Ende des laufenden Jahres wird sich der Saldo aus Kapitaltzu- und abflüssen mit hoher Wahrscheinlichkeit mindestens verdoppelt haben.

Abfließendes Kapital reduziert jedoch auch die Bilanzsummen der Banken, denn um sich ihrer Verbindlichkeiten gegenüber den Einlegern zu entledigen, müssen Anlagepositionen der Aktiva aufgelöst werden, d.h. es müssen Wertpapiere und andere Anlagewerte liquidiert werden, wobei nicht garantiert ist, dass  dabei im Verkauf auch jene Preise erzielt werden können, zu denen diese Anlagen in der Bilanz gelistet waren. Damit nähert sich die betroffene Bank nicht nur einem Liquiditätsproblem, es kann auch zu realiserten Verlusten und damit zum Schrumpfen des Eigenkapitals führen.

Mit ein bisschen Fantasie könnte man diese Kapitalabflüsse durchaus als den Bank-Run des Kapitals bezeichnen, der in der Tat bedrohliche Ausmaße annehmen kann.

Der unterirdisch schwelende Teil des Problems ist jener Mix aus Inflation, Geschäftsaufgaben und Insolvenzen, Fachkräftemangel und Einwanderung in die Sozialsysteme, fehlender Planungssicherheit, steigenden Zinsen und drohender „Enteignungen“, der die Volkswirtschaft schleichend erdrosselt.  Die Insolvenzen nehmen zu. Mit jeder Insolvenz, auch mit jeder Privatinsolvenz, müssen Forderungen der Banken gegen ihre Schuldner abgeschrieben werden – während das Neugeschäft, also die Vergabe neuer Kredite nicht nur schwächelt, sondern geradezu eingebrochen ist. Alleine im Bereich der Baufinanzierung, einer wesentlichen Säule der Geldschöpfung, ist das Neugeschäft um die Hälfte zurückgegangen – und eine Besserung ist nicht in Sicht.

Auch das führt letztlich zu einem Rückgang der Liquidität, zu realisierten Verlusten und damit zum Schrumpfen des Eigenkapitals der Banken.

Ist das der Kern der Sorgen des Herrn Nagel?

Ich fürchte, ja.

Die Situation dann allerdings so darzustellen, als handle es sich um ein Problem, das mit der verschärften Kontrolle der Sozialen Medien zu beherrschen sei, ist ein Witz – und zwar ein schlechter.

Wenn es noch einen Weg aus der Krise gibt, dann wäre dies die unverzügliche Rückkehr zu einer konsequenten Politik für Deutschland.
Daran ist allerdings momentan selbst in den kühnsten Träumen nicht zu denken.