Auf der hohen Kante

RP Online hat bei der Berichterstattung über das Geldvermögen der Deutschen den Vogel abgeschossen.

„Nach Angaben der Bundesbank liegt das Vermögen von Privatleuten bei über sechs Billionen Euro.

So viel hat jeder Einzelne erspart.“

Das ist vollendeter Blödsinn, aber Redakteure, die nicht über solche Sätze stolpern, sind offenbar rar gesät.

Paukenschlag am Donnerstag No. 3 /2019 – Hier als PDF: pad 3 2019 hohe kante

Ich will mich heute nicht über die Tatsache auslassen, dass dieses Vermögen absolut ungleich verteilt ist, sondern etwas darüber schreiben, was das  ist: „Geldvermögen“.

BILD hat – und das gereicht dem Blatt zur Ehre – ein bisschen aufgegliedert, wie sich die sechs  Billionen zusammensetzen. Bargeld, Bankeinlagen, Ansprüche an Lebensversicherungen und Aktien.

Mir geht es heute darum, den Unterschied zwischen Geld und Vermögen herauszuarbeiten, der ja damit beginnt, dass Immobilien, Edelmetalle, Kunstschätze und das Eigentum an Unternehmen, soweit es nicht in Form von Aktien angelegt ist, nicht zum Geldvermögen zählen.

Die Deutschen sind also weitaus reicher als es jene 6 Billionen vermuten lassen, die als Geldvermögen angegeben werden. Eine Zahl dazu gibt es nicht, aber ich schätze, dass der Wert des Vermögens der deutschen Privathaushalte eher bei 30 als bei 25 Billionen Euro liegen dürfte.

Dass eine Immobilie nicht zum Geldvermögen zählt, ist noch jedem einleuchtend. Man kann mit einer Immobilie nicht an der Supermarktkasse bezahlen. Um das Häuschen in Geld zu verwandeln, muss man es wohl oder übel verkaufen. Dann hat der Vorbesitzer das Geldvermögen und der Käufer das Immobilienvermögen. Merken Sie etwas: Das Geldvermögen verändert sich dadurch nicht. Es ist nur in andere Hände übergegangen.

Komplizierter wird es bei der Aktie. Die wird zu Kursen gehandelt, die in Geldeinheiten ausgedrückt werden – und man kann sie praktisch an jedem Handelstag an der Börse zu Geld machen. Doch letztlich geschieht hier das Gleiche wie beim Immobilienverkauf. Weil man mit einer Aktie an keiner Supermarktkasse bezahlen kann, muss sie erst in Geld umgewandelt werden, das heißt, man muss einen Käufer finden, der bereit ist, sein Geld gegen die Aktie einzutauschen. Kurz: Die Aktie ist zwar Geld wert, wie jeder  gut erhaltene Gebrauchtwagen, aber sie ist kein Geld.

Da der Anteil der Aktien an den 6,053 Billionen bei 644 Milliarden lag, reduziert sich der Geldanteil am Geldvermögen schon einmal auf 5,409 Billionen.

Etwas komplizierter sieht es aus beim Wert der Lebensversicherungsverträge. 2,257 Billionen Euro betrug der angesparte Wert der Lebensversicherungen zum Ende des dritten Quartals 2018. Auch mit Lebensversicherungspolicen kann man an der Supermarktkasse nichts bezahlen. Komplizierter wird es hier, weil das eingezahlte Geld nämlich nicht im Tresor der Lebensversicherung vor sich hin rottet, sondern von der Versicherungsgesellschaft schnellstmöglich am Finanzmarkt investiert wird. Im Tresor der LV bedinden sich also Grundbuchauszüge, die das Immobilienvermögen der Gesellschaft dokumentieren, festverzinsliche Wertpapiere, Aktien und Schuldscheine von Kreditnehmern. Alles kein Geld. Das Geld, das die Versicherungsnehmer einzahlen, wandert weiter an Immobilienverkäufer, an die Emittenten oder Verkäufer von Wertpapieren und an Kreditnehmer. Um ihren Verpflichtungen aus den Verträgen bei Fälligkeit nachkommen zu können, greifen die Versicherer zuerst auf die Beitragseinnahmen aus den weiterlaufenden Verträgen zurück, sollte dies einmal nicht reichen, müssen Aktien oder Pfandbriefe oder Immbilien verkauft werden.

Sie sehen, auch die Rückkaufswerte von Lebensversicherungen sind kein Geld. Vermögen ja, Geld nein.

Somit verbleiben in dieser Betrachtungsweise vom Geldvermögen nur noch 3,152 Billionen übrig.

Einen weiteren Posten im Geldvermögen stellen die Anlagen in Investmentfonds dar. Ein Investmentfonds sammelt Geld ein und erwirbt dafür, je nach Zielrichtung, alles Mögliche: Aktien, Immobilien, Festverzinsliche, Schweinehälften, usw.  Im Grunde handelt es sich um einen Anlagemix, den sich die Fondsmanager ausgedacht haben. Da man auch mit einem Fondsanteil nicht an der Supermarktkasse zahlen kann, handelt es sich dabei nicht um Geld – und das Geld, mit dem die Fondsanteile erworben wurden, ist längst wieder weitergewandert.

Das waren insgesamt 596 Milliarden. Der Anteil des Geldes im Geldvermögen reduziert sich damit auf 2,556 Billionen.

Doch auch das ist nicht alles „Geld“.

Womit kann an der Supermarktkasse bezahlt werden? Mit Bargeld und mit Girageld, also aus dem Portemonnaie oder per Abbuchung direkt vom Girokonto z.B. bei Kartenzahlung.

Bargeld und Giralgeld, die einzigen Erscheinungsformen von Geld, mit denen etwas bezahlt werden kann, werden im so genannten Geldmengen-Aggregat M1 zusammengefasst.

In der gesamten Euro-Zone gab es Ende November 2018 8,25 Billionen Euro M1, der deutsche Anteil daran wird mit 2,05 Billionen Euro angegeben.

Es fehlt also zur endgültigen Aufklärung der Summe des so genannten „Geldvermögens“ nur noch eine halbe Billion. Die findet sich als längerfristige Kundeneinlage bei den Banken. In Wahrheit ist sie noch etwas höher als die hier ausgewiesene Differenz, weil sich Bar- und Giralgeld nicht alleine auf Konten der privaten Haushalte befinden, sondern eben auch auf den Konten und in den Kassen der Unternehmen. Auch dieses Vermögen ist kein Geld, es handlelt sich um Forderungen der Kunden gegenüber der Bank, die allerdings, wie Lebensversicherungsverträge erst zu einem (mitunter weit) in der Zukunft liegenden Fälligkeitstermin wieder als Geld zur Verfügung gestellt werden (sollen). Auch hier ist der Kontoauszug der Bank nicht geeignet, damit an der Supermarktkasse zu bezahlen.

Folglich bleibt es bei der Geldmenge M1. Das ist genau die Geldmenge, die aktuell zur Verfügung steht, um etwas „BEZAHLEN“ zu können. Wer eine Immobilie verkauft, erhält den Kaufpreis aus dieser Geldmenge. Wer Aktien kauft, bezahlt den Preis aus dieser Geldmenge. Wer in eine Lebensversicherung einzahlt, tut das mit Geld aus dieser Geldmenge und wenn die Versicherung ausgezahlt wird, stammt die Versicherungssumme aus dieser Geldmenge. Mehr ist nicht da – und die Geldmenge ändert sich durch diese Transaktionen nicht.

Sie ändert sich auch nicht, wenn damit Steuern bezahlt werden.

Änderung der Geldmenge ergeben sich durch das Kreditgeschäft der Geschäftsbanken. Jeder neu ausgereichte Kredit erhöht im Augenblick seines Entstehens die Geldmenge M1. Jede geleistete Tilgung mindert mit der Verbuchung der Tilgungsrate die Geldmenge M1.

Für eine prosperierende Wirtschaft ist die ausreichende Verfügbarkeit von „Geld“ in Form von Bar- und Giralgeld unabdingbar. Die Unterversorgung der Realwirtschaft mit Geld schafft Deflation, eine Übersorgung führt zur Inflation, weil sich der Wert, die Kaufkraft des Geldes verändert, abhängig davon, wieviel Warenangebot dem verfügbaren Geld gegenübersteht.

In einer Zeit, in der die Supermärkte voll sind und die Online-Händler täglich Millionen von Paketen versenden, in der es also auf der Seite des Warenangebotes keinen Mangel gibt, ist es kaum vorstellbar, dass Inflation auch daduruch ausgelöst werden kann, dass nicht die Geldmenge zugenommen, sondern das Angebot abgenommen hat.

Fragen Sie sich, was Sie bereit wären, nach drei Tagen ohne Wasser in der Wüste für einen Liter Trinkwasser zu bezahlen, und Sie haben verstanden, worum es geht.

Nun scheint es in Deutschland kein Problem zu sein, jederzeit an gesundheitlich unbedenkliches Trinkwasser zu gelangen. Doch in Bezug auf die Nahrungsmittelversorgung insgesamt sieht es gar nicht so gut aus.

Von den Nahrungsmitteln, die wir hierzulande verbrauchen, stammen insgesamt nur noch etwa 50 Prozent aus eigener Produktion. Pflanzliche Lebensmittel aus Eigenproduktion decken noch etwa 35 Prozent des Bedarfs, und bei den tierischen Nahrungsmitteln erreichen wir zwar eine 100%ige Bedarfsdeckung, doch gelingt das nur, weil in großen Mengen Futtermittel importiert werden.

Theoretisch sind wir durch diese Abhängigkeit erpressbar und könnten über diesen Hebel sogar in das hineingetrieben werden, was wir in Deutschland in den 70er Jahren schon einmal erlebten: Stagflation – stagnierende Wirtschaft bei gleichzeitiger Geldentwertung. Damals war die Verknappung der Ölproduktion der Auslöser.

Doch auf dieses Gleis wollte ich gar nicht geraten.

Kehren wir zurück zur vorhandenen Liquidität, dem Geld, mit dem man etwas bezahlen kann. Geld, das nicht – wie oft irrtümlich vermutet wird – durch Arbeit entsteht, auch nicht durch Lottogewinne oder Erbschaften, sondern alleine dadurch, dass Banken Kredite vergeben. Von diesem Geld verfügen wir in unserer Volkswirtschaft über runde 2 Billionen Euro. Dem stehen Schulden der privaten Haushalte in Höhe von 1,776 Billionen und Staatsschulden in Höhe von 2,076 Billionen Euro gegenüber. Die Schulden der Wirtschaftsunternehmen sind dabei noch gar nicht berücksichtigt.

Wollten wir alle diese Schulden tilgen, müssten wir 1,8 Billionen neue Schulden aufnehmen – und hätten danach keinen Cent mehr auf dem Konto.

Wurden Sie je gefragt, ob Sie in einem Geldsystem, das solche Effekte hervorbringt, wirtschaften wollen?
Ich nicht.


Vor zehn Jahren habe ich das Buch „Falschgeld – Die Herrschaft des Nichts über die Wirklichkeit“ erstmals herausgebracht. Es war schon einmal ein gutes Jahr lang ausverkauft, dann habe ich es noch einmal drucken lassen, und inzwischen ist es längst wieder vergriffen.

Inzwischen erreichen mich aber wieder Anfragen und ich ringe noch mit mir, ob ich den Titel noch einmal anbieten soll.

Wenn genug ernsthafte Interessenten zusammenkommen,
werde ich noch einmal eine kleine Auflage drucken lassen.

Bitte schreiben Sie mir bis spätestens 31.01.2019 eine Mail (an service@ewk-verlag.de), in der Sie verbindlich ein Exemplar (gern auch mehrere) bestellen, für den Fall, dass eine Neuauflage zustande kommt. Bitte die Angabe der Lieferadresse nicht vergessen. Über den EWK-Shop ist das Buch vorläufig nicht bestellbar.
Wird nachgedruckt, erhalten Sie das Buch auf Rechnung zum unveränderten Ladenpreis von 18,80 € zzgl. Versandkosten, sobald der Nachdruck vorliegt, also in der zweiten Februarhälfte.

Kenawis Buch ist kenntnisreich und mit scharfem analytischen Verstand geschrieben. Es macht die Probleme unseres Geldsystems deutlich und schlägt Möglichkeiten vor, dieses System zu verbessern, das Geld „neutral“ zu gestalten, so dass es nicht länger automatisch die Umverteilung von unten nach oben fördert.

Im Buch findet sich dann noch ein Link auf ein PDF mit einer ausführlichen „Geschichte des Geldes“, die ich – um das Buch preiswert halten zu können –  aus dem Manuskript ausgeklammert und gesondert zur Verfügung gestellt habe.