Zum Tag der feierlichen Einweihung des Ölpreisdeckels

Eine Geschichte von Angebot, Nachfrage, Geld und Inkompetenz

Dass der Startschuss für den Ölpreisdeckel nicht im sakralen Raum mit Orgelklang und Weihrauchnebel abgegeben wurde und auch kein Geistlicher die gegen Russland gerichtete Waffe segnete, ist angesichts der Gefahr des Scheiterns nicht nachvollziehbar. Wie würdevoll hätte man die Bevölkerung auf Jahre voller Blut, Schweiß und Tränen einschwören können, wie inbrünstig hätten die Deutschen sich voller Gottvertrauen ins Unvermeidliche gefügt! So aber überlässt man sie blind und taub und ohne geistlichen Beistand und Trost ihrem Schicksal

Es tut mir leid, aber ich muss meine Geschichte zu den Markteingriffen der Bundesregierung, der EU und der G7 vom Grundsätzlichen her erzählen, weil die Ursachen für Gaspreisbremse und Ölpreisdeckel, sowie deren drohende Auswirkungen ohne eine Auffrischung einfacher ökonomischer Kenntnisse schwer nachzuvollziehen sind.

 

Die Unterscheidung
zwischen Angebot und Nachfrage ist nicht immer einfach.

Stellen Sie sich vor, Sie wären dafür verantwortlich, dass zwanzig frisch eingeschulte Sechsjährige binnen eines Jahres Lesen und Schreiben erlernen.

Sie selbst haben dafür keine Zeit, und selbst wenn Sie Zeit hätten, fürchten Sie, ihre pädagogischen Fähigkeiten würden nicht ausreichen, ein methodisch und didaktisch optimales Vorgehen zu entwickeln, das den Lernerfolg möglich macht.

Sie suchen also nach einer Person, die geeignet ist, den Unterricht  durchzuführen, und befinden sich damit in der Rolle des Nachfragenden.

Natürlich kann man die Sache auch genau anders herum betrachten. Sie sind es doch, der ein Angebot macht. Sie bieten einen Job an. Sie wollen eine Arbeit vergeben und Arbeitgeber werden.

Beide Sichtweisen sind vertretbar.

Denn es geht um einen Vertragsabschluss, mit dem ein beiderseitiges Leistungsversprechen besiegelt werden soll. Beide Seiten fragen die jeweilige Gegenleistung nach, bieten zugleich ihre Leistung an und einigen sich dazu im Detail, zum Beispiel auf die Zahl der Unterrichtsstunden und auf das Gehalt der Lehrkraft.

Im Schlaraffenland

In einem wahren Schlaraffenland, bevölkert mit tausenden guter Feen, die jedweden Wunsch erfüllen – außer eben Unterricht im Lesen uns Schreiben zu erteilen – würden Sie vermutlich nur inserieren:

„Biete 20 Sechsjährige zum Unterrichten in Lesen und Schreiben.“

Danach würden Sie sich die Bewerber, die gerne wieder einmal etwas Nützliches für die Gemeinschaft tun möchten, näher ansehen, deren fachliche und charakterliche Eignung prüfen, und einem oder zweien davon dann die Kinder zum Unterrichten überlassen. Der Lohn für ein Jahr pädagogischer Arbeit bestünde einzig in der Gelegenheit, den Unterricht durchführen zu dürfen. Um den Rest kümmern sich die Versorgungseinrichtungen des Schlaraffenlandes und die vielen Feen, die sich jeden Tag daran erfreuen, Wünsche zu erfüllen und gute Taten zu vollbringen.

Das ist – überzeichnet – der Zustand, von dem ausgegangen wird, wenn Ökonomen erklären, es ginge immer nur um Angebot und Nachfrage, niemals wirklich um Geld, denn Geld sei nur ein Schleier, von dem man sich trotz seiner systemimmanenten Komplexität nicht irritieren lassen sollte.

 

In der Realität

Denkt man sich das Schlaraffenland und die guten Feen wieder weg, endet die Illusion, Geld sei nur ein Schleier, abrupt. Selbst die Annahme, die Eltern der 20 Erstklässler könnten die Lehrkraft nach dem Prinzip des Tauschhandels mit Naturalien versorgen, die sie selbst herstellen, ist spätestens dann nicht mehr aufrecht zu erhalten, wenn der eine Vater als Buchhalter in einer Bank arbeitet, die andere Mutter als CallCenter-Agentin tätig ist und vier Elternteile in der Nordsee Windkraftanlagen montieren.

Man könnte den unumgänglichen Rücksturz in die Verhältnisse der Gegenwart so interpretieren, als hätten wir in der Realität versucht, das seit der Vertreibung aus dem Garten Eden, bzw. seit der Vorsteinzeit nicht mehr erlebte, „gefühlte Schlaraffenland, samt guter Feen“ durch die Erfindung des Geldes zu ersetzen.

Die Sache hat nur einen winzig kleinen Haken: Am Geld herrscht nicht Überfluss für alle, wie im Schlaraffenland an den guten Gaben, sondern ein systembedingter, unverzichtbarer Mangel, der noch dazu so unterschiedlich verteilt ist, dass viele kaum über Geld verfügen können, manche gerade so genug haben, wenige jeden Monat vom Gehalt etwas übrig behalten und ganz wenige sprichwörtlich im Geld schwimmen können.

Was ist da schiefgegangen?

 

Geld einfach auf alle zu gleichen Teilen verteilen

Hätte man nicht einfach alles Geld genau gleich auf alle Bürger verteilen können, und davon so viel, dass jeder genügend Geld hat, um alle seine Wünsche erfüllen zu können?

Zugegeben, auf den ersten Blick eine traumhaft schöne Idee. Unglücklicherweise verwandelt sie sich blitzschnell in einen Albtraum, wenn man versucht, sich ihre Auswirkungen vorzustellen. In einem solchen Schlaraffenland 2.0 erschiene am ersten Werktag nach der Verteilung des Geldsegens vermutlich kaum noch jemand an seiner Arbeitsstelle. Die Notwendigkeit, zu arbeiten um Geld zu verdienen, egal ob als Selbständiger oder Angestellter, wäre ja entfallen. Jeder, der sich noch irgendwie produktiv beschäftigt oder eine Dienstleistung erbringt, wie der Lehrer, der 20 Schülern das Lesen und Schreiben beibringt, würde das nur noch tun, weil es ihm Spaß macht. Ob sich allerdings noch Menschen finden würden, denen es Spaß macht, im Supermarkt die Regale aufzufüllen oder an der Kasse zu sitzen, ist schon höchst fraglich, und der Klempner, der es auf sich nimmt, eine verstopfte Spüle oder Toilette wieder freizumachen, würde vermutlich vergebens gesucht werden.

Dies hätte zur Folge, dass die Menschen mit ihrem vielen Geld, mit dem sie sich theoretisch alle Wünsche erfüllen könnten, schon daran scheitern, überhaupt noch ein geöffnetes Ladengeschäft zu finden.

Selbstverständlich würde die Regierung, falls ihre Mitglieder ihre Verantwortung denn noch wahrnehmen würden, eine Ladenöffnungspflicht verhängen, so dass die Versorgung der Bevölkerung erst einmal gesichert wäre.

Allerdings – und das stellt sich nun gänzlich unerwartet heraus – wären die Läden nach wenigen Tagen, bis auf ein paar Ladenhüter vollständig leergekauft. Es arbeitet ja niemand mehr, außer den Verkäufern und Verkäuferinnen, die staatlich dienstverpflichtet wurden.

Die Menschen hätten immer noch sehr viel Geld und könnten damit überglücklich sein, wenn nur der Magen nicht so knurren würde. Die Bäckereien waren nämlich zuerst ausverkauft, noch kurz vor den Metzgern. Dann leerten sich die Lebensmittel- und Konservenregale in den Supermärkten schlagartig.

Die Regierung sieht sich folglich schon wieder zum Handeln gezwungen und verordnet Zwangsarbeit, dergestalt, dass jeder, der vor der Geldverteilung einer Arbeit nachgegangen ist, sich unverzüglich dort wieder zum Arbeiten einzufinden hat, um die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen.

Also tanzten sie wieder an, denn denjenigen, die unentschuldigt der Arbeit fernbleiben sollten, war der vollständige Einzug ihres noch nicht ausgegebenen Geldes angedroht worden. Nur mit der Arbeitsmoral war es – verständlicherweise – nicht weit her. Die Löhne und Gehälter, die zum Monatsende winkten, waren ja nicht angepasst worden und folglich im Vergleich zum Geldvermögen, über das die allermeisten immer noch verfügten, geradezu lächerlich. Dafür arbeiten zu müssen, statt den Tag genießen zu können, wurde als Strafe empfunden, und das schlug sich auf die Produktivität nieder. Statt 200 Broten und 2000 Semmeln stellte die Bäckerei täglich nur noch 50 Brote und 500 Semmeln her, und an den Bändern der Automobilfabriken gab es einen Stopp nach dem anderen, weil die notwendigen Handgriffe der Arbeiter nicht mehr im gewohnten Tempo und nicht mehr mit der gewohnten Zuverlässigkeit ausgeführt wurden.

 

Die Inflation ist unvermeidlich

Von 50 verkauften Broten und 500 verkauften Semmeln täglich lassen sich aber weder die Löhne der Beschäftigten, noch Gas und Strom für den Backofen bezahlen. Sollte der Bäcker nun aus seinem Privatvermögen zuschießen, um die niedrigen Preise zu halten, wo doch ein Blinder mit dem Krückstock sehen konnte, dass die Leute genug Geld hatten, um das Vierfache für Brot und Brötchen zu bezahlen? Also schrieb der Bäckermeister an die Tafel, dass das Kilogramm Brot von nun an 12 Euro und das Brötchen 2 Euro kosten solle.

Bei den Automobilen verhielt es sich kaum anders. Schon um die Aktionäre nicht zu enttäuschen, mussten Neuwagen, die vorher für 35.000 Euro verkauft wurden, jetzt mit 150.000 Euro bei den Händlern angeboten werden.

Damit aber nicht genug. Der Bäcker stellte voller Überraschung fest, dass seine Verkäuferin im Laden das bisschen Brot, das gebacken worden war, praktisch versteigerte, so dass das Kilo schon auch einmal für 25 oder 30 Euro über die Theke ging, wobei die Verkäuferin doch tatsächlich davon überzeugt war, der Mehrerlös sei ihr persönlicher Zuverdienst.

Dieses Szenario braucht nicht weiter verfolgt zu werden.

Der gleichmäßig verteilte Geldsegen würde in jedem Fall durch Preissteigerungen so lange entwertet, bis sich ein neues Gleichgewicht bildet, bei dem zugleich die Vermögensunterschiede – in Kaufkraft ausgedrückt – allmählich wieder ungefähr auf den Stand vor der Geldausschüttung zurückkehren würden.

Damit hat das Prinzip des Ausgleichs zwischen Angebot und Nachfrage einen klaren Sieg über das willkürlich vermehrte Geld davongetragen.

 

Ist das Geld also doch bloß ein Schleier?

So lange nur die Tauschfunktion des Geldes betrachtet wird, und unterstellt wird, es sei stets ausreichend Geld im Markt, um den Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage herstellen zu können, wobei durchaus auch erhebliche Preisschwankungen entstehen können, um ein Über- oder Unterangebot auf beiden Seiten zu kompensieren, ist die Sache mit dem Schleier, der eigentlich keine Bedeutung habe, sicherlich richtig. Dieser Tauschhandel könnte prinzipiell auch ohne Geld erfolgen, auch wenn dem ganz erhebliche bis unüberwindliche technische Schwierigkeiten entgegenstehen.

Es sind diese Schwierigkeiten, die das Zahlungsmittel „Geld“ in den Rang eines unverzichtbaren Gutes der Grundversorgung erheben, dessen Bereitstellung nicht privatwirtschaftlich organisierten, gewinnorientierten Unternehmen, sondern dem Staat überlassen werden sollte.

Tatsächlich ist es jedoch so, dass der Staat nur die Münzen beisteuert und an der Differenz zwischen Nennwert und Herstellkosten ein bisschen Geld verdient, während in unserem Finanzsystem den Banken die Rolle der Geldbereitstellung zugewiesen wurde.

Im Gegensatz zu den vom Staat geprägten Münzen, die so lange im Umlauf bleiben können, bis sie durch neue Prägungen ersetzt werden, so wie es bei der Währungsumstellung von der DM und den anderen europäischen Währungen auf den Euro geschehen ist, handelt es sich beim Bankengeld um flüchtiges Geld.

Wie ist das zu verstehen, flüchtiges Geld?

Im Grunde ganz einfach. Wer kein Geld hat, aber welches braucht, und sich an die Bank wendet, wird bei ausreichender Bonität von der Bank einen Kredit erhalten. Damit erhöht sich die im Umlauf befindliche Geldmenge, was zur Folge hat, dass die Kaufkraft der Nachfragenden steigt. Dies wiederum ermöglicht eine Mehrproduktion der Anbieter, so dass es im Normalfall immer dann zu einem Wirtschaftswachstum kommt, wenn die Banken bei der Kreditvergabe großzügig sind.

Der Pferdefuß dabei: Kredite müssen getilgt werden. Das mit dem Kredit geschaffene Geld fließt wieder an die Bank zurück und steht der Wirtschaft nicht mehr zur Verfügung. Am deutlichsten lässt sich das erkennen, wenn wir den Ratenkredit der Konsumenten betrachten. Die Bank gibt einen Kredit über 5.000 Euro, der Kreditnehmer kauft sich dafür das neue Schlafzimmer und muss dann drei Jahre lang monatlich 150 Euro für Zins und Tilgung an die Bank abdrücken.

Diese Raten stehen ihm schlicht nicht mehr zur Verfügung, auch niemandem sonst, abgesehen davon, dass die Bank dabei in den drei Jahren 400 Euro an Einnahmen für die Zinsen verzeichnet hat, die – nach Abzug der Kosten – den Gewinn der Bank mehren.

 

Die umlaufende Geldmenge schrumpft durch Tilgung

Es wird deutlich, dass die Banken mindestens im Umfang der erhaltenen Tilgungsleistungen neue Kredite ausreichen müssen, soll der Geldumlauf nicht schrumpfen, was zwangsläufig zu einem rückläufigen, schlimmstenfalls zu einem negativen Wirtschaftswachstum führt.

Wenn damit hinreichend aufgezeigt ist, dass „Geld“, bzw. die Verfügbarkeit von Geld, einen wichtigen Einflussfaktor für die konjunkturelle Entwicklung einer Volkswirtschaft darstellt, kann von einem „Schleier“ nicht mehr die Rede sein.

Es stellt sich heraus, dass Geld, schon in seiner Funktion als Zahlungsmittel, alleine durch den Umfang seiner Bereitstellung und durch die Auswahl der jeweils von der Bereitstellung Begünstigten ein nicht zu unterschätzendes Machtmittel darstellt, mit dem die freie Marktwirtschaft nach Belieben manipuliert und untergraben werden kann.

Nicht Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis, sondern die Liquidität bestimmt die Nachfrage und auf diesem Wege auch das Angebot, woraus sich letztlich Auswirkungen auf den Preis ergeben.

Das mag, von dieser Warte aus betrachtet, zunächst absonderlich erscheinen. Es ist aber nichts anderes als das reguläre Geschäft der Zentralbanken, die mit ihren Leitzins-Entscheidungen und weiteren geldpolitischen Instrumenten indirekt in die Liquiditätsversorgung eingreifen, indem sie die Geldschöpfungsfähigkeit der Geschäftsbanken ausweiten oder einschränken. Dass dies nur selten zu punktgenauen Ergebnissen in Bezug auf den Außenwert der Währung, auf die Kaufkraftstabilität oder die konjunkturelle Entwicklung gelingt, liegt daran, dass die Freiheiten der Geschäftsbanken ihre eigenen Strategien durchzusetzen, sehr viel größer sind als die Einflussmöglichkeiten der Notenbanken.

 

Nun endlich:

Der externe Kostenschock bei den fossilen Energieträgern

Die Preiserhöhungen bei  Erdgas und Erdöl, inzwischen auch bei Stein- und Braunkohle, verändern die Struktur der Liquiditätsströme und damit die Balance zwischen Angebot und Nachfrage auf vielen Teilmärkten. Auf das Wesentliche reduziert heißt das: Wir erleben eine Situation in welcher einem knappen Angebot zu wenig Liquidität gegenübersteht, um über den Preismechanismus zu einem Ausgleich zu gelangen, der noch ohne Hunger- und Erfrierungstote zu erreichen wäre.

Die Bundesregierung stand vor der Entscheidung, entweder ihre politische Strategie der Russland-Sanktionen aufzugeben und damit die Knappheit zu beenden, oder die notwendige Liquidität zu mobilisieren, um die Mindest-Versorgung der Bevölkerung mit sehr viel teureren Energierohstoffen aus anderen Quellen, bzw. über verschleierte Lieferwege zu ermöglichen.

 

Die Gaspreisbremse

Beim Gas hat man hat sich dafür entschieden, Liquidität bereitzustellen und diese, ohne den Umweg über die Verbraucher, direkt an die Händler abzuführen. Die über massive Neuverschuldung geschaffene/zu schaffende Liquidität gelangt jedoch nicht in den Binnenmarkt sondern fließt zu einem ganz erheblichen Teil an ausländische Produzenten, Händler und Transporteure ab. Das frisch geschaffene Geld ist also, ganz ohne dass schon ein Cent getilgt wäre, weitgehend aus den realwirtschaftlichen Kreisläufen des Binnenmarktes verschwunden und kann nicht dazu beitragen, weitere Transaktionen im Binnenmarkt zu ermöglichen.

Da die Gaspreisbremse jedoch nur einen Teil der Mehrkosten der Konsumenten abfängt

und auch nicht gegen die Kostensteigerungen der Wirtschaft wirkt, die in den Preisen an die Endverbraucher im Binnenmarkt, aber auch an die Exportkunden im Ausland weitergegeben werden müssen, womit an beiden Fronten die Nachfrage zurückgeht,

sind Anpassungen auf der Angebotsseite unvermeidlich. Das bedeutet: Produktionseinschränkungen, Betriebsstilllegungen, Insolvenzen und Anstieg der Arbeitslosigkeit mit weiterem Rückgang der Liquidität und damit der Nachfrage.

Von Konfuzius ist die Weisheit überliefert:

Gib einem Mann einen Fisch und du ernährst ihn für einen Tag. Lehre einen Mann zu fischen und du ernährst ihn für sein Leben.

Die Gaspreisbremse entspricht dem Fisch des Konfuzius, mit dem die gasverbrauchende Bevölkerung über einen Winter gebracht wird. Danach ist das Geld weg und an der Energieversorgung hat sich nichts zum Guten verändert.

 

Der Ölpreisdeckel

Mit dem Versuch, einen Käuferstreik zu organisieren, der zum Ziel hat, den Anbieter zu zwingen, zu einem Preis von maximal 60 $ pro Fass zu verkaufen, wird ein völlig anderer Weg beschritten. Es wird keine Liquidität geschaffen, es gibt keine Zuschüsse und Hilfen für die Verbraucher, stattdessen soll „Marktmacht“ helfen, den Preis zu drücken, indem sich die EU und die G7-Staaten zu einem Einkaufskartell zusammenschließen, das darüber hinaus Versicherungen und Transportunternehmen mit erheblichen Strafen bedroht, sollte Öl aus Russland zu höheren Abgabepreisen versichert oder verschifft werden.

Dass man hier nicht ebenfalls einen Ölpreisdeckel beschließt und mit noch mehr Neuverschuldung die notwendigste Versorgung sicherstellt, ist ebenso unverständlich, wie der Anschluss an die G7-Linie, der für Deutschland und die EU keinerlei Vorteile mit sich bringt.

Für die USA, Großbritannien und Kanada,

die allesamt kein Problem mit der Ölversorgung haben, weil sie entweder auf eigenem Territorium genügend Öl fördern können, oder eben über einen exklusiven Zugang zu reichlich sprudelnden ausländischen, nichtrussischen Quellen verfügen, die zur Bedarfsdeckung ausreichen,

ist die Vergrößerung des antirussischen Kartells insofern von Vorteil, weil der vermutete Schaden für Russland damit größer ausfallen wird.

Dies ist ein hochriskantes Spiel, und der Ausgang ist absehbar.

Russland hat bereits angekündigt, keinen der Staaten noch mit Öl zu beliefern, die sich diesem Kartell angeschlossen haben. Damit ist eine Lage entstanden, die es Russland unmöglich macht, von dieser Entscheidung zurückzutreten, weil jedes Eingehen auf diese 60$-Marke unmittelbar die weitere Absenkung des Höchstpreises für russisches Öl zur Folge hätte.

Auf der anderen Seite werden sich die EU und auch Japan mit stark steigenden Weltmarktpreisen für Öl konfrontiert sehen, weil das Kartell die ausbleibenden russischen Lieferungen aus anderen Quellen ersetzen muss. Die OPEC, in der Saudi-Arabien in letzter Zeit eng mit Russland zusammenarbeitet, wird nicht von sich aus auf eine Erhöhung der Fördermengen zusteuern, so dass der Weltmarktpreis die 100 $-Marke spätestens im Januar 2023 überschreiten wird.

Damit verbunden ist wiederum ein massiver Liquiditätsabfluss aus Deutschland und der EU in Richtung der nichtsanktionierten Förderstaaten. Um die Wirtschaft überhaupt am Laufen zu halten, werden auf diesem Wege jene weiteren öffentlichen Kreditaufnahmen im hohen dreistelligen Milliardenbereich, die man mit dem Preisdeckelkartell vermeiden wollte, unumgänglich werden.

Konfuzius lässt auch an dieser Stelle grüßen.

 

Wer trägt die Schulden?

Die privaten Haushalte werden diese Schuldenlast nicht schultern können, einerseits weil sie angesichts der Inflation eher versuchen, große Ausgaben zu vermeiden, andererseits weil die Inflation bei unzureichender Nettolohn-Entwicklung heftig an der Bonität knappert, so dass die Banken nicht mehr jedem Kreditwunsch folgen werden, der noch vor zwei Jahren genehmigt worden wäre.

Die Wirtschaft kann diese Schuldenlast ebenfalls nicht schultern, weil sie in der zweifellos eingetretenen Rezession nicht an das Investieren in neue Produkte, Maschinen und Anlagen denkt, sondern versucht, mit geringstmöglichen Ausgaben für den Erhalt des Geschäfts über die Runden zu kommen.

Es muss also wieder der Staat in Vorleistung gehen und dieses Mal nicht nur die Ölrechnung finanzieren, sondern obendrein ein Konjunkturprogramm auflegen, das Liquidität in den Binnenmarkt bringt.

Dass die Neuverschuldungsorgie inzwischen allerdings einen Punkt erreicht hat, mit dem die neuen Sondervermögen nicht mehr bei jedem Wumms des Kanzlers aus dem Hut gezaubert werden können, zeigt sich alleine schon daran, wie massiv die Erbschaftssteuer erhöht wird und dass mit der neuen Grundsteuer den Gemeinden Gelegenheit gegeben werden soll, sich durch die Hintertür und bei sinkenden Gewerbesteuer-Einnahmen über die Haus- und Grundbesitzer zu entlasten.

Inwieweit dies gelingen wird, ist allerdings mit einem Fragezeichen zu versehen. Dieses Fragezeichen steckt im Immobilienmarkt selbst. Den Blasen in den Ballungszentren geht bereits die Luft aus, der Neubausektor verzeichnet massive Auftragsrückgänge und sobald die ersten Erbengemeinschaften Omas Häuschen versilbern müssen, um die Erbschaftssteuer zahlen zu können, werden auch in diesem Segment die Verkehrswerte in den Keller gehen, so dass schon bald die alten Freibeträge ausreichen könnten, um die neuen Steuersätze unwirksam werden zu lassen.

 

Staatsbankrott?

Lassen Sie es mich in aller Deutlichkeit ausdrücken: Im Grunde ist der Staatsbankrott  bereits eingetreten.

Wir stehen da, wie nach einem verlorenen Weltkrieg, die halbe Welt hat unsere Schuldscheine im Portfolio und wird durch die verheerenden Wirtschaftsdaten (Inflation, Arbeitslosigkeit, Rezession, Neuverschuldung) geradezu gezwungen, die Rückzahlung einzufordern, während Kredite internationaler Gläubiger nur noch gegen hohe Risikoaufschläge zu haben sind.

Damit rutschen die Kurse der alten Staatsanleihen, die noch zum Nullzins ausgegeben wurden, in den Keller, was bei Banken und Versicherungen, die diese Papiere als Langläufer in der Aktiva stehen haben, eine bedrohliche Schieflage auslösen wird. Auch auf dem Aktienmarkt wird sich sehr schnell die Spreu vom Weizen trennen und alle Unternehmen bitter bestrafen, bei denen auch nur der geringste Verdacht auf einen Gewinneinbruch bestehen wird.

 

Wie hat das angefangen?

Auslöser des ganzen Dramas ist die an das Ausland abgeflossene und weiter abfließende Liquidität, die durch die Exporterlöse nicht mehr kompensiert werden kann, weil unsere Energierechnung wettbewerbsfähige Preise nur noch in einigen Spezialsegmenten ermöglichen wird.

Ursächlich für den Abfluss der Liquidität war der Verzicht auf die Kernenergie, der sich nur so lange nicht  in der Zahlungsbilanz niedergeschlagen hat, wie preiswertes russisches Gas bezogen werden konnte.

Mit den Russland-Sanktionen,

die nur in einer gewaltigen Selbsttäuschung über die wirtschaftlichen und militärischen Machtverhältnisse zwischen den USA und der Russischen Föderation von deutschen Politikern mitgetragen werden konnten, und die von der Hoffnung beflügelt gewesen sein müssen, Russland binnen kurzer Zeit so zu schwächen, dass die blanke Not Putin zwingen würde, sich aus der Ukraine zurückzuziehen und die Energielieferungen zu Niedrigstpreisen wieder aufzunehmen,

wurde die grünlackierte Falltür geöffnet, auf der Deutschland, mit dem Strick um den Hals, in naiver Zuversicht Stellung bezogen hatte.

 

Die Balance zwischen Angebot, Nachfrage und Liquidität

Angebot, Nachfrage und Liquidität müssen in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen, wobei Angebot und Nachfrage in einem geschlossenen Markt im Prinzip die komplette Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft ausschöpfen können, wenn die Banken die erforderliche Liquidität bereitstellen.

Geht die Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft zurück, zum Beispiel weil auf die eigene Erzeugung von Energie verzichtet wird, sollte damit auch die Liquidität zurückgenommen werden, um im Gleichgewicht zu bleiben.

Der Verzicht auf Produktion ist immer mit einem Verzicht auf (materiellen) Wohlstand verbunden.

Soll die Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft bei stark verteuerten Energie-Importen erhalten werden, was schon alleine deshalb angestrebt werden muss, um später die Lasten der Entschuldung tragen zu können, muss der gesamte zusätzliche Liquiditätsabfluss ins Ausland durch frisches Geld – also durch Kredite oder zusätzliche Exporterlöse – ersetzt werden.

Gelingt dies nicht, bricht der Binnenmarkt zusammen, weil die Privaten, zum Erhalt des Lebensstandards damit beginnen, ihre Ersparnisse anzugreifen und sich von Sachwerten zu trennen. Wertpapierdepots werden sukzessive aufgelöst, Immobilien belastet oder veräußert, was in der Breite Kursverluste und schnell sinkende Immobilienpreise auslöst, also zu einer Zerstörung der Nominalwerte des Vermögens führt. Dieser Prozess könnte sich über mehrere Jahre hinziehen, wäre die gesamte Bevölkerung so mit Ersparnissen ausgerüstet, dass auch einmal eine längere Durststrecke überstanden werden kann. Dies ist in Deutschland aber nicht der Fall.

Der Staat wird also – wenn die Exporterlöse ausbleiben und die notwendigen Kredite nicht aufgenommen werden können, um spätere Zinszahlungen erträglich zu halten – verschärft zu Umverteilungsmaßnahmen greifen, also die Steuern und Abgaben erhöhen, um aus diesem Aufkommen die Alimentierung der Sozialleistungsempfänger fortsetzen zu können. Vermutlich wird allerdings die mit der Einführung des Bürgergeldes verbundene Erhöhung der Regelsätze für lange Zeit die letzte bleiben, es ist eher damit zu rechnen, dass die Leistungen brutal gekürzt werden müssen. Gleiches gilt für die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und die Bundeszuschüsse zu den anderen Sozialversicherungen.

 

Auch in der Physik beginnt der freie Fall ganz langsam.

In der ersten fünfzigstel Sekunde geht es auf der Erde gerade einmal um 2 Millimeter abwärts. Nach einer Zehntelsekunde sind es 49 Millimeter und die erreichte Geschwindigkeit entspricht mit 3,5 km/h in etwa der eines flotten Spaziergängers. Nach 0,71 Sekunden ist mit 25 km/h die Radfahrer Geschwindigkeit erreicht – und da ungefähr dürften wir uns in Bezug auf die deutsche Volkswirtschaft jetzt befinden. Ob da allerdings schon der feste Boden zu erwarten ist, der den Absturz gerade noch glimpflich enden lässt, wage ich zu bezweifeln.

Statt die Eigenproduktion zu erhöhen, zum Beispiel durch die forcierte Erschließung der deutschen Gaslagerstätten per Fracking, sieht man zu, wie sich Teile der energieintensiven Industrie bereits in Richtung Ausland absetzen.

Statt endlich wieder mit den sechs noch funktionsfähigen Atomkraftwerken ans Netz zu gehen, wird man die letzten drei noch arbeitenden am 15. April 2023 abschalten.

Statt zu versuchen, die Energienutzung durch die Industrie und die Konsumenten nachhaltig zu verbilligen, indem der Staat sowohl auf die Stromsteuer als auch auf die Mehrwertsteuer verzichtet und zudem dafür sorgt, dass keine neuen, das Netz destabilisierenden Solar- und Windkraftanlagen mehr angeschlossen werden, sondern stabile, grundlastfähige Kraftwerke dauerhaft aus der Reserve geholt und in den Normalbetrieb überführt werden, wird der kostspielige Ausbau der „Erneuerbaren“ weiter vorangetrieben und der Preis für Strom, Benzin und Diesel noch zusätzlich mit einer CO2-Umlage belastet.

Dies alles reduziert die Kaufkraft der Nachfrage und erhöht die Kosten der Wirtschaft und dies über alle Branchen hinweg. In diesem Szenario können höhere Löhne nur die Preise in die Höhe bleiben, aber den Reallohnverlust nicht ersetzen. Denn: Die Lohnerhöhung bringt keine zusätzliche Leistung, keinen Produktivitätszuwachs, kein zusätzliches Angebot hervor, und zusätzliche Beschäftigung, die zusätzliches Angebot schaffen könnte, ist im erforderlichen Umfang außerhalb der Dienstleistungsbranche nicht zu erwarten. Die Dienstleister sind jedoch alleine – ohne Produktion – nicht überlebensfähig. Da helfen alle neuen Stellen beim Staat, bei den Paketboten und in den Verteilzentren nicht weiter. Deren Lohn muss vorher von anderen erwirtschaftet werden.

 

Die Illusion, Deutschland sei das Schlaraffenland, mit tausend guten Feen, die allesamt die Familiennamen „Netto-Neuverschuldung“ oder „Sondervermögen“ tragen, ist nicht mehr aufrecht zu erhalten. Wir haben weder die versprochene preiswerte Energie aus der Energiewende um noch wettbewerbsfähig produzieren zu können, noch haben wir den Platz, schon gar nicht in Form von Wohnraum, für alle mit Einbürgerungsversprechen, Chancenkarte und besten Sozialleistungen angelockten Migranten. Was wir noch haben, ist Kredit, doch so, wie das Geld mit vollen Händen aus den Fenstern geworfen wird, um die bereits geöffnete Büchse der Pandora über diesen Winter noch unsichtbar zu machen, wird es auch da ein ernüchterndes Erwachen geben.

Dann werden wir uns verwundert bis entsetzt die Augen reiben und feststellen:

Wir schaffen das nicht.

Und hoffentlich erkennen dann möglichst viele bei näherem Hinsehen, dass es auch gar keinen Sinn macht, das schaffen zu wollen, was aus dem grünen Parteiprogramm in die Koalitionsvereinbarung gelangt ist und fast jeden noch vernünftigen Ansatz daraus verdrängt hat. Einen Schritt weiter lauert dann die Erkenntnis:

Die schaffen das nicht.

 

Dass dieser Erkenntnis Taten folgen werden, ist leider keineswegs sicher. Dafür findet sich so schnell keine Mehrheit.

 

Der österreichische Schriftsteller Heimito von Doderer, spricht mir mit seiner aphoristischen Analyse über die Deutschen aus dem Herzen:

„Die Deutschen kommen mir vor wie die Durchgefallenen nach einer Prüfung, welche sich zusammensetzen und in der Illusion zusammenfinden, als hätten sie diese Prüfung noch vor sich.“