Manuela Schwesig – das Bauernopfer

Es ist nicht so, dass ich besondere Sympathie für Frau Schwesig empfände.

Doch das Spiel, das  jetzt um sie und mit ihr gespielt wird, ist nur noch abstoßend. Frau Schwesig hat sich für die neue Gaspipeline North Stream 2 eingesetzt und eine „trickreiche“ Stiftungskonstruktion geschaffen, die es ermöglichen sollte, die von den USA gegen die zuverlässige Energieversorgung Deutschlands verhängten Sanktionen zu unterlaufen.

Das war „Handeln im Sinne deutscher Interessen“. Es war die eine Hälfte jenes Spagats, mit dem

  • sowohl der Ausbau der so genannten „erneuerbaren“ Energien weiter vorangetrieben werden sollte, und dies  hauptsächlich, um mit dem Abwracken funktionierender und sicherer Atom- und Kohlekraftwerke den Bedarf an Windkraft- und Fotovoltaik-Anlagen, samt der zusätzlich erforderlichen, aufwändigen Netzinfrastruktur, auszulösen, was wiederum dazu dienen sollte, im „gesättigten Markt“ ein neues, gigantisches Wachstum auszulösen,
  • als auch die Sicherheit der Energieversorgung durch hunderte neue Gaskraftwerke – noch ein Wachtumsimpuls – gewahrt bleiben sollte,  indem die Gaskraftwerke immer dann anspringen, wenn Sonne und Wind nicht liefern.

Wenn schon 100 Prozent Erneuerbare, dann wenigstens auch 100 Prozent Backup per Gasturbine.

Wenn man mir jetzt erzählen will, Frau Schwesig habe ihren Plan zur Fertigstellung und Inbetriebnahme von North Stream 2  ganz alleine, und unter Anleitung russischer Berater und Interessenvertreter ausgeheckt und umgesetzt, dann kann ich nur lachen. Das Thema North Stream 2 war und ist für die deutsche Umwelt- und Wirtschaftspolitik von herausragender Bedeutung und zudem international so „aufgeladen“, dass ein derartiger Alleingang vollkommen ausgeschlossen scheint. Ich bin überzeugt: Frau Schwesig wurde ausgewählt, sich in dieser Angelegenheit zu engagieren, weil die neue Pipeline in dem Bundesland an Land geht, das von Frau Schwesig regiert wird. 

Schließlich ist dies alles noch zu Zeiten der GroKo ausgeheckt und beschlossen worden. Es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn Angela Merkel davon nichts gewusst haben sollte. Im Gegenteil: Es darf mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die seinerzeitige Bundeskanzlerin diesen Plan gebilligt, wenn nicht gar selbst angeregt hat.

Auch als Joe Biden höchstselbst verkündete, die USA verfügten über Möglichkeiten, die Inbetriebnahme von North Stream 2  zu verhindern,

was durchaus so klang, als sei die Zerstörung der Röhre mit Waffengewalt gemeint, so wie seinerzeit die Zerstörung der Libyschen Wasserversorgung aus „unerschöpflichen“ Grundwasserreservaten durch die Truppen von USA, Großbritannien und Frankreich,

blieb die deutsche Polit-Szene immer noch bemerkenswert ruhig. Man hat – so mein Eindruck – die Drohung zur Kenntnis genommen, wollte es aber letztlich darauf ankommen lassen, ob Biden Ernst machen würde.

Mit dem Beginn der Invasion russischer Truppen in der Ukraine begann eine antirussische Propaganda-Kampagne, die alles übertrifft, was ich in meinem Leben bisher wahrgenommen  habe. Denn es ging nicht nur darum, die politische Führung, die den Militäreinsatz befohlen hatte, aufs Schärfste anzugreifen und zu diskreditieren. Es war, praktisch von einem Tag auf den anderen alles Russische, ob nun Sportler oder Dirigenten, ob Künstler oder Schriftsteller (auch längst verstorbene), zum „Abschuss“ freigegeben, während die Ukraine und alles Ukrainische urplötzlich zu Heiligen verklärt wurde, obwohl  es die Ukraine war, die acht Jahre lang nicht aufhörte, gegen die Verabredungen  von Minsk zu verstoßen und die Separatistengebiete Donezk und Luhansk zu bekämpfen und zuletzt sogar die Aufrüstung mit Atomwaffen angekündigt hat.

Es ist müßig, zu wiederholen, dass das geostrategische Interesse der USA, die Ukraine in die NATO zu holen und gegen Russland in Stellung zu bringen, maßgeblicher Auslöser für den Konflikt um die Ukraine gewesen ist. Es ist ebenso müßig, zu wiederholen, dass Russlands Präsident Putin mehrmals klar und unmissverständlich darauf hingewiesen hat, wo für Russland die „roten Linien“ liegen, die der Westen nicht überschreiten sollte. Doch auch hier hat man die Drohung zwar zur Kenntnis, aber eben nicht ernst genommen, bzw. sogar darauf gehofft, dass Russland eingreift, um damit das gewünschte Feindbild zeichnen zu können.

Von daher wird verständlich, mit welcher Vehemenz nun nicht nur propagandistisch gegen Russland geschosssen wird, sondern auch versucht wird, die russische Wirtschaft mit Sanktionen, die bis hin zur Beschlagnahme dreistelliger russischer Milliarden-Guthaben bei westlichen Banken reichen, schwer zu beschädigen, und im Gegenzug die Ukraine mit Waffen und Munition geradezu zu überschütten, um den Krieg möglichst lange heiß zu halten und damit Russlands militärische Kräfte zu schwächen.

Nun fordert Herr Selenski, der nach wie vor nichts dagegen unternommen hat, dass trotz der „militärischen Sonderoperation“ Russlands wesentliche Teile der Energieversorgung der Ukraine weiterhin mit russischem Erdgas aufrecht erhalten werden, Deutschland möge sofort auf die Lieferung russischen Gases verzichten.

„Chuzpe“ ist wohl das richtige Wort, um dieses Verhalten zu beschreiben.

Und schon springt ihm die Tagesschau bei und vermeldet unter dem Titel „Panikmache, die nicht belegt werden kann„, eine Studie habe ergeben, dass Deutschland auch einen sofortigen Verzicht auf russisches Gas verkraften könne. Es gäbe nur eine kleine Delle von 0,5 bis schlimmstenfalls 6 Prozent  im Wirtschaftswachstum. Ich habe mich zu dieser  vor blindem Opitimismus strotzenden Studie schon am 28. März geäußert. Sie können das hier noch einmal nachlesen.

Schade, dass der griffige Begriff „Transen“ schon anderweitig vergeben ist, ich hätte ihn sonst gerne auf die so genannten „Transatlantiker“ angewendet, die ja nun nicht nur in äußerster Friedenswilligkeit für die Lieferung deutscher schwerer Waffen an die Ukraine plädieren und dabei vergessen, dass die Frage, ob Deutschland als Nachfolger des Deutschen Reiches und Russland als  Nachfolger der Sowjetunion sich nicht immer noch im Zustand des Waffenstillstands befinden, wie er im Mai 1945 durch die Kapitulation der Wehrmacht entstanden ist (Peter Haisenko hat dazu hier Interessantes veröffentlicht), sondern sich ebenso vehement für einen sofortigen Lieferstopp russischer Energierohstoffe, also Kohle, Öl und Erdgas einsetzen.

Frieren für die NATO, frieren für Joe Biden, frieren für den Deep State, frieren für die Falken, frieren für die Waffenschmieden, das alles wären die korrekten Übersetzungen für den verlogenen Slogan „Frieren für den Frieden“.

Frau Schwesig hatte das Pech, nachdem die jüngste Geschichte frisch umgeschrieben worden war, nachträglich feststellen zu müssen, im neuen Kontext zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen zu sein. Da kommt sie auch nicht wieder raus. Selbst wenn Deutschland nun schwere Waffen liefert und Putin als Reaktion beschließen sollte, von sich aus die Gaslieferungen einzustellen, wird man dies Frau Schwesig hohnlachend als Beweis für die Unzuverlässigkeit Russlands unter die Nase reiben.

Johann Wolfgang von Goethe,
Faust, Der Tragödie erster Teil
Auerbachs Keller

Altmayer.
A! tara lara da!

Frosch.
Die Kehlen sind gestimmt.
Das liebe, heil’ge Röm’sche Reich,
Wie hält’s nur noch zusammen?

Brander.
Ein garstig Lied! Pfuy! ein politisch Lied!
Ein leidig Lied! Dankt Gott mit jedem Morgen
Daß ihr nicht braucht für’s Röm’sche Reich zu sorgen!
Ich halt’ es wenigstens für reichlichen Gewinn,
Daß ich nicht Kaiser oder Kanzler bin.