Deutschland ausgebremst

PaD 44 /2023 – Hier auch als PDF verfügbar: Pad 44 2023 Deutschland ausgebremst

Deutschland ausgebremst

Das Bundesverfassungsgericht hat gesprochen und damit einen 60 Milliarden-Euro-Strich durch die Finanzierungspläne der Ampel gezogen. Jubel bei der parlamentarischen und der außerparlamentarischen Opposition, Jubel auf den einschlägigen Blogs und verstärkt aufkeimende Hoffnung auf das Ende der ersten deutschen Vollklima-Regierung  mengten sich zwischen die besorgte Frage: „Wie soll es denn nun weitergehen?“

Dazu ist zunächst einmal festzuhalten, dass es sich hier um einen Schadensfall handelt, der nicht nur die Ampel betrifft, nicht nur den Finanzminister, auch nicht speziell den Klimaminister, auch nicht nur das deutsche Volk, sondern die gesamte deutsche Bevölkerung, nicht nur die Wind- und Solarbranche, die E-Mobilisten und die Wärmepumpengewinner, sondern die gesamte deutsche Volkswirtschaft und mit ihr auch alle in Deutschland tätigen Unternehmen in ausländischem Besitz, und nicht zuletzt sämtliche auf Zahlungen aus Brüssel angewiesenen Mitgliedsländer der EU.

Jetzt übertreibt er aber, der Kreutzer …!

Ach, meinen Sie?

Dann  wollen wir die Angelegenheit doch einmal miteinander aufdröseln. Dazu ist es erforderlich, sich an jenen Punkt zu begeben, an dem  die Lunte  gelegt  wurde, die jetzt das Pulverfass zum Explodieren gebracht hat.

Wir  stehen jetzt  vor der „schwäbischen Hausfrau“, die einst als Ideal  für vorbildliches Wirtschaften aufgebaut worden war, um das „elendigliche Schuldenmachen“ zu beenden, um nicht mehr länger heute schon zu verprassen, was unsere Kinder und unsere ungeborenen Enkel und Urenkel in ferner Zukunft erst noch erwirtschaften müssen.

Schönes Gedöns für das dumme Volk, das seit jeher mehr Ahnung vom Tuten und Blasen hat als von Geld und Geldschöpfung, Schulden und Liquidität, Inflation und Deflation.

Alles, was mit der deutschen Schuldenbremse jemals erreicht werden konnte  –  und das  erkläre ich gleich noch – war es, Deutschland dazu zu zwingen, sein Tafelsilber, das Volksvermögen, bestehend aus Immobilien und mannigfaltigen Einrichtungen der Infrastruktur, privaten Investoren für eine Handvoll Silberlinge als zusätzliche Quelle sprudelnder Renditen in den Rachen zu werfen.

Um das verstehen zu können, ist es  erforderlich, sich mit dem Begriff „Liquidität“ näher zu beschäftigen.

Liqudität beschreibt diejenige Menge Geld, die zu einem bestimmten Zeitpunkt von der Gegenwart bis in die überschaubare Zukunft verfügbar sein wird, um damit Zahlungen leisten zu können. Unternehmen, die vernünftig geführt werden, wenden daher einiges an Gehirnschmalz für die so genannte „Liquiditätsplanung“ auf. Das heißt: Alle erwarteten Einnahmen und alle erwarteten Ausgaben, werden auf einer Zeitreihe nebeneinander gestellt und permament saldiert. So lange in dieser Vorausschau die Einnahmen die Ausgaben übersteigen, ist alles  gut und man kann überlegen, ob nicht Teile des Überschusses aus der Liquidität herausgenommen und gewinnbringend angelegt werden könnten. Droht jedoch zu einem gewissen Zeitpunkt in der Zukunft absehbar eine Liquiditätslücke, muss entweder vorsorglich über Ausgabenbeschränkungen nachgedacht werden, oder das Gespräch mit der Hausbank gesucht werden, um vor dem Eintreten der problematischen Liquiditätslage die Zusage für einen Überbrückungskredit zu erhalten.

In Bezug auf den Bundeshaushalt sieht das nicht anders aus. Man stellt die unumgänglichen Ausgaben, die sich aus gesetzlichen Verpflichtungen einschließlich Schuldendienst ergeben, und die Informationen über die zu erwartetenden Einnahmen, die von der Steuerschätzung geliefert werden, nebeneinander. Bleibt Luft, kann über zusätzliche Ausgaben, seien es Investitionen oder die Ausweitung von Sozialleistungen, nachgedacht werden. Tun sich Haushaltslöcher oder ganze Abgründe auf, stehen dem Finanzminister grundsätzlich drei Wege offen:

  • Ausweitung der Neuverschuldung, das ist eigentlich der einfachste Weg,
  • Verkauf von Staatseigentum, was in der Regel etwas komplizierter ist, oder
  • Steuererhöhungen, was bei den Wählern allerdings meist nicht besonders gut ankommt.

Dann sollen sie halt vernünftig wirtschaften …!

Das ist leichter gesagt als getan.

Dazu muss verstanden werden, dass die Liquiditätsentwicklung auf der volkswirtschaftlichen Ebene Einflüssen unterworfen ist, von denen die sparsame schwäbische Hausfrau kaum etwas weiß. Wenn der schwäbische Hausmann allmonatlich seinen Arbeitslohn als Haushaltsgeld bei seiner Frau abliefert, dann wird die damit schon auszukommen wissen. Es muss nicht immer Rinderfilet sein, die Schuhe halten auch noch ein Jahr, und wenn es sein muss, dann geht die nächste Urlaubsreise halt nach Balkonien und Freibadien, statt auf die Malediven.  Was das mit dem Metzger, mit dem Schuhhändler und dem Reiseveranstalter macht, muss die schwäbische  Hausfrau nicht bedenken.

Ein Finanzminister und vor allem ein Wirtschaftsminister müssen sich darüber allerdings den Kopf zerbrechen, sonst geht die Volkswirtschaft über kurz oder lang in die  Knie.

Alleine das Sparen von Millionen schwäbischer Hausfrauen würde nämlich eine Liquiditätskrise in der Wirtschaft und wegen entgangener Steuereinnahmen auch in der Staatskasse auslösen. Wenn Konsumenten, Wirtschaft und Staat weniger Geld zur Verfügung haben, geht die Wirtschaftsleistung zurück, weil schlicht das Geld fehlt, um alle Produkte und Leistungen bezahlen zu können. Wo es noch geht, werden die Preise gesenkt, was sich mittelfristig als Deflation bemerkbar machen wird, und wo es nicht mehr geht, werden Kapazitäten ab und damit die Arbeitslosigkeit aufgebaut.

Wie kommt es nun aber dazu, dass die Liquidität schrumpft?

Da ist zunächst einmal die vertrackte Sache mit der Tilgung. Stellen Sie sich vor, Sie hätten sich vom reichen Erbonkel Hans 10.000 Euro geborgt, um Ihrer Frau den Wunsch nach einer neuen Küche erfüllen zu können. Erbonkel Hans hat  das Geld bündelweise im Tresor hinter dem Bild mit dem röhrenden Hirsch in seinem Schlafzimmer. Er braucht das nicht. Seine regelmäßigen Einnahmen sind so hoch, dass er Monat für Monat immer noch ein weiteres Bündel Scheine in den Tresor legen kann. Manche würden sagen: Er hortet Geld. So lange das Geld im Tresor schlummert, ist es  dem Wirtschaftskreislauf entzogen, die im Markt verfügbare  Liquidität schrumpft mit jedem Tausender, den Onkel Hans „spart“.

Mit dem Darlehen, dass er Ihnen gewährt hat, ist Liquidität in den Wirtschaftskreislauf zurückgekommen. Sie haben selbst davon wenig, außer der neuen Küche. Aber der Möbelhändler kann davon Löhne bezahlen, die Miete für seine Schauräume und die Rechnung eines Lieferanten. Von den Löhnen bekommen Staat und Sozialkassen ihren Anteil, danach fließt das Geld der Mitarbeiter des Möbelhauses in Supermärkte und Tankstellen. Der Hersteller  der Küchenmöbel  hat auch wieder Geld, um seine Rechnungen zu bezahlen. Die Krankenversicherung bezahlt Medikamente, die Rentenversicherung kann Renten auszahlen, und so weiter, und so weiter.

Die Liquidität bewegt sich durch die Volkswirtschaft und könnte theoretisch unendlich oft benutzt werden, gäbe es nicht neben Onkel Hans noch eine ganze Reihe weiterer Menschen, die ebenfalls mehr einnehmen als sie ausgeben, und ihr Geld in den Tresor legen können,  womit sie der Wirtschaft durch Hortung Liquidität entziehen. Und natürlich gibt es auch Onkel Hans selbst, der sein Geld  wiederhaben will, weshalb Sie sich jetzt für eine Weile in ihrem Konsum einschränken, bis sie – nach einem Jahr – mit zwölf Monatsraten  á  900 Euro ihre Schuld, nebst 800 Euro  Zinsen, beglichen haben.

Sie sehen, die Liquidität ist wieder weg. Es ist sogar mehr weg, als ursprünglich zur Verfügung gestellt wurde. 10.800 Euro sind bei Onkel Hans gelandet, wo  sie wieder im Tresor liegen, und was von der Liquidität auf ihrem Weg durch die Wirtschaft sonst noch „gespart/gehortet“ wurde, dürfte ebenfalls zwischen 500 und 1.500 Euro ausmachen.

Übertragen wir das Beispiel in die Größenordnungen  der Volkswirtschaft, dann  sprechen wir nicht mehr von Onkel und Neffe, sondern von Banken und Kreditnehmern, nicht von ein paar Tausend Euro, auch nicht von Millionen oder Milliarden, sondern wir bewegen uns im Bereich von Billionen Euro von Schulden, für die laufend Tilgung und Zinsen fällig werden, was die im Markt verfügbare Liquidität binnen kürzester Zeit zum Verschwinden bringen würde, gelänge es nicht, diese Liquidität durch erneute Neuverschuldung wieder in Umlauf zu bringen.

Tilgung und Hortung sind allerdings nicht die einzigen Prozesse, die Liquidität aus dem Markt abziehen. Jeder Import aus dem Ausland zieht Liquidität aus dem Binnenmarkt ab. Jede Investition deutscher Unternehmen im Ausland, ob nun in den USA, in China, in Polen, Ungarn oder der Ukraine, zieht Liquidität aus dem Binnenmarkt ab, auch mit der Urlaubsreise ins Ausland, verschwindet  Liquidität aus dem Binnenmarkt. Der schwächelnde deutsche Export hat kaum noch die Kraft, dem entgegenzuwirken, und bis vom merklich geschrumpften Exportüberschuss noch 60 Milliarden als Steuereinnahmen beim Staat ankommen, das kann dauern.

Beginnen Sie jetzt zu ahnen, welchen Schaden das Verfassungsgericht für Deutschland und die EU anrichten musste, weil schwäbische Hausfrauen sich eingebildet haben, die Schuldenbremse ins Grundgesetz schreiben zu müssen?

Die 60 Milliarden, die jetzt nicht ausgegeben werden können, waren ja noch gar nicht in der Bundeskasse. Da lag nur ein Zettel, unterschrieben vom Deutschen Bundestag, auf dem geschrieben stand: Wir ermächtigen die Regierung zur Behebung der Folgen der Corona-Pandemie noch 60 Milliarden neuer Schulden aufzunehmen.

Es sind nicht die Ausgaben verboten worden, es wurde der Regierung ledglich verboten, zur Finanzierung der Klimaschutz-Ausgaben von dieser Kreditermächtigung Gebrauch zu machen.

Nun kann man über den Sinn der Klimaschutzaufwendungen trefflich streiten, das ist hier aber nicht der Punkt.

Der Punkt ist, dass die von der Bundesregierung fest eingeplante und möglicherweise für Deutschlands Wirtschaft lebensrettende Liquiditätsspritze nicht mehr verabreicht werden kann, weil die dafür erforderlichen Kredite nicht aufgenommen werden dürfen.

Wenn der Staat sich nicht verschulden darf, um die Liquidität bereitzustellen, die nun einmal benötigt wird, um die Leistungen der Wirtschaft bezahlen zu können, müssen sich entweder die Unternehmen oder die privaten Haushalte verschulden.

Bei den Unternehmen sieht es relativ schlecht aus. Die Indikatoren für die wirtschaftliche Entwicklung weisen nach unten, viele sitzen bereits auf gepackten Koffern, um ins Ausland abzuwandern, doch selbst wenn sie wollten, gibt es ein Problem mit den Banken, die in Anbetracht der gesamtwirtschaftlichen Lage  bei der Kreditvorgabe vorsichtiger  geworden sind.

Auch die Masse der Konsumentenhaushalte wird aufgrund der unsicheren Lage eher darauf verzichten, sich noch weiter zu verschulden. Auch bei diesen nagt die Inflation an den verfügbaren Einkommen, und am Geldvermögen sowieso. Die Annahme, das Gebäudeenergiegesetz würde  die Hausbesitzer schon zur Neuverschuldung zwingen, und dies eben in viel höherem Maße als bisher angenommen, weil die staatlichen Hilfen für die Umrüstung viel  geringer ausfallen oder gar ganz gestrichen werden, ist ein Trugschluss. Das GEG wird sich nicht durchsetzen lassen, weil schlicht unbezahlbar, und jeder Versuch, es mit Strafen zu erzwingen, wird katastrophal in die Hose gehen und bestenfalls in einem Tsunami von Zwangsversteigerungen und einem  total zerstörten Wohnungsmarkt münden.

Solange aber noch Grüne in der Regierung sitzen, werden die Klimaschutzpläne weder aufgegeben noch auf ein erträgliches Maß reduziert oder zeitlich gestreckt werden.

Man wird andere Wege suchen, um die Dekarbonisierung zu erzwingen, und wenn es gar nicht mehr möglich sein sollte, doch noch ein Schlupfloch für die Ausweitung der Neuverschuldung zu öffnen, sind weitere Privatisierungen und Steuererhöhungen unumgänglich.

 

Im Oktober 2021 habe ich in meinem Buch „Links abgebogen – Was auf Deutschland zukommt“ für Ende 2023 unter anderem Folgendes prognostiziert:

 

„Die inzwischen auf über vier Millionen angestiegene Arbeitslosenzahl führt zu ersten Korrekturen an der Ausgestaltung des noch immer nicht eingeführten Bürgergeldes.“

Der  Monatsbericht der Bundesagentur für Arbeit, Oktober 2023, enthält die folgenden Aussagen:

    • 781.000 Personen erhielten im Oktober 2023 Arbeitslosengeld.
      und (+)
    • Die Zahl der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) lag im Oktober bei 3.911.000.

Das Bürgergeld ist zwar schon eingeführt, aber über Korrekturen wird überlaut nachgedacht. Sowohl im Zusammenhang mit der Thematik des Lohnabstands, als auch im Zusammenhang mit der Migration, für die das Bürgergeld als starker Pullfaktor wirkt.

„Die Umlaufrendite deutscher Anleihen nähert sich der 3-Prozent-Marke.“

Aktueller Stand heute, 16.11.2023 : 2,61 %

„Noch wirken die unverzinsten Papiere aus der Vergangenheit, so dass der Schuldendienst noch keine allzu großen Löcher in die Staatskasse reißt“,

Momentan wird davon ausgegangen, dass die Zinslasten im Bundeshaushalt die 40 Milliarden Marke erreicht haben

„doch die Neuverschuldung muss jetzt zurückgefahren werden.“

Das ist der Punkt, der gestern vom Verfassungsbericht erzwungen wurde und damit ebenfalls als „eingetreten“ abgehakt werden kann.

Die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 25 Prozent wird kurzfristig beschlossen und zum 1. Januar 2024 in Kraft gesetzt. Der ermäßigte Satz bleibt unverändert bei 7 Prozent.“

Nur die letzte Prognose ist noch offen, doch genau die Erhöhung von 19 auf 25 Prozent  würde ausreichen, um die nun fehlenden 60 Milliarden durch Steuereinnahmen zu ersetzen. Von daher halte ich es für sehr wahrscheinlich, das  von dieser Möglichkeit auch Gebrauch gemacht wird.

Da die Mehrwertsteuer praktisch auf alles erhoben wird, ist es vollkommen egal, wofür die Bürger ihr Geld ausgeben, und was sie noch dafür bekommen, diese Rechnung dürfte aufgehen.

Ob Sie für 2000 Liter Heizöl 2000 Euro ausgeben und davon 320 Euro als MwSt  an den Staat fließen, oder ob Sie – sparsam geworden – für nur noch 1.904 Liter Heizöl ihre letzten 2.000 Euro ausgeben, und davon 400 Euro als MwSt an den Staat fließen, die Erhöhung um 80 Euro kommt bei Lindner Habeck an. Helfen wird es  nichts, weil man auch Wärmepumpen nicht essen kann.

Wenn ich diesen Paukenschlag mit der Empfehlung enden lasse:

„Ziehen Sie sich warm an!“,

dann meine ich dies sehr viel mehr im übertragenen als im wörtlichen Sinne, obwohl sie auch im wörtlichen Sinne dringend beachtet werden sollte.