Zahlenspiele um Energieverbrauch und BIP

Diese Zahlenspielerei begann mit der Frage, ob sich zwischen dem Energieverbrauch einer Volkswirtschaft und dem von dieser Volkswirtschaft erwirtschafteten BIP ein Zusammenhang herstellen lässt.

Also habe ich mir die 12 größten Primärenenergieverbraucher der Welt angesehen und die Daten zum Energieverbrauch um die Einwohnerzahlen und das BIP ergänzt (alles Jahreswerte 2021). Das sind die grau hinterlegten Spalten der nachstehenden Tabelle.

TWh 2021 BIP
2021
Mrd. $
$BIP/kWh Mio Ew
Jul 22
TWh pro
Mio Ew
BIP$/Ew
Deutschland 3.512 4263 1,21383827 84 41,8 50.750
Frankreich 2.613 2957 1,13164945 65 40,2 45.492
Japan 4.928 4932 1,00081169 124 39,7 39.774
USA 25.825 22996 0,89045499 338 76,4 68.036
Südkorea 3.493 1810 0,51817922 52 67,2 34.808
Indonesien 2.308 1187 0,51429809 276 8,4 4.301
Kanada 3.871 1988 0,51356239 38 101,9 52.316
Iran 3.386 1590 0,46958063 89 38,0 17.865
Brasilien 3.490 1608 0,46074499 215 16,2 7.479
China 43.791 17744 0,40519741 1426 30,7 12.443
Indien 9.841 3176 0,32273143 1417 6,9 2.241
Russland 8.694 1779 0,20462388 144 60,4 12.354

Die drei anderen Spalten zeigen Kennzahlen an, nämlich das pro kWh erwirtschaftete BIP, den Energieverbrauch pro 1 Million Einwohner und das BIP pro Einwohner.

Hier zeigt sich zunächst einmal, dass Deutschland am effizientesten mit der eingesetzten Primär-Energie umgeht. Pro Kilowattstunde Verbrauch wurden 2021 in Deutschland 1,21 US$ BIP erwirtschaftet.

Über diese Zahl lohnt es sich, weiter nachzudenken. 

  • Sind es die hochwertigen und hochpreisigen Produkte, die Deutschland herstellt, die sich in der hohen Wertschöpfung pro Kilowattstunde ausdrücken?
  • Sind es die effizienten Produktionsprozesse, die mit relativ wenig Strom relativ viel Output ermöglichen?
  • Sind es die gut gedämmten Gebäude, die einen vergleichsweise geringen Teil der Primärenergie aufnehmen, so dass anteilmäßig mehr Primärenergie von der Wirtschaft produktiv genutzt wird?
  • Sind es die sparsame Pkw- und Lkw-Flotte und die vergleichsweise kurzen Transportwege im dichtbesiedelten Deutschland, die anteilmäßig wenig Primärenergie in den Verkehrssektor lenken?
  • Liegt es daran, dass viele Produktionsschritte deutscher Produkte im Ausland von Zulieferern ausgeführt werden, so dass deren Energieverbrauch in der deutschen Bilanz fehlt?
  • Ist das weitere Bestreben des Musterknaben Deutschland,das Klima durch noch mehr Energieverzicht zu schützen, vor dem Hintergrund dieser Kennzahl überhaupt noch vernünftig zu begründen?

Betrachtet man die weitere Rangfolge im BIP/kWh fällt auf, dass nur noch Frankreich und Japan unter den Stromgroßverbrauchern den Wert von 1 US$/kWh (knapp) überschreiten und dies mit einem etwas niedrigeren, aber ähnlich hohem Stromverbrauch pro Einwohner.

Die USA, die schon nur noch 89 Cent BIP/kWh erreichen, dafür aber fast den doppelten Stromverbrauch pro Einwohner aufweisen, entpuppen sich damit als Energieverschwender. Die US-Industrie dürfte ähnlich effizient mit der Energie umgehen, wie Frankreich, Japan und Deutschland, die US-Verbraucher – mit immer noch vielen großen, spritfressenden Automobilen und dem massiven Einsatz von Klimaanlagen, auch noch in der kleinsten Hütte bei oft unzureichender Dämmung – müssen hier verdächtigt werden, die wichtige Kennzahl des BIP/kWh deutlich nach unten zu drücken.

Und noch etwas fällt bei den USA auf: Sie sind in dieser Länderauswahl auf Platz 1 beim BIP pro Einwohner. Das mag mit der Zusammensetzung des US-BIP zusammenhängen. Die Industrie trägt nur 17,88 Prozent, die Landwirtschaft nur 0,96 Prozent zum US-BIP bei. Der Dienstleistungssektor, zu dem auch die ertragsstarke Finanzwirtschaft gehört, ist mit 77,6 Prozent stark repräsentiert. Deutschland folgt dann, hinter Kanada, auf Platz 3.

Die weitere Beschäftigung mit diesen Zahlen überlasse ich gerne Ihnen alleine. Zu bedenken ist dabei allerdings immer auch, dass die hier in US$ angegebenen Werte über die Währungskurse, nicht aber über die Binnenkaufkraft der Währungen umgerechnet wurden. Vor allem die Schlusslichter in der Tabelle sehen daher etwas schlechter aus als es bei Berücksichtigung der Kaufkraftunterschiede zu verzeichnen wäre.

Ich mag stattdessen hier noch eine andere Frage aufwerfen:

Wie wird sich Deutschlands Position in diesem Ranking in den nächsten „Energiespar-Jahren“ verändern?

  1. Können die abwandernden, energiehungrigen Industrien aus der Eisen-, Stahl-, Aluminium und Buntmetallbranche sowie der Zement-, Düngemittel- und Chemieindustrie den Wert BIP/kWh noch weiter in die Höhe treiben, weil der Rest der Wirtschaft, der uns bleibt, insgesamt energie-effizienter arbeiten kann?
  2. Wird der Primärenergieverbrauch pro Einwohner sinken, weil dies (bei ansonsten unveränderten Parametern) die logische Folge der fortschreitenden Deindustrialiserung (und der Zuwanderung in die Sozialsysteme) sein wird?
  3. Werden sich neue, nicht energie-intensive Branchen in Deutschland ausbreiten können, so dass das BIP/Ew gleichbleiben oder gar steigen kann?

Wie schätzen Sie das ein?