E-Mobilität? Nein, danke!

PaD 14 /2023 – Hier auch als PDF verfügbar: Pad 14 2023 E-Mobilität Nein danke

Über die Kilowatten

Mein inzwischen 12 Jahre alter Passat bringt in seinem Tank rund 60 Liter Diesel unter. Die wiegen nicht ganz 60 kg und entsprechen, über den dicken Daumen umgerechnet, rund 600 Kilowattstunden. Das reicht, um selbst bei langen Autobahnfahrten nach 800 Kilometern Strecke ohne jeden Stress noch nach der nächsten Tankstelle Ausschau halten zu können. Bis zu hundert Kilometer sind da immer noch im Tank, obwohl ich, wo es erlaubt ist, mit 180 bis 200 Stundenkilometern unterwegs bin

Rechnen wir also der Einfachheit halber mit 7 Litern auf 100 Kilometer, was 70 Kilowattstunden entspricht. Die Motorleistung ist mit 140 PS/103 kW angegeben und wurde folglich (vereinfacht, aber hinreichend genau) im Mittel nur zu 70 Prozent in Anspruch genommen.

Der elektrische VW ID.3 bringt in seiner Batterie (größere Version) nicht 600, wie der Passat, sondern nur 77 Kilowattstunden unter, und die wiegen, ob vollständig geladen oder leer, rund 500 kg. Der ID.3 geht also mit einer Energieladung von knapp 13 Prozent der Energieladung des Diesel-Passat an den Start.

Die Motorleistung des ID.3 ist mit 150 kW angegeben. Unterstellen wir, dass diese bei vergleichbarem Fahrverhalten auch nur zu 70 Prozent genutzt wird, dann wären das 105 kW, was bedeutet, dass die Batterie nach einer Dreiviertelstunde mit 180 bis 200 km/h leergefahren sein müsste, was einer Fahrstrecke von etwa 150 km entsprechen dürfte.

Wie kommt es dann aber zu der

  • Reichweiten-Angabe von 417 bis 546 Kilometer, und zu einem
  • Verbrauchswert von 15,3 bis 15,7 kWh/100km?

Nun, gemessen wird der Verbrauch auf dem Rollenprüfstand bei einer Temperatur von 23 Grad Celsius in vier Geschwindigkeitsbereichen, nämlich bis 60, bis 80, bis 100 und über 130 km/h. Dabei wird immer wieder gebremst und beschleunigt. Die Durchschnittsgeschwindigkeit die während der Testzeit von 30 Minuten auf einer Gesamtfahrstrecke von 23 Kilometern erreicht wird, liegt bei 47 km/h.

Ja, der Rollenprüfstand. Da steht das Auto still. Nur die Räder drehen sich mit der Drehzahl, die der Geschwindigkeit entspricht. Das hat einen erheblichen Vorteil, denn das stillstehende Auto braucht keine Energie aufzuwenden, um den Luftwiderstand zu überwinden.

Im Focus war dazu 2022 zu lesen:

Je höher das Tempo steigt, desto größer wird auch der Luftwiderstand. Ein maßgeblicher Faktor für den Verbrauch des Autos. Bei hohen Geschwindigkeiten ab etwa 140 km/h verbrennt ein Auto überdurchschnittlich viel Sprit. Für Mittelklasse Autos beispielsweise hat der ADAC berechnet: Bei einer Fahrt mit 160 km/h verbrauchen Sie bis zu zwei Drittel mehr Sprit als mit 100 km/h.

Aber es geht auch ein bisschen präziser. Die folgenden Angaben habe ich hier gefunden:

 

Geschwindigkeit Rollwiderstand Luftwiderstand
10 km/h 98 % 2 %
50 km/h 70 % 30 %
100 km/h 37 % 63 %
160 km/h 19 % 81 %
Bei Luftwiderstandswert cw = 0,3

 

Das heißt also, dass schon im Bereich „bis 60 km/h“ ein Drittel des Energieverbrauchs auf dem Rollenprüfstand nicht erfasst werden kann – und von da aus geht es steil nach oben.

Beim ID.3 mit seinem 150 kW Elektromotor ist dem stromfressenden Luftwiderstand von den Konstrukteuren jedoch eine Grenze gesetzt worden. Wo beim alten Passat 103 kW genügen, um Spitzengeschwindigkeiten von 220 km/h (Tacho) zu erreichen, ist beim ID.3 bei 164 km/h Schluss.

Das führt dann dazu, dass ein videodokumentierter Versuch, das Wägelchen – wo es geht – unter Volllast zu fahren, bereits nach einer Fahrstrecke von 200 Kilometern endete, obwohl es die meiste Zeit gar nicht möglich war, die 164 km/h auch zu erreichen. Sie können sich dieses (für den ID.3 immer noch wohlwollend gedrehte) Video hier ansehen.

Nicht vergessen werden darf, dass auf dem Rollenprüfstand die vorgegebene Temperatur von 23 Grad Celsius eingehalten werden muss. Der ADAC hat umfangreiche Tests durchgeführt, um den Leistungsverlust der Batterien bei niedrigen und tiefen Temperaturen zu ermitteln. Die pauschale Aussage lautet:

  • Im Schnitt 20 bis 30 Prozent mehr Verbrauch
  • Heizung für Batterie und Innenraum zehren am Akku
  • Im Kurzstreckenbetrieb sogar 50 Prozent weniger Reichweite

Es lohnt sich aber, den gesamten Testbericht aufmerksam durchzulesen. Da findet sich dann – ausgerechnet zum ID.3 – die Aussage, dass sich der Verbrauch dieses Volkswagens verdoppelt, wenn die Verbrauchswerte einmal bei +14 Grad und einmal bei -7 Grad gemessen werden.

 

Nun bin ich über Ostern tatsächlich diese Strecke mit dem Passat gefahren:

Mit einigen Umleitungen und Abstechern waren das rund 1.900 Kilometer. Ich bin mit einem nicht ganz vollem Tank gestartet, habe nach 800 km einmal vollgetankt, und nach  weiteren 600 km ein zweites Mal. Wieder zuhause war der Tank noch halbvoll. Ich bin sehr schnell gefahren. Die Außentemperaturen dürften im Mittel bei 10 Grad Celsius gelegen haben. Spritverbrauch insgesamt etwa 145 Liter, also 7,6 l/100km.

 

Warum ich nicht die geringste Lust verspüre, von Elsendorf nach Owschlag mit der Bahn zu fahren, habe ich hier schon einmal dargelegt.

Warum ich meinen Passat so lange fahren werde, bis er mir unter dem Hintern zusammenbricht, werden Sie bereits mitfühlend festgestellt haben.

Ich habe keine Ahnung, wie sich die Spritpreise entwickeln werden, ich habe keine Ahnung wie sich die Strompreise entwickeln werden, ich habe keine Ahnung, woher der Strom für die vielen E-Mobile kommen soll, die auf die Straßen gebracht werden sollen. Für welche Art von Neuwagen soll ich mich also entscheiden, ohne fürchten zu müssen, dass der Strom fürs Auto rationiert wird, oder dass die Preise für Diesel in schwindelnde Höhen getrieben werden?

Dass es kein „Stromer“ aus der momentan verfügbaren Fahrzeuggeneration werden kann, ist jedoch sicher. Diese Autos halte ich für grundsätzlich nicht langstreckentauglich. Das gilt selbst dann noch, wenn das Netz der Schnellladesäulen noch dichter wäre als das derzeitige Tankstellennetz. Die Verbrauchsangaben vom Rollenprüfstand unterschlagen die Wirkung des Luftwiderstandes und zwischen Oktober und April den temperaturbedingten Leistungsschwund der Batterien. Auch wenn bei einigen verfügbaren Modellen die Daten etwas günstiger ausfallen als beim ID.3 – es gibt stattdessen andere Einschränkungen, z.B. beim Platzangebot in Innen- und Kofferraum.

Bei unserer Rundreise Elsendorf – Güstrow – Owschlag – Halle – Elsendorf hätte sich die reine Fahrzeit mit dem ID.3 wegen der auf 164 km/h abgeregelten Höchstgeschwindigkeit um etwa 45 bis 60 Minuten verlängert. Das ist aber noch nicht das Schlimmste: Ich hätte nicht zwei Tankstopps, sondern 9 oder 10 Lade-Stopps an Schnellladesäulen einlegen müssen. Also, unter wirklich allergünstigsten Bedingungen, für fünf bis sechs Stunden an Ladesäulen pausieren müssen, statt zwei Mal 10 Minuten an der Zapfsäule einzubüßen.

Ach so, ja. Noch etwas:

Der Strom aus den so genannten Erneuerbaren reicht gerade einmal für die Hälfte des Strombedarfs ohne E-Mobile. Nachdem jetzt auch noch die letzten Kernkraftwerke vom Netz gehen ist es unbestreitbare Tatsache, dass die E-Mobilität keinen Beitrag zur CO2-Ersparnis leistet, denn der Strom für alle zusätzlich in Verkehr gebrachten E-Mobile stammt zu 100 Prozent aus Kohle- und Gaskraftwerken.

Der ID.3 mindert die CO2-Emissionen nicht. Wer sich aus Klimaschutzgründen ein E-Mobil anschafft, wird mit diesem Argument ebenso beschissen, wie der frisch gebackene Jungunternehmer, der noch keinen Cent steuerpflichtigen Gewinn eingefahren hat, sich aber einen Leasingvertrag für das dickste Auto aus Untertürkheim aufdrücken lässt, weil ihm erzählt wird, dass ihn das in Wahrheit nur die Hälfte kostet, weil er die Leasinggebühren schließlich von der Steuer absetzen könne.