Bargeldabschaffung – die größte Dummheit der Plutokratie

PaD 35 /2022 – Hier auch als PDF verfügbar: Pad 35 2022 Bargeldabschaffung

Mit der Abschaffung des Bargeldes, so erzählt man uns seit Jahren, würde auch das Schwarzgeld verschwinden, und weil Schwarzgeld grundsätzlich auf illegalem Wege erworben wird, sei das Ende des Bargelds auch das Ende der Drogendealer, der Schwarzarbeiter, der Steuer- und Sozialversicherungsbetrüger, der illegalen Prostitution und des Menschenhandels, ja sogar der Terrorismus müsste ohne Bargeld schlicht und einfach von der Welt verschwinden.

Hinter dieser Legende verbirgt sich der Wunsch, die Kontrolle über jeden einzelnen Menschen zu gewinnen, zu wissen, was er einnimmt – und von wem – und was er ausgibt – und wofür, und an wen. Der Traum von absolut vollständigen Profilen aller Menschen, denen man den Krankenkassenbeitrag erhöhen kann, wenn Zigaretten und Schnaps wiederholt auf dem Kassenzettel auftauchen, welcher zur Abbuchung vom Konto mitgeliefert wird, von den Menschen, die man einkassieren kann, wenn der Einkauf im Baumarkt Gegenstände und Materialien enthält, die geeignet erscheinen, Waffen oder Sprengstoff herzustellen, der Traum, Menschen per Geldeinzug bestrafen zu können, wenn sie an unliebsame Organisationen oder Blogger Geld spenden sollten, und denen man den Zugriff auf das Konto verweigern kann, sollten sie öffentlich gegen die Regierung opponieren oder sich dem Zugriff per Flucht entziehen wollen.

Der Traum von der vollständigen Kontrolle, verbunden mit der Möglichkeit jederzeit „erzieherische“ Maßnahmen über Eingriffe in die Verfügbarkeit ihres Geldes vollstrecken zu können, er ist für alle, die ihn träumen, der schönste aller vorstellbaren Träume.

Allerdings ist dieser Traum fehlerhaft. Er ist fehlerhaft, weil er ausschließlich aus der Perspektive der Herrschenden geträumt wird. Er ist fehlerhaft, weil er übersieht, dass mit der Abschaffung des Bargeldes die Illusion über den Charakter des Geldes verloren gehen wird.

Es ist genau jenes Bargeld, es sind die Münzen und Scheine, die dem Geld den Anschein von „Realität“ und von „Wert“ geben. Es ist das Bargeld, das jene Illusion aufrecht erhält, die in dem geflügelten Wort: „Das Geld ist nicht weg, es ist nur woanders“, zum Ausdruck gebracht wird. Es ist das Bargeld, das die kollektive Erinnerung an Münzen aus Edelmetall am Leben hält, die so wichtig ist, um im bunt bedruckten Altpapier immer noch einen Wert erkennen zu können. Ein Wert, der sich jederzeit, ganz einfach durch die Abhebung am Geldautomaten auf den gesamten Kontostand übertragen lässt. Die Bank hat mein Geld, denkt sich der Laie, und stellt es sich dabei als physisch existent vor.  Sie muss es mir zurückgeben, wenn ich das will.

Diese Vorstellung von einem letztlich doch materiellen Geld, über dessen Bestand  im Tresor die Bank durch Kontoauszüge Auskunft gibt und Rechenschaft ablegt, ist eine der Grundbedingungen für das Vertrauen in eine Währung. Stirbt das Bargeld, stirbt auch diese Idee. Der Konto-Auszug kann nicht länger als ein Spiegel des Geldbestandes angesehen werden. Er entpuppt sich als das, was er schon lange ist: Als die trügerische Imagination von Werten, als eine Art pekuniärer Fata Morgana. Spätestens wenn die ersten jungen Erwachsenen vollständig ohne den Gebrauch von Bargeld aufgewachsen sind, wird sich das Vertrauen in den Wert des Geldes in Misstrauen gegen jene Organisation verwandeln, die sich bevormundend zwischen die Person und ihre Kaufkraft, ihr Vermögen stellt. Ohne Bargeld wird  man Geld nicht mehr HABEN können. Ohne Bargeld gibt es nur die anonyme Organisation Bank, die wie ein Vormund auf den Guthaben sitzt und im Namen des Staates Wohlverhalten einfordert, da dies als Voraussetzung dafür gilt, sich der Kaufkraft dessen bedienen zu dürfen, was man mit seiner Arbeitskraft erworben hat.

Wer offenen Auges durch die Welt geht, dem kann nicht verborgen geblieben sein, dass die Bevormundung durch die Kontrolle der Geldgeschäfte und des Geldbesitzes bereits begonnen hat. Missliebige Blogger und Online-Portale werden ja nicht nur von den Sozialen Netzwerken gesperrt, sie werden ebenso vom Zahlungsverkehr per PayPal ausgeschlossen und die Informationen darüber, dass ihnen auch die regulären Bankkonten ohne weitere Angabe von Gründen gekündigt werden, mehren sich. Was da im Kleinen sichtbar wird, ist im Großen ebenfalls zur Mode geworden. Das Einfrieren von Guthaben von Staaten und ihren Bürgern gehört zu den beliebten, angeblich legalen Ausgestaltungsmöglichkeiten von Sanktionen. Bei Licht betrachtet handelt es sich jedoch um eine Form von Kreditbetrug in einem kaum noch vorstellbaren Umfang.

Auch diese Erkenntnis wird sich erst so richtig durchsetzen, wenn es kein Bargeld mehr gibt. Die Existenz von Bargeld in unseren Köpfen lässt uns die Beschlagnahme von Geld lediglich als „Geldstrafe“ wahrnehmen, und wenn wir die Geldstrafe für ungerechtfertigt halten, dann nennen wir es Raub oder Diebstahl.

Wenn Geld jedoch nicht mehr als ein materielles Gut existiert, und der positive Saldo des Bankkontos nur noch die Tatsache  aufzeigt, dass Leistungen erbracht wurden, für welche die entsprechenden Gegenleistungen noch ausstehen, dass ein „Guthaben“ nichts anderes ist als die Summe der Ansprüche eines Gläubigers gegenüber unbekannten Schuldnern mit unbekannter Zahlungsmoral, gegenüber Wechselreitern und Scheckbetrügern, und dieses Guthaben zudem noch willkürlichen Eingriffen seitens des Staates ausgesetzt ist, ist dieses Geld seines Zaubers entkleidet, das Vertrauen in die Währung schwindet, und Fluchtbewegungen setzen ein.

Dann wird auch klar, dass die Beschlagnahmung von Geld, das Einfrieren von Konten nicht einfach nur als „Geldstrafe“ betrachtet werden kann, sondern dass es sich zugleich um ein Moratorium für den Beschlagnahmenden handelt, der sich selbst einen Teil seiner Schulden streicht, indem er die Ansprüche, die der Bestrafte gegen ihn noch hat, für null und nichtig erklärt.

An einem konkreten Beispiel lässt sich dies am besten verdeutlichen. Russland, das technologisch so rückständige Land, hat die USA über viele Jahre mit Raketentriebwerken für das amerikanische Raumfahrtprogramm beliefert. Die USA haben Russland dafür ein Bankkonto eingerichtet dort Zahlen eingetragen, die mit jeder Lieferung von Triebwerken gewachsen sind. Aufpassen! Wichtig! Die Be-Zahlung der Triebwerke erfolgte durch die Eintragung von Zahlen. Erst wenn Russland in den USA etwas einkaufte, also die geschuldete Gegenleistung erhalten hat, war so ein Geschäft wirklich abgeschlossen.

Mit der Sperrung der russischen Dollar-Konten ist praktisch die Verpflichtung der USA erloschen, eine adäquate Gegenleistung zu erbringen. Die USA haben sich entschuldet.

Dass dies gelingen konnte, erforderte die skrupellose Ausnutzung einer Machtposition. Dass dies gerne als „regelbasierte Weltordnung“ bezeichnet wird, kann die Tatsache, dass es sich um blankes Faustrecht handelt, nicht wirklich verdecken.

Die russische Reaktion ist bekannte. Lieferungen ins Ausland erfolgen nur noch gegen Rubel, und die russische Zentralbank stockt unaufhörlich ihre Goldbestände auf. Außerdem liefert Russland seit März 2022 keine Raketenmotoren mehr an die USA und steht auch für die Wartung bereits gelieferter nicht mehr zur Verfügung. Ob die Startverzögerung von Artemis 1 damit zusammenhängt, weiß ich natürlich nicht. Könnte aber sein.

Eine dem Faustrecht gleichkommende Machtposition stellt sich automatisch ein, wenn der Zugriff der Bürger auf ihr Geld davon abhängig ist, dass die Banken, welche nicht länger Geld, sondern nur noch die „Zahlen“ verwahren, diesen Zugriff in Abstimmung mit den staatlichen Stellen gestatten. Dass diese Machtposition früher oder später dazu verleiten wird, von ihr Gebrauch zu machen, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten.

Genau darauf hinzuarbeiten, ist die größte Dummheit der Plutokratie.

Die Abschaffung des offiziellen Bargeldes wird die Schattenwirtschaft nicht beseitigen, sondern zu ihrer maximalen Ausweitung beitragen. Man wird versuchen, wo immer es möglich ist, dem offiziellen Buchgeld auszuweichen. Der Zwang, Steuern mit diesem Buchgeld zu zahlen, wird dazu führen, dass steuerpflichtige Einnahmen ebenso nach Möglichkeit vermieden werden, wie jeder der Steuerpflicht unterliegende Konsum. Schwarzarbeit und Naturallöhne, Schwarzmärkte und alternative Währungen werden aufblühen. Am Ende steht der Kontrollverlust.

Das ist in einem hochindustrialisierten Land mit komplexer Arbeitsteilung und industriellen Ballungsräumen allerdings nur schwer vorstellbar. Dieser Prozess wird sich auch nicht schlagartig vollziehen, sondern aus jenen kleinen Anfängen heraus entwickeln, die in den mehr ländlich geprägten Gebieten, wo man dem Zugriff des Fiskus schon immer ein Stück weit auszuweichen verstanden hat, nie aufgehört haben, in Form von „Nachbarschaftshilfe“ zu existieren.

So lange es in den Ballungsräumen noch möglich ist, ungehindert über sein Guthaben zu verfügen und der staatliche Zugriff auf das Konto  die seltene Ausnahme  bleibt, werden es dort nur  jene Transaktionen sein, die man aus den unterschiedlichsten Gründen lieber anonym, also mit Bargeld durchgeführt hat, welche die Nutzung alternativer Zahlungsmittel, so genannter Komplementärwährungen, vorantreiben werden. Die längst installierten „Regionalwährungen“ werden dabei auch weiterhin eine untergeordnete Rolle spielen. Stattdessen wird sich ein neues „Vollgeld“ etablieren, also ein physisches Tauschmittel, das einen eigenen, materiellen Wert hat, relativ langlebig und leicht transportierbar ist. Es wird dazu die unterschiedlichsten Ansätze geben, die sich in den unabhängig voneinander entstehenden, örtlich begrenzten Nutzungszirkeln  entwickeln. Mit dem unausbleiblichen Zusammenwachsen dieser Nutzungszirkel werden manche Formen wieder untergehen, während andere überregional genutzt werden. Was sich dabei letztlich durchsetzen wird, wird die Zeit zeigen. Zigaretten, wie in der Nachkriegszeit vor der Währungsreform werden es wohl eher nicht sein.

Es wird der Nutzen sein, den die Nutzer solcher alternativen Währungen genießen, der zur Nachahmung anregt und den Markt der Waren und Dienstleistungen, die mit dem Ersatzgeld bezahlt werden können ständig ausweitet. Dass dabei mafiöse Strukturen entstehen werden, die den „Handel“ kontrollieren und stabilisieren, ist kaum zu vermeiden. Dass diese Organisationen mit der Zeit die staatlichen Strukturen infiltrieren und unterwandern, wird ebenfalls kaum zu vermeiden sein.

So lange die Freiheit der Menschen durch die illegalen Strukturen erweitert wird und über das Maß dessen hinausgeht, was das Handeln in der Legalität an Freiheiten übrig lässt, wird der Trend nicht zu bremsen sein.

Dies wird auch dazu führen, dass immer mehr abhängig Beschäftigte ihren Job quittieren, für den es ja nur das unsichere und zugleich gefährliche Staatsgeld gibt, und versuchen werden, sich in der Schattenwirtschaft einzurichten. Das wird längst nicht allen gelingen, aber es wird zu einem Prozess des allmählichen Ausblutens der Belegschaften der größeren Unternehmen führen, denen es, noch weniger als jetzt schon, gelingen wird, die notwendigen Fachkräfte noch zu rekrutieren.

Wer glaubt, die Menschen von ihrem Einkommen und ihrem Ersparten trennen zu können, indem er das Bargeld abschafft und den Zugang zu den Konten kontrolliert, zerstört nachhaltig das Vertrauen der Menschen in das gesamte Staats- und Wirtschaftssystem und fördert das Entstehen von Umgehungsmaßnahmen, die den vermeintlich, bzw. angeblich durch die Verfügbarkeit von Bargeld entstehenden Schaden weit übersteigen.

Wobei die Reaktion umso schneller und intensiver ausfallen wird, wenn sich Staat und Wirtschaft bereits in einer Krisensituation befinden. Die Neigung der Politik, Krisen zu nutzen, um in deren Schatten unangenehme Maßnahmen als alternativlos zu erklären und durchzusetzen, könnte in diesem Fall zu einer explosiven Gemengelage führen, die im Chaos endet.