Entlastungspakete – Öl ins Feuer der Teuerung

Nein, das ist kein Plädoyer für den neoliberalen Glauben an die Allmacht des Marktes, kein höhnisches „Selber schuld!“, in Richtung der materiell Benachteiligten. Es ist lediglich Kritik an einer grundfalschen Politik, die zu feige ist, die Ursachen zu beheben und stattdessen ohne erkennbar positives Ergebnis mit ziemlich willkürlich ausgestreuten Almosen an den Symptomen herumkuriert.

Es soll hier auch nicht noch einmal erläutert werden, dass die derzeitige wirtschaftliche Situation der Bundesrepublik auf katastrophale Fehleinschätzungen und Fehlentscheidung der Politik zurückzuführen ist, und darauf, dass die Bereitschaft, diese Fehlentscheidungen zu korrigieren, immer noch fehlt.

Es geht darum, den General-Irrtum darzustellen, soziale Wohltaten des Staates kämen tatsächlich den davon direkt Begünstigten zugute.

Erstes Beispiel: Der Tankrabatt

Niemand weiß schon in normalen Zeiten seriös zu sagen, wie der optimale Preis für Benzin und Diesel an den Zapfsäulen aussehen sollte. Wer das Auto braucht und jährlich erhebliche Strecken zurücklegen muss, wird sich einen möglichst niedrigen Preis wünschen, wer sich dem Kampf gegen den Klimawandel verschworen hat, dem wird der Preis nicht hoch genug sein können.

Folglich haben sich die Volksvertreter dazu hinreißen lassen, die Treibstoffpreise in staatsmonopolkapitalistischer Weise durch Steuern und Abgaben und Steuern auf Steuern und Abgaben gerade so weit in die Höhe zu treiben, dass der große Sturm der Entrüstung vermieden werden konnte.

Seit 2003 zieht der Fiskus in Deutschland 65,45 Cent pro Liter Benzin von den Tankstellen als Energiesteuer ein. Damals wurde der Liter Benzin an der Tankstelle für durchschnittlich 1,10 Euro abgegeben. Darin steckten 17,5 Cent Mehrwertsteuer. Zusammen mit der Energiesteuer lag der Staatsanteil also bei 81,15 Cent, bzw. 73 Prozent vom Endpreis. Die Mineralölwirtschaft, von der Quelle bis zur Tankstelle musste sich mit 18,85 Cent, also nur etwas mehr als einem Viertel des Erlöses zufrieden geben – und hat trotzdem noch prächtig verdient.

Im Augenblick sind rund 1,80 Euro für den Liter Benzin zu berappen. Darin enthalten sind 28,75 Cent Mehrwertsteuer, 7,20 Cent für die sogenannte CO2-Abgabe, 0,27 Cent für die Erdölbevorratungsabgabe und  35,9 Cent Energiesteuer.

Diese Rechnung gilt allerdings nur noch heute, am 31. August, bis Mitternacht.

Dann fällt der Tankrabatt in Form der ermäßigten Energiesteuer wieder weg.

Die Wahrscheinlichkeit, dass der derzeitige Anteil am Bezinpreis, den die Mineralölwirtschaft erhält, nämlich 107,88 Cent, nach dem Wegfall des „Tankrabatts“ nicht sinken wird, lässt für den Herbst einen durchschnittlichen Bezinpreis von 2,15 Euro erwarten. Also exakt wieder den Preis, der zuletzt – vor dem Tankrabatt – erreicht war. Der Staatsanteil liegt dabei mit 107,12 Cent ziemlich genau bei 50 Prozent.

Könnte man die Parlamentarische Demokratie in Deutschland noch ernst nehmen, dann müsste man zu dem Schluss kommen, dass es die gewählten Volksvertreter sind, denen ihr Gewissen geboten hat, den Benzinpreis in der Höhe exakt so festzulegen, wie er von den Vertretenen zu berappen ist.

De fakto wird der Benzinpreis jedoch von den Ministern für Finanzen und Wirtschaft, nach den Vorgaben ihrer Parteivorsitzenden ausgekungelt und letztlich auch vom Bundeskanzler abgenickt, bevor die sichere Parlamentsmehrheit unter Fraktionszwang dem Ergebnis zustimmt.

Was wurde nun erreicht?

Hat man die Mineralölgesellschaften bewegt, ihre Gewinnansprüche zu reduzieren, um zu einer Normalisierung der Preise zu gelangen? Nein.

Im Gegenteil. Sogar das ZDF berichtet, dass die Mineralölgesellschaften ihre Gewinne vervierfacht haben, und die Politik streitet sich ergebnislos um eine sogenannte Übergewinnsteuer.

Hat man die drei Monate genutzt, um die Ölversorgung Deutschlands spürbar zu verbessern, um dadurch wieder zu marktgerechten Preisen zu gelangen?

Im Gegenteil. Im Zuge der Russlandsanktionen wird stattdessen auf den Bezug von russischen Öl gänzlich verzichtet. Die Dekarbonisierer können sich ein klammheimliches Grinsen nicht verkneifen, und die Ölhändler kaufen das russische Öl statt in Russland in Indien ein – mit einem gehörigen Preisaufschlag versteht sich – und geben es mit einem weiteren gehörigen Preisaufschlag an die Endkunden ab.

Hat man die Autofahrer spürbar entlastet?

Nicht wirklich. Drei Milliarden Euro, so die Berechnungen bei Einführung des Tankrabatts, würden dem Finanzminister entgehen. Damit konnte der durchschnittliche deutsche Benziner-Fahrer pro Woche zum gleichen Preis etwa 50 Kilometer weiter fahren als ohne Tankrabatt.

(Jahresfahrleistung 12.500 km, wöchentlich 240 km, Benzinverbrauch 7,5 l/100 km, wöchentlich 18 Liter, Preisdifferenz durch Tankrabatt ca. 35 Cent, Ersparnis pro Woche 6,30 Euro, entpricht 3,5 l Benzin zu 1,80 Euro, ergibt 46,67 km Fahrleistung per Tankrabatt)

Beim Diesel-Fahrer war der Effekt noch geringer, weil die Energiesteuer für den Diesel nicht so stark gesenkt wurde.

Vergleicht man die „rabattierten“ Preise jedoch mit den Benzinpreisen von vor einem Jahr, also mit den 1,55 €/l, die Ende August 2021 zu zahlen waren, dann fehlt dem Pendler jede Woche Benzin für 33 Kilometer im Tank.

Was war also der Effekt?

Für mich stellt sich die Sache so dar, dass man angesichts des weitgehend selbst verursachten Anstiegs der Treibstoffpreise nichts anderes erreichen wollte, als dem wachsenden Zorn der Autofahrer im günstigsten Augenblick die Spitze zu brechen.

Zorn und Empörung bauen sich ja allmählich auf. Drei Monate bei 1,80 € – mit der Erinnerung an die bereits gezahlten 2,15 €  für den Liter Sprit – haben offenbar ausgereicht, um die Temperatur im Kessel wieder unter 70 Grad und den Druck unter den Ansprechlevel des Sicherheitsventils zu bringen. Der Anstieg am 1. September wird daran wenig ändern. Der alte Zorn ist verraucht, und neuer muss sich erst wieder aufbauen.

Die Fortsetzung des Tankrabatts ist – wie vorher angenommen – nicht mehr erforderlich. Der Michel ist runter von den Barrikaden.

Ein Hoch, ein dreifach Hoch,
ein dreifach Hoch dem Sanitätsgefreiten Neumann,

der, schon lange her, das Sedativum hat erfunden.
Früher musste man Rebellen einzeln an die Mauer stellen,
heute wendet jedermann Neumanns Psychopillen an.

(https://www.youtube.com/watch?v=qSvM9juYbuI)

Zweites Beispiel: Energiepreispauschale und Kinderbonus aus dem zweiten Entlastungspaket

Im Prinzip die gleiche Masche. Einmalzahlungen in Höhe von 300 Euro für jeden einkommensteuerpflichtigen Erwerbstätigen, Kinderbonus für Familien mit Kind, und zwar 100 € pro Kind, 200 Euro für Sozialleistungsempfänger, 100 Euro für ALG1-Bezieher. Geld, das im Wesentlichen als Zuschuss zu den galoppierenden Heizkosten gedacht ist, während gleichzeitig eine Gasumlage vorgeschlagen wurde, die diese Zuschüsse auf direktem Wege in die Kassen der Energiehändler umleiten wird und weder einen Ausgleich für die gestiegenen Preise von Erdgas und Heizöl in den Kassen der Bürger schafft, noch einen Anreiz für die Energieunternehmen bietet, von ihren Möglichkeiten, die Endkundenpreise zu senken, Gebrauch zu machen.

Aber: Man hat gezeigt, dass man trotz angespannter Haushaltslage auch noch Geld hat, um die privaten Haushalte zu entlasten. Das erzeugt den Eindruck des guten Willens der Regierung und verwischt automatisch deren erhebliche Mitschuld an der Preisentwicklung. Dass da insgesamt nur rund 15 Milliarden ausgeschüttet werden (eigene Schätzung), während für Aufrüstung neben dem regulären Wehretat noch 100 Milliarden zusätzlich ausgegeben werden sollen, geht in der Freude über die 300 Euro, bzw. das, was nach Abzug der Lohn- bzw. Einkommensteuer noch übrig ist, glatt unter. 

Auch hier sehe ich die Absicht, dem Zorn die Spitze zu brechen, ohne dass sich dabei am Preisniveau etwas ändert. Hohe Energiepreise sind von dieser Regierung erwünscht. Dass sich der Prozess verselbständigt hat und schneller immer neue Höchstmarken reißt, wird gar nicht als das Problem angesehen, sondern eher als nützliche Entwicklung auf dem Wege zur Dekarbonisierung. Das Problem ist nur, dass die Leute die schnellen Preissprünge bemerkt haben, statt sich langsam an ein stetig steigendes Preisniveau gewöhnen zu können. Das könnte – wie hat sie schön gesagt, die Frau Minister Baerbock? – „Volksaufstände“ auslösen. Also muss der Finanzminister ganz tief in die leere Kasse greifen und weiße Salbe unters Volk verteilen, damit es nicht zu rumoren beginnt.

Das hat natürlich volkswirtschaftliche Folgen.

Solange der Staat die Unternehmen der Energiewirtschaft über Zahlungen an die mehr oder minder Bedürftigen subventioniert und zudem noch alle Gaskunden zwingt, sich an der Finanzierung der 34 Milliarden für die Gasumlage zu beteiligen, so lange der Staat also korrigierend und letztlich preisstützend in den Markt eingreift, werden die Preise hoch bleiben und weiter steigen.

Diese hohen Preise werden die Bevölkerung  zwingen, den Gürtel immer enger zu schnallen und in kümmerlich beheizten Wohnungen im dicken Pullover beim Schein einer 5 Watt LED-Leuchte zum hundersten Mal im Geldbeutel nachzusehen, ob da nicht doch noch ein letzter Fünf-Euro-Schein zu finden sei.

Das ist keine Inflation. Obwohl die Teuerung durch die Milliarden aus den Entlastungspaketen nicht enden will, bleibt das viele Geld aus der Neuverschuldung ja nicht im Markt der deutschen Realwirtschaft. Es fließt zügig ab, und zwar zu einem erheblichen, vermutlich sogar zum ganz überwiegenden Teil ins Ausland.

Im Binnenmarkt herrscht, trotz steigender Preise, Ebbe in allen Kassen. Eine Ebbe, die jetzt schon dazu führt, dass massenhaft Bauanträge zurückgezogen werden, sowohl für den Eigenheimbau als auch für den Mietwohnungsbau. Eine Ebbe, die immer mehr Unternehmen vor die Frage stellt: Umziehen, ins günstigere Ausland, oder den Laden schließen.

In meinem Buch: „Links abgebogen – Was auf Deutschland zukommt„, habe ich für Ende 2022 eine offiziell ausgewiesene Zahl von 3 plus x Millionen Arbeitslosen vorhergesagt.

Der Ausblick auf die vier Monate, die uns bis dahin noch verbleiben, lässt kaum Hoffnung, dass es noch zu Korrekturmaßnahmen oder gar zu einer Umkehr kommen könnte. Ich fürchte daher, dass die Realität meine Prognose aus dem Oktober 2021 bestätigen wird.

Geht mir bloß weg mit Grün!