Energiepreis-Explosion

Das Wetter im Jahr 2021 war in Deutschland bisher nicht sonderlich warm, sondern eher mild. Bei oft bedecktem, regnerischem Himmel waren die Luftdruckunterschiede gering.

Mit etwas Humor könnte man spötteln: Der Kampf der grünen Geistesriesen gegen die Erderhitzung zeigt erste Wirkungen.

Unglücklicherweise sind die Klimahelden nicht um Argumente verlegen, mit denen sie den Beweis führen, dass auch dieser Sommer, nach einem langen, kühlen Frühjahr, samt dem sich nun anschließenden feuchtkühlen Herbst selbsterständlich ebenfalls Folge des Klimawandels ist, der halt die gesamte Atmosphäre der Erde ganz fürchterlich durcheinander gebracht hat, so dass man sich über überhaupt nichts mehr zu wundern braucht, selbst nicht über die Zunahme des arktischen Meereises, solange nicht die Dekarbonisierung vollendet ist.

Nun gut. Wir Deutschen leben seit jeher in einer Klimazone, in der sich heiße Jahre mit kalten Jahren abwechseln. In den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Infrastruktur in Trümmern lag, waren lange kalte Winter schon mal ein Problem für die Energie- und Wärmeversorgung der Bevölkerung. Doch als die Netze wieder standen, die Infrastruktur für Kohle, Gas, Benzin und Strom wieder aufgebaut war und sich dem steigenden Bedarf laufend anpasste, konnte wettermäßig kommen, was da wollte, wir waren gewappnet. Die Bahn plakatierte stolz tiefverschneite Landschaften und planmäßig verkehrende Züge mit dem Slogan: „Alle reden vom Wetter – wir nicht!“

Und nun füllen sich allmählich die Zeitungsspalten mit unheilvollen Botschaften, die Energieknappheit des kommenden Winters betreffend?

Das kann doch gar nicht sein. Wir haben so viele Photovoltaik-Anlagen auf den Dächern und auf den einst landwirtschaftlich genutzten Flächen, soviele Windräder in den Ebenen und auf bergigen Höhen, dass es kaum noch gelingt, in Deutschland eine Landschaftsfotografie zustande zu bringen, bei der man nicht per Photoshop die Windräder und die Solarpaneele wegretuschieren muss, um ein Bild unberührter Natur zu schaffen. Schwimmen wir denn nicht in jener Energie, für die die Sonne keine Rechnung schreibt?

Klar. Zuerst fehlt uns das Gas, heißt es. Deswegen explodieren die Gaspreise. „Huch!“, denkt der deutsche Michel, „da hätten wir uns doch nicht auf das Russengas einlassen sollen. Jetzt haben wir den Salat. Der Putin dreht uns den Hahn ab und macht mit den um das Vier- und Fünfache gestiegenen Gaspreisen einen Riesenreibach, während wir schlotternd in ungeheizten Wohnungen sitzen werden.“

Weder ARD, noch ZDF, noch die großen meinungsführenden Tageszeitungen halten es für erforderlich, dieses falsche Denken zu korrigieren. Es wirkt eher so, als hielten sie solche Gedankengänge sogar für zweckmäßig, um ihr geliebtes Feindbild zu stabilisieren.

Tatsächlich liefert Russland die vereinbarten Gasmengen, und zwar zu unveränderten, vertraglich festgelegten Preisen von  220 Dollar pro 1000 Kubikmeter. Allerdings liefert Gazprom nicht an die Endabnehmer, sondern an die großen Energieversorger, die letztlich die Preise für die Endabnehmer festlegen und bei Verbraucherpreisen von über 1000 Dollar pro 1000 Kubikmeter nicht schlecht verdienen.

Natürlich ist so etwas in einem funktionierenden Markt vollkommen ausgeschlossen. Wofür hat die EU denn den Gasmarkt dereguliert, wenn jetzt nicht die Konkurrenz mit ihrem Angebot die völlig überhöhten Preise wieder drücken würde? Gut gedacht! Leider ist die Konkurrenz ausgesprochen klein, was Preisabsprachen erfahrungsgemäß erleichtert. Aber ausschlaggebend ist die Tatsache, dass derzeit wirklich nicht genug Gas da ist, obwohl die Russen die vereinbarten Mengen liefern. Da gilt dann halt: Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis. Kleines Angebot – hohe Nachfrage – hohe Preise.

Wieso ist jetzt aber kein Gas da? Hieß es nicht, wegen der Pandemie und der Lockdowns sei der Energiebedarf in der ganzen EU deutlich zurückgegangen. Da müssten doch eher Überschussmengen am Markt sein, oder?

Nun, wie eingangs erwähnt, hatten wir in diesem Jahr ein eher mildes Klima, viel bedeckten Himmel und geringe Luftdruckunterschiede. Das sind ausgesprochen ungünstige Voraussetzungen für die Produktion von so genannten „erneuerbaren“ Energien. Die geplanten Strommengen aus Photovoltaik und Windkraft kamen nicht ins Netz. Die Reste der konventionellen Kohle- und der verbliebenen Kernkraftwerke konnten diese Minderproduktion nicht ausgleichen, so dass immer wieder und immer wieder für lange Zeitabschnitte die Gaskraftwerke als letzte Rettung der deutschen Stromversorgung hochgefahren werden mussten.

Nun kann man sich verwundert fragen: Wenn da das Gas da war, als es gebraucht wurde, warum ist es denn jetzt nicht mehr da?

Gute Frage, aber falsch gedacht. Die großen Mengen Gas, die dabei verbrannt wurden, die hätten eigentlich die unterirdischen Gasspeicher füllen sollen, damit wir mit diesen Reserven über den Winter kommen. Das Gas ist jetzt nicht mehr da, weil es als Ersatz für Sonnen- und Windenergie verbrannt wurde. Das war strategisch so ausgedacht: Bei kontinuierlicher Gaslieferung über das ganze Jahr hinweg ergab sich aus der Dimensionierung der Pipelines für die warmen Monate ein Überschuss, der gespeichert wurde, um den vermehrten Gasbedarf in den kalten Monaten, bei gleichbleibender Gaslieferung decken zu können. Das hat bisher immer gut funktioniert. Je mehr aber Strom aus Gas erzeugt werden musste, weil die Kernkraftwerke und die Kohlekraftwerke abgeschaltet wurden, desto weniger blieb für die Auffüllung der Speicher übrig. Die sind jetzt nicht, wie sie es sein sollten, zu 100% gefüllt, sondern nur zu ca. 70 Prozent, und damit kommt es zu Verteilungskämpfen um das Gas, was vertragsemäß geliefert wird. Diejenigen, die ganzjährig sehr viel Gas verbrauchen, wie zum Beispiel Düngemittelfabriken, wetteifern um den Rohstoff mit denjenigen, die ihre Gaskraftwerke betreiben müssen, um den Strommangel auszugleichen und mit jenen, die bemüht sind, doch noch ein paar Kubikmeter in die Speicher zu pressen, um Vorräte für den richtigen Winter zu sammeln.

Rumms! Knallen die Gaspreise in die Höhe. Die Nebenkosten-Abrechnungen werden im nächsten Frühjahr viele Mieter in die Verzweiflung treiben. Das ist heute schon abzusehen.

Es kann doch wohl aber nicht sein, dass wir nicht auch von woanders her Gas einkaufen könnnten. Haben uns die Amis nicht geradezu gezwungen, Terminals für ihr Fracking-Flüssiggas zu errichten?

Haben sie. Stimmt. Aber sie liefern nicht. Jedenfalls nicht nach Europa. In Asien zahlt man höhere Preise. Also schippern die Tanker über den Pazifik nach China, statt über den Atlantik nach Europa. Beim Geld hört die transatlantische Freundschaft auf. Das hat der Markt schon mal gerichtet.

Wieso schalten wir dann aber nicht einfach ein paar eingemottete Kohlekrafwerke wieder ans Netz? Die sind doch extra dafür in Reserve?

Wäre schön, wenn das so einfach wäre. Aber: Um Kohlekraftwerke zu betreiben, braucht man Kohle! Da sind wohl einige vor uns auf die Idee gekommen. Kohle ist teuer geworden, der Markt ist leergekauft. Ein in Vollbetrieb befindliches Kohlekraftwerk in Deutschland musste wegen Kohlemangel bereits abgeschaltet werden! Darüber schreiben bisher nur die Deutschen Wirtschaftsnachrichten (hinter der Bezahlschranke).

So zeigt sich, dass der Kampf gegen den Klimawandel uns nicht nur den unzuverlässigen Flatterstrom beschert, der ganz erhebliche Anforderungen an den Netzbetrieb stellt, um Stromabschaltungen und großflächige Ausfälle zu verhindern, sondern dass die Schwankungen der Jahresgesamtmengen  der „Stromernte“ katastrophale Auswirkungen auf die Versorgung mit Erdgas und Kohle haben, deren dadurch ausgelöste Verteuerung nicht nur die Gaskunden trifft, sondern auch die Stromkunden, weil die Verteuerung der Energieträger natürlich auch im Strompreis wirksam wird.

Dass sich die Wirtschaftsminister der EU jetzt (schon) zusammensetzen, um ein Krisenprogramm zu erarbeiten, ist ja schön und gut. Sollten Sie die Gas- und Kohlepreise deckeln wollen, wie man in Berlin die Mieten deckelt, ist auch das gut für diejenigen, die Gas bekommen, wie es in Berlin für diejenigen gut ist, die eine Wohnung haben.

Unglücklicherweise haben staatliche Eingriffe in die Preisgestaltung bisher aber weder zusätzlichen Wohnraum hervorgebracht, noch werden sie jetzt zusätzliches Gas in die EU bringen.

Bei den Mieten hilft nur Wohnungsbau. Bei der Energie helfen nur zuverlässige Grundlastkraftwerke mit ausreichender Kapazität.

Dass bei der Bundestagswahl nur ein Sechstel der Wahlberechtigten die Grünen gewählt haben, sollte eigentlich zu denken geben, ob die energiepolitischen Vorstellungen der Grünen in der Bevölkerung wirklich jene Zustimmung finden, welche die Grünen für sich und ihre potentiellen Koalitionspartner hineininterpretieren.

Schluss mit der irrationalen Panik!

Deutschland braucht eine sichere  und preiswerte Energieversorgung.

Wenn das in der Energiepolitik nicht bald wieder mit höchster Priorität behandelt wird, können wir den Laden dichtmachen.

So wie die Briten gerade zwei große Düngemittelfabriken dichtmachen mussten, weil die Gaspreise die Produktion unwirtschaftlich gemacht haben. Für die Ernte im nächsten Sommer darf schwarz gesehen werden, da die notwendigen Erträge ohne den notwendigen Kunstdünger nicht eingefahren werden können. Doch schon jetzt sind die Folgen zu spüren. Bei der Düngemittelproduktion aus Erdgas entsteht nämlich CO2. Dieses CO2 wird industriell genutzt um zum Beispiel die Kohlensäure in die Erfrischungsgetränke zu bringen, um verderbliche Lebensmittel unter einer CO2-Schutz-Atmosphäre zu verpacken, und überhaupt um das an vielen Stellen zur Kühlung verwendete Trockeneis herzustellen.

Übrigens: 60 % des in GB benötigten CO2 stammten aus den beiden stillgelegten Düngemittelfabriken.  Ein Engpass, an den auch niemand gedacht hat, als man  sich vom Hockeystick in Trance hat versetzen lassen.