An der Pandemie ein Süppchen kochen – Der neuerliche Ruf nach den Euro-Bonds

Betrachtet man die neuerlich aufgeflammte Diskussion um die Euro-Bonds, nun auch gerne schon mal voll-pandemisch „Corona Bonds“ genannt, kommt man sich vor, wie einer, der vor der Vorstellung im Theater auf dem Programmzettel gelesen hat, man gäbe am Abend „Wallensteins Tod“ – und wenn sich dann der Vorhang hebt, ist auf der Bühne Octavio im 11. Auftritt des 5. Aufzugs zugange und spricht die schicksalsschweren Worte:

„Es darf nicht sein. Es ist nicht möglich!“

Der Italiener Conte ist es, der sich zum Richter über Treu und Glauben in einer EU aufschwingt, in der größtmögliche Forderungen, verbrämt mit leeren Schwüren in den Raum gestellt werden, aber ein Anspruch auf jegliche Gegenleistung, und sei es nur der Wunsch nach einer Verhaltensänderung beim Schuldenmachen, als unzulässige Einmischung empört zurückgewiesen wird.

Vergessen der erste Aufzug zu Maastricht, als man sich feierlich schwor, dass nie einer des anderen Schuld zu tragen haben werde, dass alle sich an gemeinsame verbindliche Regeln halten wollten. Nichts ist geblieben, von dem vielfach gebrochenen Vertrag. Stattdessen wird ein erpresserisches Ringen dargeboten, angefacht natürlich auch von Merkels töricht-verräterischem Satz: „Zerbricht der Euro – zerbricht Europa“.

Nur weil die deutsche Administration am Euro hängt,

aus unerfindlichen Gründen übrigens, denn  die Behauptung, dass Deutschland am meisten vom Euro profitiere, ist doch nichts als ein rechthaberisches Lügen in die eigene Tasche,

sind die so genannten Südländer überhaupt in der Lage, ihr selbstsüchtiges Betteln als berechtigte Forderung darzustellen.

Tausendmal, und das reicht noch nicht, sind die Argumente ausgetauscht. 

Der Euro verhindert den wirtschaftlichen Aufschwung der wirtschaftlichen schwachen Volkswirtschaften. Warum aber will Italien dennoch im Euro bleiben?

Weil es sich, solange man nur den Euro hat, auch ohne wirtschaftlichen Aufschwung ganz gut leben lässt.

Klar, die Italiener könnten mit einer massiv abgewerteten Lira ihre Exporte steigern, aber sie müssten eben auch ihre Importe einschränken.  Vor allem aber muss bedacht werden, dass die Freiheit, den Wechselkurs der eigenen Währung beeinflussen zu können, die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft, weder qualitativ noch quantitativ  steigern kann – und das ist der eigentliche Knackpunkt. Ungleichheiten in der Leistungsfähigkeit werden sich immer als Ungleichheiten im Wohlstand zeigen, es sei denn, der Leistungsfähigere lässt es zu, dass Teile seines Ertrags dauerhaft zur Alimentation des weniger Leistungsfähigen abgezweigt werden.

Diese Dauer-Alimentation ist jedoch die beste Gewähr dafür, dass sich die Leistungsunterschiede vergrößern und verstetigen. So wie sich in Deutschland die Hauptstadt rühmt, kostenlose Kita-Plätze anzubieten, während Bayern, als Zahlmeister im Länderfinanzausgleich, im eigenen Land sparsamer mit den Mitteln umgeht, werden auch die Südländer nicht zur Sparsamkeit gezwungen sein, solange weder die Target 2 Salden ausgeglichen werden müssen, noch die EZB aufhört, Staatsfinanzierung über die Notenpresse durch den Ankauf von Staatsanleihen zu betreiben. Natürlich ginge noch ein bisschen mehr, könnten der Zinsaufwand für die Staatsverschuldung gesenkt werden. Es ist den Italienern nicht zu verdenken, dass sie sich das wünschen.

Aber irgendwann sollte jemand aufstehen und erklären: Der Euro ist kein Kindergeburtstag! Entweder ihr werdet vernünftig – oder wir treten aus.

Entscheidungen, die über Jahre, im Grunde sogar über Jahrzehnte hinweg wegen nicht ausreichender Sachkompetenz und fehlender strategischer Staatsziele einfach nicht getroffen wurden, dieses ewige ziellose Lavieren gerade der deutschen Wirtschafts- und Finanzpolitik, macht mit jedem nicht ausgesprochenen Machtwort nur erpressbarer.

Dass Italien im Augenblick innerhalb der EU die höchsten Zahlen Infizierter und Verstorbener ausweist, ist Ergebnis einer Momentaufnahme, die schon in ein oder zwei Wochen ein ganz anderes Bild ergeben kann. Es ist keinesfalls ein Argument für Corona-Bonds, also dafür, Italien Zinserleichterungen zu verschaffen.

Man denke nur daran, wie es China gelungen ist, den Zuwachs der Neuinfektionen zu stoppen, während die USA in einem sagenhaften Spurt inzwischen an den Chinesen vorbeigezogen sind. Müssen Chinesen und die USA jetzt deswegen gemeinsame Schuldverschreibungen emittieren?

Ja. Natürlich ist das absurd. Aber warum sind die Forderungen der EU-Südländer weniger absurd?

Alle Begründungen, die jetzt kommen könnten, verweisen doch auf Vorstellungen von der Beschaffenheit der EU, die in der Realität absolut nicht existieren!

Die EU ist kein Staat.

Die EU ist ein Konstrukt zur Optimierung der Profite aller im Staatsgebiet der EU operierenden Großkonzerne. Sonst nichts.

Und das, was entfernt an einen Staat erinnert, nämlich das Parlament, das vortäuscht, ein Parlament zu sein, und die Kommission, die vortäuscht, eine Regierung zu sein, und der Rat, der vortäuscht, so etwas wie ein Staatsoberhaupt zu sein, das ist doch nicht mehr als die Farbe an der Fassade.