Fish & Chips aus Magdeburg

Würde man die Flussfischerei an der Elbe rings um Magdeburg mit 10 Milliarden Euro fördern, wären die 10 Milliarden zwar auch futsch, aber wenigstens im Lande geblieben.

Was ist eine Chip-Fabrik?

Um einen despektierlichen Vergleich zu bemühen: Eine Chip-Fabrik entspricht in der Wertschöpfungskette in etwa dem menschlichen Enddarm.

Die Chip-Fabrik repliziert und stößt aus, was anderswo ersonnen wurde, mit Hilfe hochkomplexer, höchst präziser Maschinen, die anderswo ersonnen und produziert wurden. Die Chip-Fabrik ist eine reine, stumpfsinnige Replikationsanlage, eingeschlossen in Rein- und Reinst-Räume.

Das Chip-Design für spezielle Anwendungen, entsprechend dem menschlichen Gehirn, die Software zur Umsetzung des Designs in hyperkomplexe Schaltungen und zur Herstellung der Belichtungsschablonen, mit deren Hilfe später die Siliziumwafer in der Chipfabrik mit Fremdatomen dotiert werden, haben mit der Fabrik nichts zu tun. Und, weil die Fabrik Intel gehören wird, hat die Fabrik auch nichts damit zu tun, wer in welchen Quantitäten und zu welchen Preisen mit den Chips aus dieser Produktionsstätte beliefert werden wird.

Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts hatte SIEMENS in München in der Balanstraße auf dem damaligen Stand der Kunst die Entwicklung und Produktion von ICs begonnen. Das lief, nach allem, was ich damals darüber hörte, ziemlich gut an. Legendär die Auftritte des damaligen Bereichsvorstands Friedrich Baur, der einen großen Sack mit Transistoren ausschüttete, um dann zwischen Daumen und Zeigefinger einen kleinen Chip zu präsentieren, der mehr Transistoren enthalte als der große Sack fassen konnte.

Aber hohe Entwicklungskosten und anfangs zu geringe Ausbeuten an einwandfreien Chips machten die Produkte teuer. Dann kam die Order aus dem SIEMENS-Zentralvorstand, dass die bisherige Praxis, dass alle SIEMENS-Bereiche Komponenten und Vorfertigungsteile aus dem großen SIEMENS-Verbund beziehen müssen, beendet werde. Stattdessen sollten SIEMENS-Teile nur noch dann eingesetzt werden, wenn sie billiger angeboten werden als Konkurrenzprodukte aus dem Weltmarkt. Da war nicht mehr viel zu machen. Mit einer Milliarde aus dem Staatssäckel (entspricht den inflationsbereinigten 10 Milliarden, die Lindner jetzt Intel in den Rachen wirft) wäre das m.E. anders ausgegangen und wir hätten heute eine eigene, autonome Chip-Industrie in Deutschland.

Es ist ein fataler Irrtum zu glauben, mit der Subventionierung  einer reinen Fertigungsanlage für Chips könne Deutschland den Anschluss an die technologische Entwicklung wiederfinden. Zumal die Beschäftigten dieser Fabrik weder Zeit, noch Gelegenheit finden werden, in die tieferen Geschäftsgeheimnisse Intels einzudringen. Intel wäre ja blöd, sich derart in die Karten schauen zu lassen. Da hat ein Bauarbeiter beim Betongießen größere Chancen, die Regeln der Baustatik zu ergründen.

Was aber wollen nun ausländische Investoren mit einer Fabrik in Deutschland?

Naiv, wer glaubt, da säßen Menschenfreunde, die Arbeitsplätze schaffen wollen, damit 1.000 Deutsche wieder in Lohn und Brot kommen. Naiv, wer glaubt, es solle im Rahmen der unverbrüchlichen Transatlantischen Freundschaft ein Technologietransfer in die Wege geleitet werden.

Es geht einzig darum, den Gewinn für die Aktionäre zu steigern.

Im Falle Intel/Magdeburg dadurch, dass die Produktionskapazitäten der wachsenden Nachfrage angepasst und ausgeweitet werden, was mehr Umsatz ermöglicht und daraus auch steigende Unternehmensgewinne.

Im Klartext heißt das:

  1. Die gesamte Investition muss über die Umsatzerlöse zurückfließen, sich also amortisieren. Damit wäre das Projekt bereits mit einer schwarzen Null ausgegangen.
  2. Über die Abschreibungen auf die Anlagen und die Kosten des laufenden Betriebs müssen auch regelmäßig Gewinne aus dem Umsatz generiert werden.
  3. Sind die Anlagen abgeschrieben werden sie aufgegeben. Die Technik ist ja schon wieder ein gutes Stück weiter. Adieu Chipfabrik.

Der Betrieb der Chipfabrik in Deutschland und für den deutschen Bedarf bringt Deutschland per Saldo einen Verlust, der sich in einer negativen Zahlungsbilanz ausdrückt, weil der Zahlungsstrom von Deutschland in die Konzernkassen in den USA während der Nutzungszeit der Fabrik den Zustrom von Finanzmitteln in der Investitionsphase übersteigen muss. Wird überwiegend für den nichtdeutschen Markt produziert wird die Analyse der Zahlungsströme etwas komplexer, läuft aber zuletzt auf das Gleiche hinaus.

Sollte der ROI (Return on Investment) ungünstiger ausfallen, hätten sich die Intel-Manager verspekuliert, doch die verstehen ihr Handwerk und haben sich mit dem 10 Milliarden Geschenk aus der deutschen Steuerkasse schon einmal einen gewaltigen Puffer gegen die Unbilden des Weltmarktes geschaffen.

Es ist nichts anderes als während der Kolonialzeit die Ausrüstung für eine Kaffeerösterei nach Kolumbien zu schaffen: Ausbeutung der Kolonie.