Wie die Welt funktioniert

Wie die Welt funktioniert?

Der Titel dieses Beitrags ist natürlich grober Unfug. Auf ein paar Seiten lässt sich nicht erklären, wie die Welt funktioniert. Dafür ist die viel zu groß, diese Welt. Der Versuch, zu beschreiben, wie das Leben der Menschen auf dieser Welt funktioniert, erscheint dagegen etwas aussichtsreicher.

Der Einzelmensch – im Zeitraffer betrachtet – wird geboren, trinkt, wächst, isst und trinkt, wächst heran, isst und trinkt, hat erfolgreich Sex, isst und trinkt, verfällt, isst und trinkt, stirbt.

Weniger verkürzt sieht die Realität etwas anders aus. Bis der Mensch herangewachsen ist, ist er mindestens auf einen Menschen angewiesen der ihn versorgt und ihm das Wichtigste beibringt. Danach muss er das Erlernte anwenden, um essen und trinken zu können, weil er sich ja nicht selbst anknabbert. Hat er einen Fortpflanzungspartner gefunden und stellt sich Nachwuchs ein, wird er für eine gewisse Zeit das Erlernte anwenden müssen, um drei Menschen mit Essen und Trinken zu versorgen.

Insofern unterscheidet sich der Mensch nicht vom Storch, außer, dass er kein Gefieder hat und nicht fliegen kann.

So, wie Störche aussterben, wenn sie kein Wasser und keine Nahrung finden, müssen auch die Menschen aussterben, wenn sie kein Wasser und keine Nahrung finden.

Sie müssen nicht aussterben, wenn sie kein Netz haben. Sie müssen noch nicht einmal aussterben, wenn sie keinen Strom haben. Sie müssen nicht aussterben, wenn sie keine Häuser haben und sie müssen nicht aussterben, wenn sie keinen Rasierapparat, keinen Hammer und keine Schuhe haben.

Erst wenn ihnen der Zugang zu Nahrung und Wasser verweigert wird, dann geht’s mit ihnen dahin.

Hier eröffnet sich der Blick auf das reale Existenzminimum. Alles was darüber ist, kann man dem Menschen wegnehmen oder verweigern, solange er sich in einer Klimazone befindet, in der die Gefahr des Erfrierens nicht besteht, weil er eben kein Gefieder hat und nicht wegfliegen kann, wenn es ihm zu kalt wird.

Natürlich ist so ein Mensch, der keine anderen Fertigkeiten beherrscht, als selbst für sein Futter zu sorgen und sich fortzupflanzen kaum zu etwas nütze.

Also lässt man ihn, den Menschen, einen Beruf erlernen. Die Ausübung des Berufes hält ihn davon ab, in ausreichender Menge Nahrung zu finden. Doch der Schmied darf nicht verhungern. Daher müssen alle anderen etwas mehr Futter sammeln, damit der Schmied auch etwas essen kann.

Weil der Schmied aber schmieden muss, hat er einen Chef. Der Chef nimmt das Geschmiedete und tauscht es gegen Futter ein. Von dem, was er an Futter erhalten hat, gibt er dem Schmied, was der braucht, um bei Kräften zu bleiben. Alles andere behält er für sich. Es könnten ja schlechte Zeiten kommen.

Der Chef des Schmiedes ist also im Prinzip ein Zuhälter – und nun sollte der Aha-Effekt  eintreten:

Das Leben der Menschen auf dieser Welt ist ein einziger,
ineinander verflochtener Wust von Zuhältereien.

Innerhalb dieses Wustes bilden sich Hierarchien heraus. Am unteren Ende stehen überall die, die anschaffen gehen. Die Arbeitsbienen. Am oberen Ende steht der Chef des Clans, der König von St. Pauli. Nicht anders ist es in jedem Unternehmen. Je größer, desto mehr Hierarchie, und alle Stufen der Hierarchie nähren sich von dem Honig, den die Bienen heranschaffen. Sicher, auf jeder Stufe der Hierarchie muss noch Arbeit erbracht werden, doch die hat mit dem Honig selbst nichts mehr zu tun – nur damit, dem König der Honigfabrik den allergrößten Anteil an der Arbeit der gesamten Struktur zukommen zu lassen.

Irgendwo, ganz oben, über dem Honigkönig und dem Bekleidungskönig und dem Smartphone-König und den anderen Königen, sitzen die  Zaren und Kaiser des Kapitals, womit der momentan wichtigste Strang  der Hierarchie hinreichend beschrieben ist.

Der Staat, eine Erfindung mit vielfältigen Erscheinungsformen, von  der Militärdiktatur bis zur Basisdemokratie nach Schweizer Vorbild, bildet eine eigene Hierarchie, deren Bestand ausschließlich auf der Fähigkeit beruht, gewaltsam Ordnung zu schaffen. Am unteren Ende stehen als Kämpfer die Polizisten und Soldaten, die mit Tun oder Nichtstun dafür sorgen, dass den anderen Hierarchien genügend Mittel abgepresst werden können, um sämtliche Stufen darüber auskömmlich zu versorgen, bis hinauf zum Präsidenten oder zum König oder Kaiser.

Je mehr der Staat seine Gewalt einsetzt, um die Bienen der Kapital-Pyramide an Streik und Aufruhr und der Aufstellung unbilliger Forderungen zu hindern, desto besser gedeiht das Kapital und desto mehr (relativ) wird dem Staat vom Kapital als Anteil  an der Beute zugebilligt.

Je weniger der Staat für Ruhe auf der untersten Stufe sorgt, desto stärker wird das Kapital die Sache selbst in die Hand nehmen und dem Staat, der an der Seite der Arbeitsbienen nichts zu suchen hat, das Wasser abgraben.

Das ist einfach, ist dem Kapital doch eine eigene kleine Hierarchie zu eigen, die darauf spezialisiert ist, Stimmungen herzustellen und zu verändern. Der Staat als solcher wiederum unterhält ebenfalls eigene Medien, um Stimmungen herzustellen und zu verändern.

Wo die Medien von Kapital und Staat im Gleichklang arbeiten, herrscht Harmonie zwischen Kapital und Staat, was zwangsläufig dazu führt, dass die Menschen näher an das absolute Existenzminimum herangeführt werden können.

Dort werden sie von einer weiteren Hierarchie erwartet, nämlich der Hierarchie der Hoffnungsvermittler und Paradiespropheten. Gewerkschaften, Kirchen, auch manche Parteien, tummeln sich da, wo die Menschen unter der Last der Gewalt des vom Kapital instrumentalisierten Staates leiden und spenden gegen Geld Trost, versprechen gegen Geld Hoffnung und fordern, gegen Geld, Demut und Geduld, weil anders das Himmelreich nicht zu gewinnen ist.

Im Laufe der Geschichte haben sowohl die Kirchen als auch Parteien als auch Gewerkschaften in bestimmten Teilen der Welt die Oberherrschaft über alle Hierarchien an sich gerissen, doch letztlich sind sie alle wieder von der Spitze verschwunden und haben sich entweder dem Kapital oder der Gewalt des Staates anheischig gemacht, mitzuhelfen, die Arbeiter ruhig zu halten.

Wenn es etwas gibt, was die Menschheit wirklich vom Tierreich unterscheidet, dann ist es die Tatsache, dass die von einem Alphatier geleiteten Herden der Menschheit millionenfach größer sind als die größten derartigen Rudel und Herden im Tierreich, und dass selbst bei besten Bedingungen nur die Alpha-Tiere der Menschen auf den oberen Hierarchiestufen wirklich „satt“ werden, weil den einfachen Herdentieren der Überfluss, den sie hervorbringen, grundsätzlich weggenommen wird.

Um diese Hierarchien und den steten Fluss der Erträge an die Spitzen der Hierarchien zu verbergen und zudem die Leistung enorm zu steigern, hat sich das Instrument der vertikalen Mobilität bewährt.

Dazu wurde die Notwendigkeit, vor allem auf den unteren Hierarchiestufen, willige Sklaventreiber zu finden, auf äußerst raffinierte Weise zum Leistungswettbewerb umgestaltet. Unter zwanzig Arbeitsbienen hat alle fünf Jahre eine die Chance, zur Oberbiene aufzusteigen. Unter zwanzig Oberbienen wird alle fünf Jahre eine zur Oberoberbiene ernannt. Unter zwanzig Oberoberbienen darf  sich alle fünf Jahre eine mit dem Prädikat Prokurist, oder Amtsgerichtspräsident, usw., schmücken. Dann folgen die Generaldirektoren und die Landräte und die Parlaments-Abgeordneten, danach die Regierung und die Großaktionäre und die Kardinäle.

Nur wer sich anstrengt hat die Chance aus dem harten Joch der untersten Ebene in das etwas sanftere Joch der nächsthöheren Ebene zu wechseln. Nur wer sich anstrengt, bekommt etwas mehr von dem, was für die unteren Ränge übrig bleibt, nachdem sich die oberen Ränge bedient haben.

Wer ein Stück emporgeklommen ist – und sich nicht mehr anstrengt, weil er zufrieden ist, wird zwar – je höher der Rang, desto länger – ertragen, aber zugleich verunglimpft, er sei nun bis zur Stufe der Unfähigkeit aufgestiegen (Peter Principle) und wird bei nächster Gelegenheit entsorgt.

Die Chance, ganz in die Spitze der Kapitalhierarchie aufzusteigen ist für alle, die nicht mit dem goldenen Löffel im Mund geboren wurden, praktisch gleich Null.  Dennoch mühen sich hier besonders viele ab.

Die Chance ganz in die Spitze der Staatshierarchie aufzusteigen, ist weitaus größer. Die Chance dafür, im Laufe eines Lebens einmal Bundeskanzler zu werden, dürfte so ungefähr bei eins zu zehn Millionen liegen. Für den Minister etwa bei eins zu einer Million. Dafür allerdings ist auch die reguläre Bezahlung in einem halbwegs funktionierenden Rechtsstaat weitaus geringer. Wo die großen Kapitalhierarchen jährlich hunderte von Millionen, manche sogar Milliarden einheimsen, bleibt für einen Bundeskanzler, alle geldwerten Vorteile mitgerechnet, noch nicht einmal eine Million.

In weniger als mindestens halbwegs funktionierenden Rechtsstaaten ist das Blühen der Korruption in der Hierarchie des Staates  daher unausbleiblich.

Ebenso ist das Absinken von Rechtsstaaten in Richtung Bananenrepublik umso wahrscheinlicher, je länger die gleichen Personen in den gleichen Positionen mit den gleichen Aufgaben betraut sind, das heißt, je mehr die Kontrolle der Regierung durch demokratische Institutionen und letztlich durch die Wahlbürger unterbleibt oder durch zielgerichtete (Des-) Information unterbunden wird.

Wo ein Staatsvolk seiner Regierung jeden Rechtsbruch, jedes selbstherrliche Agieren außerhalb von Recht und Gesetz bedenkenlos durchgehen lässt, nur weil Regierung und Medien die Alternativlosigkeit ungesetzlichen Handelns erklären, muss die Demokratiefähigkeit dieses Staatsvolkes in Zweifel gezogen werden.

Dabei ist es egal, ob das teilnahmslose Zusehen aus purem Desinteresse, aus blanker Dummheit oder aus gezielter Verdummung und Dummhaltung entstanden ist.

Wer als Demokrat seine Stimme abgeben will, sollte reif genug sein, zwischen Worten und Taten, sowie zwischen Worten und Absichten unterscheiden zu können. Er sollte reif genug sein, die Taten nach geltendem Recht zu beurteilen und niemals offenkundige Rechtsbrecher wiederwählen, auch dann nicht, wenn sie seiner eigenen Partei angehören, sondern dafür sorgen, dass ihnen, wo immer möglich, der Prozess gemacht wird.

Wer als Demokrat seine Stimme abgeben will, sollte zudem reif genug sein, seine eigenen Interessen und die Interessen der gesamten Gesellschaft von den Interessen der Kaiser des Kapitals zu unterscheiden. Das ist schon schwieriger, denn ohne Hierarchien ist die Gesellschaft nicht lebensfähig, doch müssen die Privilegien der Hierarchen auf den Prüfstand und, wo sie ausgeufert sind, wieder zurechtgestutzt werden.

Bei gleichem BIP kann es den wertschöpfenden  Menschen an der Basis der Pyramiden immer nur um so viel besser gehen, wie an den Spitzen der Pyramiden gekappt wird.

Nähmen wir in Deutschland von den Spitzeneinkommen die ohne nennenswerte eigene Leistung aus Kapitalanlagen und Unternehmensgewinnen bezogen werden, nur ein Drittel weg, könnte der Staat jedem der rund 40 Millionen Haushalte alle Jahre ein Weihnachtsgeld in Höhe von rund 4.000 Euro überweisen.

 

Von Arbeit ist – außer den Arbeitgebern – noch niemand reich geworden, denn die wissen, dass der Arbeitnehmer im Grunde nicht mehr als das Existenzminimum braucht, um nützlich zu sein. Die Geschichte der Sklaverei erzählt davon – doch wird auch hier in unseren Tagen ein neues Kapitel geschrieben.

Vor 16 Jahren hat Gerhard Schröder das von Ludwig Erhard verschlossene Tor zur Sklaverei wieder aufgestoßen. Vor drei Jahren hat Angela Merkel den Sklavenhändlern den Weg nach Deutschland freigemacht.

Letzte Woche hat die Staatengemeinschaft – wohl maßgeblich auf Betreiben der deutschen Regierung – in  einem von der Mehrzahl der Staaten  angenommenen Pakt beschlossen, alle Sklaven in aller Welt über alle Grenzen frei laufen zu lassen, auf dass sie fortan in Konkurrenz mit allen anderen die minimalen Mittel  für die Erhaltung der Existenz selbst da suchen sollen, wo sie hoffen, sie zu finden.

 

Wie lange wird  es noch dauern, bis überhaupt jemand begreift, dass wir davon mehr betroffen sind als die Fernsehbilder erahnen lassen?

Und wie lange wird es dann noch dauern, bis wir feststellen, dass niemand von irgendwoher kommen wird, um für uns zu kämpfen? Wie lange wird es dauern, bis uns klar wird, dass wir unser Schicksal selbst in die Hand nehmen müssen?

Klar ist, dass es danach gar nicht lange dauern wird, bis uns klar wird, dass es inzwischen für alles zu spät ist.

 

Die Monarchie des Deutschen Reiches von 1871 haben wir nach 47 Jahren mit der Novemberrevolution beendet. Nach 14 Jahren haben wir – vor allem Dank der Versailler-Verträge – die  Weimarer Republik an die Nationalsozialisten übergeben. Das dritte Reich endete nach 12 Jahren in Schutt und Asche. Nach vier Jahren Besatzung hielten die beiden Teilstaaten noch vierzig Jahre, bis die Abstimmung mit den Füßen, die von den DDR-Bürgern erfunden wurde, faktisch einen neuen Staat hervorbrachte, der nun zügig auf sein dreißigstes Jahr zugeht.

Wie viele Jahre wird er in seinem heutigen Zustand wohl noch überdauern?