Kampf gegen die Engpässe

Nicht erschrecken, dies ist wohl die entscheidende Neuerung zur Aufhebung der Kostendämpfung im Gesundheitswesen, und soll in das Fünfte Buch des Sozialgesetzbuches eingefügt werden

§ 130a wird wie folgt geändert:
a) Nach Absatz 3c wird folgender Absatz 3d eingefügt:„(3d) Für in § 35 Absatz 1a Satz 2 genannte Arzneimittel, für die nach Absatz 1a Satz 4 ein fiktiver Festbetrag festgesetzt wurde, bestimmt sich abweichend von Absatz 3a der Preisstand als Basispreis aus dem um 50 Prozent angehobenen fiktiven Festbetrag auf Grundlage des Abgabepreises der pharmazeutischen Unternehmer ohne Mehrwertsteuer. Für in § 35 Absatz 5 Satz 8 genannte Arzneimittel bestimmt sich abweichend von Absatz 3a der Preisstand als Basispreis aus den um 50 Prozent angehobenen Festbetrag auf Grundlage des Abgabepreises der pharmazeutischen Unternehmer ohne Mehrwertsteuer, der zuletzt für das Arzneimittel galt. Für Arzneimittel, die in der nach § 35 Absatz 5a Satz 1 erstellten Liste aufgeführt sind und deren Festbetrag aufgehoben wurde, bestimmt sich abweichend von Absatz 3a der Preisstand als Basispreis entsprechend Satz 2. Für Arzneimittel, die in der nach § 35 Absatz 5a Satz 1 erstellten Liste aufgeführt sind und für die zum Zeitpunkt der Bekanntmachung der nach § 35 Absatz 5a Satz 1 erstellten Liste oder der Änderung dieser Liste kein Festbetrag galt, bestimmt sich abweichend von Absatz 3a der Preisstand als Basispreis aus dem um 50 Prozent angehobenen zuletzt geltenden Preisstand gemäß Absatz 3a. Für Arzneimittel, für die das Bundesministerium für Gesundheit eine Bestimmung nach § 35 Absatz 5b
Satz 3 getroffen hat und für die zum Zeitpunkt der Bekanntmachung dieser Bestimmung kein Festbetrag galt, bestimmt sich abweichend von Absatz 3a der Preisstand als Basispreis aus dem um 50 Prozent angehobenen zuletzt geltenden Preisstand gemäß Absatz 3a. Die Sätze 1 bis 5 finden ab dem … [einsetzen: Datum des ersten Tages des siebten auf die Verkündung folgenden Kalendermonats] Anwendung.“

Bis zu welcher Zeile haben Sie den Text im Kasten gelesen? Ehrlich …

Gut, dann will ich Ihnen die Übersetzung nicht vorenthalten. Es ist ein sorgfältiger formulierter Brief, im Grunde eine Art Kapitulationserklärung. Der sieht so aus:

 |    Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland
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Liebe, wertgeschätzte Leiter und Lenker der weltweiten Pharmazeutischen Industrie,

wir haben in den letzten Jahren zu der Erkenntnis gefunden, dass es sich bei der Pharmazie um einen anbieterdominierten Markt handelt und Sie sich von uns mit unseren Festpreisvorschriften und Rabattregeln nicht um Ihre Ertragskraft bringen lassen.

Danke, dass Sie dennoch einige gute Jahre lang vorgegeben haben, unser Spiel mitzuspielen, wenn auch oft genug mit gezinkten Karten.

Doch einmal musste Ihre Geduld zu gehen und das haben Sie uns auf überaus freundliche Weise wissen lassen. Es gab keinen Streit, kein Gerangel um Prozente, kein Feilschen um Euro und Cent – Sie haben Ihre Produkte einfach dort vermarktet, wo sie von anderen mehr gewürdigt wurden als von uns.

Wir wollen uns Ihrem noblen Stil in aller Freundschaft anpassen. Auch wir wollen nicht zäh und impertinent in Detailverhandlungen einsteigen und bieten Ihnen heute ohne Wenn und Aber an, ab sofort mit Preisaufschlägen von 50 Prozent in den deutschen Markt zurückzukehren.

Mit allergrößter Hochachtung

 

 

P. S. : Wir hoffen sehr, damit eine für alle Seiten befriedigende Lösung gefunden zu haben. Sollten wir jedoch Ihre Vorstellungen noch nicht vollständig getroffen haben: Ein freundlicher Hinweis genügt und wir werden entsprechend nachbessern. (Ganz bestimmt!)

Weil der komplette Gesetzestext dem von mir vorgestellten Abschnitt in Bezug auf die Lesbarkeit in nichts nachsteht, verlinke ich hier auf die offizielle Seite des Lauterbach-Ministeriums, wo der Kabinettsbeschluss in vereinfachter Sprache vorgestellt wird.

Ach, was haben sich die Globalisierungskritiker – ich eingeschlossen – die Finger wund geschrieben und vor den Gefahren und Abhängigkeiten gewarnt in die man sich hat treiben lassen. Nun, wo die Globalisierung einen nächsten Level erklommen hat, nämlich die Renationalisierung der Politik bei unveränderten Produktions- und Absatz-Regionen (wie beim Monopoly, wenn die meisten Häuser und Hotels verbaut sind), bestätigt sich erneut: Wer nicht hören will, muss fühlen.

Zunehmende Importe bei rückläufiger Binnenproduktion bedeuten nämlich nicht nur den Export von Arbeitsplätzen (=Import von Arbeitslosigkeit) und den Verlust von Knowhow, der sich sowohl in der Verschrottung von Maschinen und Anlagen zeigt, als auch auch im Verlust des Wissens in den Köpfen der Beschäftigten und dem Einschlafen von Forschung und Entwicklung in den aufgegebenen Technologien.

Zunehmende Importe machen vor allem abhängig.

Diese Abhängigkeit ließ sich scheinbar durch gegenläufige Abhängigkeit von deutschen Produkten so weit kompensieren, dass sie nicht allzu offensichtlich ausgenutzt wurde, doch Deutschlands Position auf dem Weltmarkt ist nicht mehr so stark wie sie einmal war – und so verwandeln wir uns Schritt für Schritt zum Bittsteller. Ob es um Gas von Scheichs und Emiren geht, um Chips aus US-Fertigung und asiatischen Fabriken, ob es um Obst und Gemüse geht, um nachgefragte Fachkräfte oder eben um Medikamente: Entweder wir zahlen die geforderten Preise in unserer EU-Weichwährung oder wir gehen leer aus.

Damit sind wir in einer Situation, die sich von der eines Entwicklungslandes vor allem dadurch unterscheidet, dass den Ärmsten dringend benötigte Medikamente manchmal kostenlos überlassen werden, doch dafür ist bei uns dann doch noch zu viel zu holen, als dass die Philantropen ihren Humanismus ins Schaufenster stellen wollten.

Andererseits sind wir immer noch in einer viel besseren Ausgangslage als China vor 30 Jahren. Die Frage ist jetzt, ob wir warten wollen, bis wir auf diesen Zustand abgesunken sind (Stichwort: Kulis auf Lastenrädern), oder ob wir vorher noch zur Besinnung kommen und den Marsch in die Deindustrialisierung abbrechen. China hat bewiesen, dass sich der Traum vom „Phönix aus der Asche“ realisieren lässt. Auch Russland, unter Jelzin noch kurz vor dem Abgrund stehend, ist technisch und wirtschaftlich weiter als je zuvor in seiner Geschichte.

Natürlich kostet das Anstrengungen und Einschränkungen. Meinetwegen darf auch von Blut, Schweiß und Tränen geredet werden. Doch der Ruck, der dazu erforderlich wäre, ist von der Ampel nicht zu erwarten. Von da kommt nur ein teurer Rohrkrepierer-Wumms nach dem anderen, verbrämt mit Gendersprech und dem Mimimi von der kulturellen Aneignung.

Wenn dieser Tage die deutschen Familienunternehmer zusammenkommen und die Wirtschaftspolitik des Klimaschutzministers und die Ausgaben- und Steuerpolitik des Geldbeschaffungsministers hart kritisieren, dann sollte man das nicht als Lappalie  abtun. Viele dieser Unternehmen in Familienbesitz sind groß genug, um Deutschland den Rücken zu kehren, die Flucht zu ergreifen und in Nationen anzukommen, wo sie willkommen sind und ihnen mit etwas Glück beim Neustart mit Subventionen noch unter die Arme gegriffen wird.

Statt einfach nur den Forderungen der internationalen Pharma-Industrie nachzugeben, hätte Lauterbach wenigstens den Grundstein für eine deutsche Elite-Universität mit Schwerpunkt Medizin legen und Wissenschaftler aus aller Welt begeistern sollen, die dort angebotenen Lehrstühle anzunehmen. Das wäre ein Investititon in die Zukunft – höhere Preise akzeptieren ist nur Konsum.

Es ist doch nichts anders als beim Wohnungsbau. Erst wenn der Staat Geld für den Sozialen Wohnungsbau in die Hand nimmt und zugleich die Bauvorschriften entrümpelt, wird Wohnraum in Deutschland wieder bezahlbar werden.

Preisbremsen helfen beim Wohnungsbau ebenso wenig, wie bei der Medikamentenversorgung.

Kapiert das denn niemand?