Wer von Medizin und Pharmakologie keine Ahnung hat und durch zielloses Herumgoogeln auf die Website der TU Wien gerät und dort liest:
„Eine Chemikerin der Technischen Universität (TU) Wien begibt sich auf die Suche nach ungewöhnlichen Strukturen in Schlangengiften und möchte deren medizinische Einsetzbarkeit nachweisen. Was in den fünfziger Jahren bereits in Form des blutdrucksenkenden Mittels Captopril® gelang, erfährt in der Analyse der Gifte von südamerikanischen Grubenottern und tropischen Klapperschlangen eine interessante Fortsetzung mittels neuer proteomanalytischer Werkzeuge“,
könnte zu der Auffassung gelangen, der Biss der Jararaca-Lanzenotter sei für Bluthochdruckpatienten ein sinnvoller, natürlicher Ersatz für blutdrucksenkende Medikamente. Gelingt es einem solchen Wahrheitsverbreiter dann auch noch, seine Weisheit in einem Fernsehinterview unwidersprochen verkünden zu dürfen, könnte der illegale Handel mit Giftschlangen ebenso zunehmen wie die Todesfälle durch Schlangenbisse.
Ein vergleichbares Beispiel für gefährliches Halbwissen ist mir gestern, am Vorabend des endgültigen deutschen Atomausstiegs, im bayerischen Fernsehen begegnet.
Einer Reporterin, die mit den Attributen „jung“, „hübsch“ und „selektiv aggressiv“ hinreichend charakterisiert werden kann, hat sich mit ihren Interviewpartnern Hubert Aiwanger (Freie Wähler) und Rosi Steinberger (Bündnis 90, die Grünen) vor der Kulisse des Kernkraftwerks Isar 2 aufgebaut. Das Interview gibt es in der BR Mediathek ab Minunte 2:56.
Aiwanger erklärt darin mehrfach, dass in Folge der Abschaltung mehr Kohle und mehr Gas verstromt werden müsse und dazu noch mehr Strom aus dem Ausland importiert werden müsse.
Frau Steinberger sagt dazu: „Die Wahrheit ist, dass wir ja Netto-Exporteur sind. Wir liefern ja Strom ins Ausland, und zwar doppelt so viel, wie die Atomkraftwerke, die letzten drei, jetzt geliefert haben. Doppelt so viel liefern wir ins Ausland, also wir sind seit zwanzig Jahren Exportnation …“
Das damit preisgegebene Halbwissen aus der grünen Worthülsenfabrik unterschlägt, bis auf die Tatsache, dass wir mehr Strom exportiert als importiert haben, so ziemlich alles, was für eine vernünftige Einordnung erforderlich wäre: vom gesetzlich vorgeschriebenen Vorrang der Erneuerbaren im Netz bis zu den physikalischen Grundvoraussetzungen der Netzstabilität, vor allem aber die Tatsache, dass Deutschland, bei selbstverursachtem Strommangel an windstillen trüben Tagen und Nächten horrende Preise für die Megwattstunde aus ausländischer Erzeugung zahlen muss, während der grünengemachte deutsche Überschussstrom an sonnigen Tagen mit gutem Wind zum Teil nur noch dann Abnehmer findet, wenn es zum Strom auch noch Geld dazu gibt. Die nachstehende Grafik zeigt Importe und Exporte der letzten 7 Tage.
Gefunden bei Agora Energiewende
Die dunkle Linie zeigt den Saldo aus Stromimporten und -exporten, notiert an der linken Skala in Gigawatt, die hellblaue Linie zeigt den Strompreis an, der für Importe bzw. Exporte gezahlt wurde, notiert in Euro pro Megawattstunde an der rechten Skala.
Typisch:
Am 10. und 11. April waren die deutschen Exporte hoch und erreichten in der Spitze fast 20 Gigawatt. Gezahlt wurde dafür während der Spitzenexporte etwa null Euro, zeitweise wurden sogar negative Preise erzielt, Deutschland musste also zuzahlen. In den Folgetagen wurden mehrfach bis zu 8 Gigawatt importiert. Dafür waren in der Spitze 175 Euro pro Megawattstunde zu zahlen.
Seit heute fehlen in der deutschen Stromerzeugung gut vier Gigawatt gesicherte Leistung aus den drei Atomkraftwerken, die allerdings in der Woche vom 9. bis 16. April bereits auf rund 2,7 Gigawatt herungeregelt waren.
Die Saldenlinie aus Importen und Exporten verschiebt sich also um knapp 3 Gigawatt nach unten, Richtung Importe, während die Linie der Preise für den Importstrom sich nach oben, in Richtung 200 Euro pro Megawattstunde verschieben wird.
Die Reporterin des BR, jung, hübsch und selektiv aggressiv gegenüber Hubert Aiwanger, hat Frau Steinberger diese Unterschlagung unkommentiert und ohne Nachfrage durchgehen lassen. Ob es sich dabei um den feministischen Schulterschluss gegen den alten weißen Mann Aiwanger, um die absichtliche und manipulative Verbreitung von Halbwahrheiten oder einfach nur um fachliche Inkompetenz gehandelt haben mag, will ich hier nicht beurteilen. Eine journalistische Glanzleistung war dieser Beitrag jedenfalls nicht.