Kein Kriegsbericht

Ach, wie schön und gut informiert war die Welt doch, als die USA und Großbritannien auszogen, Saddam Hussein das Fürchten zu lehren. Die schaurig schönen Bilder des Feuerscheins über der im Bombenhagel liegenden Stadt Bagdad, die Stimmen der in die Kampfhandlung eingebundenen, live berichtenden Journalisten, die Landkarten mit den eingezeichneten Pfeilen der Marschrouten der Panzerkeile, die sich von Süden, von Basra her, Kilometer für Kilometer siegreich vorarbeiteten – das war noch Kriegsberichterstattung vom Feinsten. Da war man quasi mittendrin.

Das vermisse ich bei diesem Krieg in der Ukraine. Das können die Russen einfach nicht. Außer ein paar sterilen Satellitenaufnahmen eines US-Unternehmens, die Militärkonvois zeigen, und ein paar Fotos mit Rauchsäulen, gibt es praktisch nichts zu sehen. Zu hören und zu lesen gibt es mehr, aber das ist höchst widersprüchlich, und, egal wem man Glauben schenken will, es bleibt ein erheblicher Rest an Zweifel übrig.

Es scheint mir daher nur folgerichtig, über das konkrete Geschehen in der Ukraine nicht zu berichten.

Sehr viel klarer sind allerdings die Kollateralschäden zu erkennen, die dieser Krieg in Deutschland bereits angerichtet hat.

Dabei handelt es sich – bisher noch – nur um schwere Einschläge in Gehirne, die ausreichten, um auch da das Unterste zu oberst zu kehren, wo es bisher allem Anschein nach noch fein säuberlich unten gehalten worden war. Vor allem kam es zur Explosion jener bis dahin wohlgehüteten, viel benannten, doch nie wirklich gezündeten Worthülse von der „gewachsenen internationalen Verantwortung Deutschlands“, deren enorme Splitterwirkung so ziemlich alle getroffen hat, die nun meinen, dieser Verantwortung, quasi aus dem Nichts heraus und auf einen Schlag gerecht werden zu müssen.

Waffenlieferungen in Krisengebiete hatte sich die Bundesrepublik Deutschland verboten, dabei durchaus immer wieder auch einmal ein Hintertürchen gefunden, ohne jedoch dabei im Hochhalten des Grundsatzes innezuhalten. Nun soll geliefert werden. Panzerfäuste und Stinger-Raketen, und man hört, KMW habe noch 50 fix und fertige Leopard-Panzer auf Lager, die man der Ukraine gerne zur Verfügung stellen würde. Die EU hat 450 Millionen Euro für Waffenlieferungen an die Ukraine locker gemacht, wovon natürlich der größte Brocken aus der Kasse des deutschen Finanzministers beigesteuert werden wird.

Nun ist ein Krieg zwar immer eine Art Glücksspiel (siehe Afghanistan), doch sollte die Wahrscheinlichkeit, dass das ukrainische Militär das russische Militär wieder aus dem Land verjagen könnte, als sehr, sehr niedrig eingeschätzt werden. Daran ändern auch reichliche Waffenlieferungen nichts. Was dadurch erreicht werden kann, ist lediglich eine Verlängerung der Kampfhandlungen, die Vermehrung der materiellen Schäden und ein Anwachsen der Opferzahlen auf beiden Seiten. Diese Überlegung soll beim Verbot der Waffenlieferungen in Krisengebiete einst durchaus auch eine Rolle gespielt haben. Doch hinter der gewachsenen Verantwortung Deutschlands müsse solche Überlegungen zurückstehen, schon alleine, um im transatlantischen Bündnis nicht schon wieder als Spielverderber dazustehen.

Maximale Aufrüstung der seit der Wiederbewaffnung ins Grundgesetz geschriebenen „Streitkräfte zur Verteidigung“ steht nun seit Sonntag auch auf dem Programm. Dass das Grundgesetz dazu ausführt: „Ihre zahlenmäßige Stärke und die Grundzüge ihrer Organisation müssen sich aus dem Haushaltsplan ergeben“, steht meines Erachtens doch in einem mehr als gelinden Widerspruch zu der Schaffung eines „Sondervermögens“ im Umfang von 100 Milliarden Euro, und sogar zu der Ansage, dass – ab sofort – das 2-Prozent-Ziel für die Militärausgaben eingehalten und überschritten werden soll. Allerdings löst sich dieser Widerspruch auf, sobald man berücksichtigt, dass Bundeskanzler Scholz keine „roten Linien“ mehr kennt. Nicht, dass ich falsch verstanden werde: Den miserablen Zustand der Bundeswehr beklage ich seit langem – und werde dies auch weiterhin tun, bis daran, dass die deutschen Streitkräfte zur Verteidigung Deutschlands fähig sein werden, kein Zweifel mehr besteht. Hier wird jedoch jedes vernünftige Vorgehen auf den Kopf gestellt. Es wird die Ermächtigung für eine Netto-Neuverschuldung in Höhe von 100 Milliarden Euro erteilt, die – weil es sich um „Sondervermögen“ handelt – im Bundeshaushalt gar nicht ausgewiesen werden wird, ohne dass dem eine gründliche Analyse des Bedarfs, die Planung der Beschaffung und der notwendigen Umorganisation der Streitkräfte vorangegangen wären. Ich fürchte, das hat sich Olaf Scholz bei seinem Besuch in Washington als Hausaufgabe mitgeben lassen.

Sanktionen mit der Lizenz zur Selbstverstümmelung sind eine feine Sache, wenn man sich, wie gerade unsere Außenministerin, damit in die Schuhe Winston Churchills stellen und an seine Blut-Schweiß-und-Tränen-Rede vom 13. Mai 1940 anknüpfen kann. Ihre Bereitschaft, im Kampf für unsere Demokratie und unsere westlichen Werte, auch harte Einschränkungen in Kauf zu nehmen, wo doch „unsere“ Demokratie und unsere „westlichen Werte“ nur insofern bedroht sind, als es immer noch nicht gelungen ist, die Ukraine in die NATO aufzunehmen, wirft bei mir die Frage auf, ob man als „Young Global Leader“ auch eine Art „Amtseid“ abzulegen hat, welcher der Verpflichtung, Schaden vom deutschen Volke abzuwenden und seinen Nutzen zu mehren, im Range vorgeht. Immerhin hat sie anerkannt, dass es ohne russisches Gas und ohne russische Kohle ziemlich eng werden könnte, für Deutschlands Energieversorgung.
Vorgestern schrieb ich in diesem Zusammenhang: „Ich bin entsetzt!“ Das bin ich immer noch. Beschwichtiger versuchen zu erzählen, Russland könne den Ausschluss aus SWIFT und das Einfrieren der Guthaben der russischen Zentralbank ja mit Kryptowährungen umgehen. Entschuldigung, aber das ist saudummes Geschwätz, das allenfalls  geeignet ist, den Kurs von Bitcoin & Co. in der Erwartung einer stark steigenden Nachfrage in die Höhe zu treiben. Tatsächlich wären russische Guthaben in westlichen Kryptowährungen noch unsicherer als ein Guthaben bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, BIZ. Die Sanktionen gegen das russische Finanzsystem wurden nicht aus Jux und Tollerei als „Atombombe“ bezeichnet. Sie sind es – und zwar eine Atombombe in russischer Hand. Sollte Putin beim Ausbleiben der Zahlungen für fällige Öl- und Gasrechnungen die Lieferungen einstellen, und ich frage mich, warum er das nicht in Erwägung ziehen sollte, dann gehen nicht nur innerhalb weniger Tage in Westeuropa die Lichter aus, dann stehen auch alle Räder still, und der wahrscheinlichste Fall, der dann eintreten würde, sieht so aus, dass unsere Nachbarn, die noch Strom aus Atomkraftwerken und Kohlekraftwerken erzeugen können, Deutschland aus dem europäischen Netz heraustrennen, um wenigstens selbst halbwegs über die Runden zu kommen, und Deutschland dem freien Spiel der Kräfte von Wind und Sonne überlassen.

Laufzeitverlängerung der letzten drei Kernkraftwerke, ein Geistesblitz von Robert Habeck, wird von den Betreibern ausgeschlossen. Alles ist auf die Abschaltung hin vorbereitet und geplant. Von den notwendigen Inspektions- und Wartungsarbeiten einmal ganz abgesehen: Die im Einsatz befindichen Brennstäbe sind dann ausgebrannt – und neue hätten längst bestellt werden müssen. Hat man aber nicht. Es hieß ja: „Ende Gelände!“

LNG-Terminals in Brunsbüttel und Wilhelmshaven, noch eine Habeck-Idee. Ja. Bauen kann man die. Mag etwas komplexer sein, als einen Flughafen zu errichten, aber wenn wir jetzt den Startschuss geben, dann könnten die ja durchaus in fünf Jahren in Betrieb gehen, oder eben in acht, oder in zwölf. Kostet auch ein bisschen Geld. Ist aber nur Geld, macht also nichts. Flüssiggas ist auch noch ein bisschen teurer als gasförmiges Gas, macht aber auch nichts, ist ja nur Geld. Dass die Strompreise weiter steigen macht auch nichts, ist ja nur Geld, und dann streichen wir eben die EEG-Umlage von der Stromrechnung und zahlen die Subventionen für die Erneuerbaren aus der unerschöpflichen Staatskasse.

Noch schnellerer Ausbau der Windenergie. So lässt sich ein Krieg in der Ukraine sogar nutzen, um den grünen Traum des majestätischen Anblicks von 100.000 Windrädern in Deutschland auch gegen die letzten Widerstände  beschleunigt wahr werden zu lassen. Ignoriert wird dabei weiterhin, dass auch 100.000 Windräder kein bisschen Strom liefern, wenn gerade mal kein Wind wehen mag.