Was außerdem noch funktioniert …

Mein jüngstes Video, mit dem Titel „Das Positive“, mündete in den Aufruf, mir doch bitte mitzuteilen, was ich bei meiner kurzen Aufzählung dessen, was in Deutschland funktioniert, übersehen haben könnte.

Ich hatte erwähnt:

  • Die Infrastruktur der Trinkwasserversorgung
  • Die Kupferkabel-Infrastruktur für Festnetztelefonie und Fax
  • Die technische Sende-Infrastruktur für Rundfunk und Fernsehen

Versprochen hatte  ich, alle weiteren, von Ihnen entdeckten Einrichtungen und Prozesse öffentlich zu machen, die funktionieren, ohne dass mir das bewusst gewesen wäre.

Das Ergebnis stellt mich vor ein Problem.

Ich habe insgesamt nur 5 Antworten erhalten.

  • Liegt das daran, dass nur 40 Prozent der Zuschauer das Video bis zu der Stelle angesehen haben, an der ich um Rückmeldungen gebeten habe?
  • Liegt es daran, dass sich von diesen 40 Prozent nur ein verschwindender Anteil der Mühe des eigenen Nachdenkens unterzogen hat?
  • Oder  liegt es daran, dass außer den drei genannten Beispielen doch nichts aufzufinden ist, was in Deutschland sonst noch funktioniert?

Nein, ich habe die fünf Mails, die mich erreicht haben, nicht vergessen. Es ist nur so, dass das, was darin angeführt wurde, einerseits auf eine Bestätigung meiner Aussagen hinausgelaufen ist, bis hin zu der Annahme, dass auch Trinkwasserversorgung, Telefon, sowie Rundfunk und Fernsehen nicht mehr wirklich funktionieren, während andererseits funktionierende Systeme genannt wurden, die ich jedoch nur in einem größeren Kontext (Schaden vom deutschen Volke abwenden und seinen Nutzen mehren) betrachten will, und in diesem Kontext eben als dysfunktional ansehe.

Jetzt der Reihe nach.

Zuschrift 1:

Lieber Herr Kreutzer,

leider stimmt keine Ihrer Aussagen!

  • Die Trinkwasserversorgung funktioniert nur, wenn – wie hieß das Zeuch noch mal – ach ja, wenn genug Strom da ist. Bleibt zu hoffen, daß das THW genug Generatoren, Leute und Sprit hat, um bei einem flächendeckenden Stromausfall an jedem Aufstellort von Pumpen auch einen jeweils passenden Generator mit genug Sprit und Bedienpersonal dazustellen kann.
  • Die Telekommunikation – Sie ahnen es vielleicht – funktioniert nur, wenn Strom für das Endgerät da ist. Leider hat die Telekom die ehemals vorhandenen Batteriespeicher im Rahmen der ISDN-Abschaltung abgebaut, da sie wartungsintensiv waren. Ohne Strom – kein Piepsen aus dem Hörer, selbst bei einem „Analog-Anschluss“…
  • Die Rundfunk-Versorgung funktioniert auch nur mit Generatoren vor Ort, wenn es mal zum Stromausfall kommt. Früher gab es einen von derBundeswehr (Igittigitt!) betriebenen Ersatzsender für den auf Mittelwelle sendenden Deutschlandfunk. Sender und Sendemasten waren transportabel. Sogar die Sendemasten waren redundant ausgelegt. Alles abgeschafft.

Es bleibt nichts übrig. Gar nichts.

Viele traurige Grüße

Fortsetzung:

ich vergaß noch – Verzeihung – zu erwähnen,

  • daß die UKW-Sender mittlerweile auf Gleichwellenbetrieb ausgelegt sind, damit man Sender und Frequenzband (für lukrative Mobilfunk-Frequenzen) frei bekommt. Sollte da eine russische Drohne – um Moskau zu schützen, versteht sich, am GPS-Signal ein bißchen wackeln, ja dann, tja, dann geraten die schönen Gleichwelle austrahlenden UKW-Sender aus dem Takt und man hört nur noch Rauschen, wie beim Urlaub auf Sylt.
  • P.S.: Die alten eingestampften Warnämter, mit eigenem CRBN-Messzug werden de fakto vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe mehr oder weniger wieder neu erstellt, aber mit wesentlich weniger belastbarer Infrastruktur – ein Schelm, der Böses dabei denkt…

Christoph P.

Dazu ist von meiner Seite aus zu sagen, dass die Stromversorgung zwar bereits zu jenen Dingen gehört, die nicht mehr funktionieren, weil die Stromversorgung nur noch mit Mühe überhaupt aufrechterhalten werden kann, weil die produzierten Strommengen längst nicht mehr ausreichen, um den eigenen Bedarf zu decken, so dass Deutschland seit Abschaltung der letzten drei Kernkraftwerke Netto-Strom-Importeur ist, obwohl die energieintensive Industrie schon viele Verbraucher abgeschaltet  hat und sich auf Wanderschaft ins Ausland begeben hat, und die Stromversorgung funktioniert auch deshalb nicht mehr, weil die einst überall verfügbare, saubere Energie inzwischen nur noch zu so hohen Preisen angeboten werden kann, dass sie zum Inflationstreiber geworden ist. Strom ist nichts mehr, was den Nutzen mehrt, sonst müsste der Strom für die Industrie nicht mit Steuergeldern subventioniert werden, sondern inzwischen etwas, das sich zu einem Schadfaktor für die Volkswirtschaft entwickelt hat.

Die von mir genannten drei Bereiche technischer Infrastruktur funktionieren jedoch noch. Sie sind nicht kaputt, fehlerbehaftet und dysfunktional. Es wird offenbar auch Sorge dafür getragen, dass der erforderliche Strom dafür durchgängig bereitgestellt wird. Dass sie ohne Strom ebenfalls nicht funktionieren würden, ist zwar richtig – aber dieser Fall ist noch nicht eingetreten.

Zuschrift 2:

Die Abwasserinfrastruktur funktioniert genauso hervorragend wie die Wasserinfrastruktur.

– Nur in Berlin nicht. (Weiter führe ich das nicht aus.)

Mit freundlichen Grüßen

Thomas S.

Dazu passt Zuschrift 3:

Hallo Herr Kreutzer,

fast hätte ich Ketzer geschrieben. Nein, wunderbar diese 3 Dinge. Es sind tatsächlich das Lebensmittel Nr. 1 und die Kommunikation unter den Menschen, die auch in meinen Augen essentiell sind. Da können wir wirklich froh sein!

Es fehlt noch die Erwähnung der Kanalisation, die vielleicht nicht mehr ganz so gut ist, aber doch leidlich funktioniert. Ebenfalls lebensnotwendig.

Ja, die Kanalisation. Da war ich mir auch nicht ganz sicher, doch schließlich habe ich sie unter „funktioniert nicht“ einsortiert. Dazu beigetragen hat der jüngste Bericht über den Zustand des öffentlichen deutschen Kanalnetzes, Datenbasis 2018, aus dem ich hier nur einen Absatz und einen ergänzenden Satz zitiere:

  • Demnach liegt der Anteil von „Haltungen“, die sich in den Zustandsklassen 0 bis 2 befinden und somit einen kurz bis mittelfristigen Sanierungsbedarf aufweisen, unter den teilnehmenden Kanalnetzbetreiber bei 24,7 %. Für Gesamtdeutschland ergibt sich ein Anteil von 18,7 %. Es wird deutlich, dass der unbewertete Anteil für die Hochrechnung auf Deutschland größer ist als bei alleiniger Betrachtung der Teilnehmer. Zum Schadensumfang und Sanierungsbedarf der noch nicht inspizierten bzw. bewerteten Kanalnetzlängen (18,6 % Umfrageergebnis bzw. 24,8 % Hochrechnung Deutschland) kann an dieser Stelle keine belastbare Aussage getroffen werden. Auch wenn davon ausgegangen werden kann, dass vielfach Kanäle jüngeren Herstellungsdatums sowie sanierte Kanäle noch nicht inspiziert wurden.
  • Jährlich werden rund 1 % des öffentlichen Kanalnetzes in Deutschland saniert.

Bringt man diese beiden Aussagen miteinander in Verbindung, so heißt das, dass es mindestens 25 Jahre dauern wird, bis der bereits bestehende kurz- und mittelfristige Sanierungsbedarf abgearbeitet sein wird, ohne, dass die bis dahin ebenfalls dringend sanierungsbedürftig gewordenen Abwasserstrecken schon berücksichtigt wären. Es sickert also weiterhin Abwasser aus den Leitungen in den Untergrund und von da aus – an einer Stelle relativ schnell, an anderer Stelle kann es Jahre dauern – ins Grundwasser.

Ein weiterer Aspekt besteht darin, dass die meisten Kläranlagen (noch) nicht in der Lage sind, bestimmte Schadstoffe in ausreichendem Umfang zurückzuhalten. Dazu gehören vor allem Arzneimittelwirkstoffe, einschließlich künstlicher Hormone, wie sie auch in der Viehzucht in großem Maßstab eingesetzt werden, und die so genannten Mikro-Plastik-Partikel.

Last but not least sind viele Kanäle wegen der von der Politik verkündeten Wasserspar-Appelle, aber auch wegen der hohen Kosten für Wasserver- und Abwasserentsorgung nicht mehr ausreichend ausgelastet, was dazu führt, dass Kanäle regelmäßig von den Betreibern mit großen Mengen von Frischwasser gespült werden müssen, was die Abwasserentsorgung nochmals verteuert.

Zuschrift 3 – zweiter Teil:

Mit Sicherheit vergessen haben Sie aber das Tributsystem. Pünktlich, zuverlässig, akribisch arbeitend, mit ausreichend Personal bestückt arbeiten die Einziehungsbehörden preußisch exakt.
Passt ganz gut zum Thema: Ich habe an meinem Bulli jetzt folgenden Aufkleber montiert:

„Offizieller Sponsor der Bundesrepublik Deutschland.“

Hatte ich unterwegs auf einem LKW gesehen. Hat schon für nette Gespräche gesorgt.

Machen Sie bitte so weiter!

Gruß aus M.
Gunnar S.

Hier findet sich eine Überschneidung mit Zuschrift 4:

Sehr geehrter Herr Kreutzer,

etwas ist Ihnen entgangen, was in diesem Lande immer noch funktioniert: die Finanzämter…

Mit freundlichen Grüßen

Volker G.

Auch hier war ich ursprünglich versucht, ähnlich zu argumentieren. Doch die Aussage, dass die Finanzämter funktionieren – was noch in Frage gestellt werden muss – ist ja nichts, worüber im Lande Freude herrscht, sondern eher schon Verzweiflung, der Raffgier des Staates nicht ausweichen zu können. Das allerdings trifft wiederum nur die „kleine Frau“ und den „kleinen Mann“ von denen ein Großteil zwar keine Lohn- und Einkommensteuer zahlt, weil die anrechenbaren Einkommen unterhalb der Freibetragsgrenze bleiben, die aber über die unübersehbare Zahl von Verbrauchssteuern unerbittlich zur Kasse gebeten werden und damit einen größeren Anteil ihres verfügbaren Einkommens beim Staat abliefern müssen, als so mancher Einkommensmillionär. Diese Verbrauchssteuern belasten die Finanzämter im Übrigen nur sehr wenig. Die Arbeit machen die „Verkäufer“, bzw. deren IT-Systeme kostenlos für das Finanzamt, wo dann nur noch, ebenfalls von Maschinen, die Plausibilität geprüft wird, was neben den vielen Möglichkeiten der Steuervermeidung, die eher den gut betuchten Zeitgenossen offen stehen, auch die Türen für den Steuerbetrug offen stehen.

Nehmen wir nur den Mehrwertsteuerbetrug innerhalb der EU, der seit Jahrzehnten beklagt wird, aber offenbar nicht auszurotten ist. Das ZDF hat erst vor einem Jahr (29.11.22) diese Aussage gesendet:

Dieses sogenannte Mehrwertsteuerkarussell kostet die Europäische Union nach Schätzungen von Europol jährlich fast 50 Milliarden Euro. An diesem Betrug sind mehrere Unternehmen beteiligt, die in mindestens zwei EU-Mitgliedsstaaten ansässig sind.Er besteht darin, den Abzug oder die Erstattung der Mehrwertsteuer auf eine innergemeinschaftliche Warenlieferung zu erhalten, obwohl diese Mehrwertsteuer nicht an die zuständige Steuerbehörde abgeführt wurde.

Ähnlich verhält es sich beim Steuerbetrug mit den so genannten Cum-ex-Geschäften, bei denen sich die Profiteure nie gezahlte Steuern zurückerstatten lassen konnten (und vielleicht immer noch können). Dabei hielten die Beteiligten ihre Masche für legal, weil sich in den Steuergesetzen nichts fand, was dagegen gesprochen hätte. Erst der Bundesgerichtshof konnte mit  seinem Urteil vom 28. Juli 2021 – 1 StR 519/20  wie folgt Klarheit schaffen:

Mit seiner Entscheidung hat der Bundesgerichtshof die Auffassung der Vorinstanz bestätigt, dass die Geltendmachung tatsächlich nicht einbehaltener Kapitalertragsteuer gegenüber den Finanzbehörden auf der Grundlage derartiger Cum-Ex-Geschäfte den Straftatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt.

An einer vorsätzlichen Begehung konnte – wie das Landgericht ohne Rechtsfehler ausgeführt hat – kein Zweifel bestehen, weil die Beteiligten um den Dividendenstichtag herum bewusst arbeitsteilig auf die Auszahlung nicht abgeführter Kapitalertragsteuer hingewirkt haben. Zum Zeitpunkt der Begehung der Taten sah das Gesetz bereits in den insoweit einschlägigen Vorschriften eine klare und eindeutige Regelung vor, gegen die die Beteiligten nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts verstoßen haben. Dies ergibt sich schon daraus, dass nur die tatsächlich einbehaltene Kapitalertragsteuer zur Anrechnung und Auszahlung angemeldet werden darf. Zudem betrifft die von der Revision angeführte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zum wirtschaftlichen Eigentum solche Konstellationen nicht, weil der bloße Abschluss derartiger Leerverkaufsabreden kein wirtschaftliches Eigentum begründen konnte.

Hin und wieder beschäftigt sich der Bundesrechnungshof mit dem „Funktionieren“ der Finanzämter. Hier ein kurzer Auszug aus dem Bericht aus dem Jahre 2006 in dem darauf hingewiesen wurde, dass seit dem letzten Bericht von 1993 nichts besser geworden sei:

Trotz dieser besonderen Bedeutung stellte der Bundesrechnungshof bereits im Jahr 1993 fest, dass die Steuerverwaltung in Deutschland in zunehmendem Ausmaß Schwierigkeiten hat, ihren gesetzlichen Auftrag zur Festsetzung und Erhebung der Steuern ordnungsgemäß zu erfüllen. Seitdem sind jedoch keine Verbesserungen eingetreten. Im Gegenteil:

In der Praxis werden seit mehreren Jahren die Misere der Steuerverwaltung und stetig wachsende Vollzugsmängel beklagt. Deshalb hat der  Bundesrechnungshof die derzeitige Lage der Steuerverwaltung im Bereich der Steuerfestsetzung − insbesondere im Veranlagungsbereich und bei den Prüfungsdiensten – untersucht. Das Ergebnis dieser Prüfung ist in dem vorliegenden Band des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung zusammengefasst.

Dass es viel zu wenige Steuerfahnder gibt, obwohl vieles für die Annahme spricht, dass jeder Steuerfahnder weit mehr Steuereinnahmen für den Staat retten kann als er selbst an Personalkosten verursacht, ist ja wohlbekannt. Dennoch hier noch ein Link auf die Süddeutsche zur Situation der Steuerfahndung in Bayern, wo es – nicht unbedingt mit großem Abstand – am schlimmsten sein soll.

Hier noch Zuschrift 5:

Hallo Herr Kreutzer,

was auch noch hervorragend funktioniert ist die von Mund zu Mund Kommunikation, nämlich den Nachbarn bei einer falschen Meinungsäußerung oder einer falschen Heizung/ Heizweise, oder ausufernder Lebensweise z.B Fleisch essen, sofort an die, die es gut meinen, zu melden!

Die lückenlose Überwachung der Feinde der Demokratie per W– LAN, Smartphone, Smart TV, Auto-Navi, Rauchmelder und so weiter!

Dabei will ich es bewenden lassen, es gibt bestimmt noch mehr Wortmeldungen!

Es grüßt ganz herzlich

B.H

So leid es mir tut. Hier wird Staatsversagen als „Funktionieren“ umgedeutet. Statt die Grund- und Menschenrechte des Grundgesetzes hochzuhalten und zu schützen, wie Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Post- und Fernmeldegeheimnis, Unverletzlichkeit der Wohnung usw., werden Meldestellen für anonyme Denunziation eingerichtet, das Versammlungsrecht immer weiter eingeengt und in Polizeiaufgabengesetzen neu gefasst, sind die staatlichen Schnüffler allgegenwärtig – und wo Gerichte einmal versuchen, Grenzen zu ziehen, werden halt die Gesetze verändert, und sollte das Bundesverfassungsgericht Einhalt gebieten wollen, lässt man sich Zeit und legt nach Jahren ein neues Gesetz vor, das sich – nach dem langen Marsch durch den Instanzenweg wieder als verfassungswidrig erweisen könnte, falls – ja falls – das Verfassungsgericht eine dagegen gerichtete Klage überhaupt noch annehmen sollte.

Schade. Ich hatte gehofft, doch noch eine Information über etwas zu erhalten, was in Deutschland funktioniert, und zwar so, dass damit Nutzen gestiftet und Schaden abgewendet wird.

Ich bin enttäuscht.

Aber meine Enttäuschung richtet sich nicht gegen meine Leser. Sie können nichts dafür, dass Ihnen auch nicht mehr eingefallen ist als mir.

Ich bin enttäuscht darüber, wie weit wir es mit diesem, unserem Deutschland haben kommen lassen.