Sind die Vorstände der deutschen Automobilindustrie verrückt?

Nein. Natürlich nicht.

Auch wenn sie sich wie verrückt in die Umstellung ihrer Produktpalette auf E-Mobilität stürzen.

Vorstände von Aktiengesellschaften sind nicht verpflichtet, sich Gedanken darüber zu machen, ob es denn unter den Bedingungen der Energiewende, die ja ohne fossile Brennstoffe auskommen will, in 10 Jahren überhaupt auch nur noch eine Kilowattstunde Strom für ihre Fahrzeuge geben wird.

Das kann, das darf, das muss denen am Allerwertesten vorbeigehen. Dafür werden sie nicht bezahlt. Sie werden dafür bezahlt, alle drei Monate einen Quartalsbericht und alle Jahre einen Geschäftsbericht abzuliefern, der ihre Aktionäre begeistert.

Dabei ist es durchaus nicht so, dass die Begeisterung der Aktionäre, jedenfalls der Hauptaktionäre, nur mit guten Zahlen zur Geschäftsentwicklung ausgelöst werden kann. Manchmal sind durchaus auch schlechte Zahlen erwünscht.

Um das zu verstehen, muss man sich allerdings etwas näher mit der Konstruktion der Aktiengesellschaft auseinandersetzen.

Die Aktiengesellschaft ist Eigentum der Aktionäre, doch die Aktionäre tragen keinerlei Verantwortung für die Aktivitäten ihrer Gesellschaft. Sie sind auch nicht dauerhaft mit der Gesellschaft verbunden, sondern können ihre Beteiligung wann immer sie wollen beenden. Trotzdem haben sie die Macht, jedenfalls die Hauptaktionäre, samt der Banken, welche regelmäßig das Stimmrecht der Kleinaktionäre ausüben, der Geschäftsführung, also dem Vorstand, Ziele – und ggfs. auch konkrete Maßnahmen – vorzugeben. Das vollzieht sich offiziell und quasi öffentlich bei den Abstimmungen in den alljährlichen Hauptversammlungen, offiziell und schon weniger öffentlich, bei den Sitzungen des Aufsichtsrates, und ganz und gar nicht offiziell und ganz im Geheimen dann, wenn dem Vorstand im vertraulichen Gespräch und im Namen einer Aktionärsgruppe mitgeteilt wird, welche Handlungen und welche Ergebnisse von ihm erwartet werden.,

Es handelt sich bei solchen Vorgaben zumeist um nichts Strafbares, bzw. um Aktivitäten, bei denen der Vorsatz für das zustande kommende Ergebnis absolut nicht nachweisbar sein wird.

Mit Schwung und Elan auf E-Mobilität zu setzen, gehört exakt zu jenen Strategien, bei denen sich der Vorstand sogar sicher sein kann, sich vollkommen korrekt auf der politischen Linie zu bewegen und mitzuhelfen, die „Klimakatastrophe“ zu verhindern. Das tue man einesteils freiwillig, weil man den Käufern gegenüber als fortschrittliche erscheinen wolle, andererseits weil Brüssel und Berlin politische Vorgaben machen und diese als EU-Recht auch noch bindend vorschreiben.

Mit dieser Macht im Rücken hat man einen ganzen Staudamm voller Unschuld zur Verfügung, um sich die Hände darin waschen zu können.

Erinnert sei bei dieser Gelegenheit an den Spruch des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Oktober 1996 – 2 BvR 1851/94, 2 BvR 1852/94, 2 BvR 1853/94, 2 BvR 1875/94 zu den erfolglosen Verfassungsbeschwerden ehemaliger Mitglieder des Nationalen Verteidigungsrats der DDR und eines „Mauerschützen“ gegen strafgerichtliche Verurteilungen. Dort heißt es:

„Die Strafgerichte sind verfassungsrechtlich bedenkenfrei davon ausgegangen, daß der Entschuldigungsgrund des „Handelns auf Befehl“ ausgeschlossen sei, weil die Rechtswidrigkeit des Befehls zum Schußwaffengebrauch an der Grenze nach den dem Bf bekannten Umständen offensichtlich war.“

Natürlich ist diese Analogie weit hergeholt. Doch wenn man unterstellt, dass die hochbezahlten Vorstände der Automobilindustrie über hinreichende intellektuelle Fähigkeiten verfügen, um zu erkennen, dass die für die von ihnen hergestellten Produkte erforderliche elektrische Energie – ab einer gewissen Marktsättigung und ab einem gewissen Dekarbonisierungsgrad –  schlicht nicht mehr zur Verfügung stehen wird, was bedeutet, dass Automobilkäufer ihre Fahrzeuge in einer absehbaren Zahl von Jahren nur noch mit vorgespanntem Zugtier als Kutsche verwenden können, soweit dies bis dahin aus Gründen des Tierwohls nicht auch verboten sein wird, dann ist auch hier der Entschuldigungsgrund des „Handelns nach Zeitgeist und Gesetz“ auszuschließen, weil der Unsinn des Umstiegs auf E-Mobilität nach den bekannten Umständen offensichtlich war.

Strafverschärfend müsste dann der mit der Umstellung der Technologie verbundene, massenhafte Verlust von Arbeitsplätzen, vor allem auch bei der Zuliefer-Industrie, betrachtet werden, wie auch der Verlust des Alleinstellungsmerkmals „höchste Qualität und Zuverlässigkeit“ der deutschen Automobilindustrie.

Nun, das braucht niemand zu fürchten, denn die deutsche Automobilindustrie wird ja nicht, wie die neuen Bundesländer und ihre Bewohner, in wenigen Jahren einer anderen Rechtsordnung beitreten, in welcher nach anderen Maßstäben geurteilt wird.

Außerdem soll es ja Märkte geben, ob nun in den USA (außer Kalifornien und anderen blauen Staaten), in China oder sonst wo auf der Welt, wo niemand ernsthaft daran denkt, den gesamten Energiebedarf ausschließlich aus so genannten „regenerativen“ Quellen zu schöpfen, was die Versorgung von E-Mobilen mit Strom weit weniger problematisch erscheinen lässt  als bei uns, im giftgrünen Herzen der EU.

Ganz selbstverständlich wird man auf diese Märkte setzen und auch Schritt für Schritt die Produktion dahin verlagern und dort nicht nur E-Mobile sondern weiter auch Verbrenner anbieten. Das hat nicht nur den Vorteil, dass man nahe am Kunden produziert, es hat auch den Vorteil, dass fast überall auf der Welt die für die Produktion notwendige Energie weit preiswerter zu haben ist, dass fast überall auf der Welt die Lohnkosten niedriger sind, und – und das hat gerade eben wieder der BASF-Chef Brudermüller als Begründung für geplante Produktionsverlagerungen nach China angeführt – dass auch die erdrückende Regulierungsdichte in der EU und Deutschland Aufwand und Kosten verursacht, bzw. bestimmte unternehmerische Entscheidungen unmöglich macht.

Während die einstige Oase im Sandsturm des Zeitgeistes
unter Wanderdünen begraben wird,
zieht die Karawane der Konzerne weiter.

Mit etwas Glück kann man die Restwertabschreibung aufgegebener Standorte so ansetzen, dass das letzte Geschäftsjahr steuerfrei bleibt.

Vorstände müssen sich keine Gedanken darüber machen,
welche Wirkungen ihre Entscheidungen außerhalb ihres Verantwortungsbereiches nach sich ziehen. Kunden, Mitarbeiter und die Volkswirtschaft, die sie als Standort nutzen, spielen keine Rolle, so lange sich keine schwerwiegenden Haftungsfragen ergeben.

Vorstände müssen sich Gedanken darüber machen,
mit welchen Produkten aus welcher Fertigung in welchem Land und auf welchem Markt welchen Landes sie in der nächsten Zukunft Gewinne generieren wollen.

Sind sie dabei erfolgreich, wird ihr Vertrag verlängert und der Bonus erhöht. Die Entscheidung darüber trifft der Aufsichtsrat für die Aktionäre, die sowieso und grundsätzlich vollständig von jeder Haftung befreit sind und allenfalls ihr eingesetztes Kapital verlieren können.

Doch auch hier unterscheiden sich die bestimmenden Großaktionäre deutlich von den Kleinanlegern. Die einen bringen ihre Schäfchen rechtzeitig in Sicherheit, die anderen kaufen bei hohen und Höchstkursen immer noch zu.

Man darf das nicht mit der verbotenen Nutzung von Insiderwissen verwechseln. Der Trend, so heißt es dann, sei doch zu erkennen gewesen.