Wenn ich Herr Tönnies wäre …

Berthold Brecht hat in den Geschichten über Herrn Keuner einen Text geschrieben, in dem die Frage: „Wenn die Haifische Menschen wären …?“, in immer neuen Zusammenhängen gestellt wird. (hier)

Hubertus Heil scheint diesen Text nie gelesen zu haben, dies legt jedenfalls der Gesetzentwurf zum Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit in der Fleischindustrie nahe.

Das Kabinett hat’s beschlossen, das Parlament wird’s abnicken. So selbstlos nimmt wieder einmal die Exekutive der Legislative die Arbeit ab.

Sieht man genauer hin, ist nur das Kerngeschäft (Schlachtung, Zerlegung und Fleischverarbeitung) vom Beschäftigungsverbot für Werkvertrags- und Leiharbeiter betroffen. Handwerksbetriebe mit weniger als 50 Mitarbeitern bleiben ausgenommen.

Gekoppelt an dieses Anti-Großschlachtergesetz, wird zudem für Betriebe aller Branchen die Pflicht zur elektronischen Arbeitszeiterfassung eingeführt, eine Mindestquote für Arbeitsschutzkontrollen (im Mittel alle 20 Jahre eine pro Betrieb) festgeschrieben, sowie Mindestanforderungen für die Größe, Ausstattung und Gestaltung von Gemeinschaftsunterkünften festgelegt.

Wenn Haifische …

Wenn ich Herr Tönnies wäre …

… würde ich mir ausrechnen, was es kostet, mein Geschäft diesem Gesetz entsprechend umzugestalten. Dann würde ich meine Kunden fragen, ob sie denn bereit wären, die gestiegenen Kosten in meinen Preisen zu akzeptieren, und ob sie glauben, dass ihre Kunden bereit wären, die gestiegenen Preise des Einzelhandels auch zu bezahlen.

Wenn ich Herr Tönnies wäre …

… wüsste ich dann, dass mich dieses Gesetz Jahr für Jahr sehr viele Millionen Euro kosten würde, müsste ich mich denn daran halten, denn auf den Kosten bliebe ich sitzen, und würde ich versuchen, sie weiterzugeben, dann eben auf der Ware.

Wenn ich Her Tönnies wäre …

… würde ich mich gegen das Sitzenbleiben entscheiden, aufstehen, und davongehen. Schnurstracks nach Warschau und dort die attrakive  Jadwiga Emilewicz, Ministerin für wirtschaftliche Entwicklung, fragen, wie groß ihr Interesse an der Entwicklung der polnischen Fleischindustrie sei. Ob sie bereit sei, im weiten Umland von Stettin die Ansiedlung von Rinder- und Schweinezuchtbetrieben zu fördern, was sicherlich auch von der EU gefördert würde, und ob es nicht in ihrem Interesse wäre, am Rande von Stettin einen großen, fleischverarbeitenden Betrieb anzusiedeln, und ob sie dafür nicht unter Umständen sogar ein Grundstück zur Verfügung stellen könne. Schließlich gäbe es ja in Grünheide einen klassischen Präzedensfall, und letztendlich hätte ich – also wenn ich Herr Tönnies wäre – sowieso schon einen Betrieb in Polen, den die liebe Jadwiga doch sicherlich nicht verlieren wolle.

Wenn ich Herr Tönnies wäre … und wenn ich Jadwiga Emilewicz für meine Pläne hätte begeistern können …

… hätte ich keine Probleme mehr mit Gemeinschaftsunterkünften, denn die Polen, die ich beschäftigen würde, könnten zuhause wohnen, und die Rumänen und Bulgaren und all die anderen, wären auch in Polen mit einer Standard-Unterkunft ebenso zufrieden, wie sie es in Rheda-Wiedenbrück waren.

Wenn ich Herr Tönnies wäre …

… könnte ich auf die Installation einer elektronischen Arbeitszeitüberwachung verzichten und über die gesetzlich begrenzte deutschen Arbeitszeit hinaus arbeiten lassen, und vor allem bräuchte ich für diese vielen Arbeitsstunden auch nicht mindestens den deutschen Mindestlohn zu bezahlen und keine deutschen Sozialabgaben abzuführen.

Wenn ich Herr Tönnies wäre …

… würde ich die Hallen in Rheda-Wiedenbrück an Amazon als Lager und Versandzentrum vermieten und damit großherzig dafür sorgen, dass zumindest für einen Teil der Viehzüchter aus der Umgebung eine Anschlussverwendung gefunden werden kann.

Wenn ich Hubertus Heil wäre …

(Noch so ein schrecklicher Gedanke!)

… könnte ich mich natürlich auch nicht daran erinnern, wessen Politik, unter dem Beifall der EU, zu der Konzentration in der Lebensmittelindustrie geführt hat, wessen Politik, unter dem Beifall der EU, die Wanderarbeiter aus den Ostgebieten, die Subunternehmerschaften, die Werkverträge und die Leiharbeit und in der unumgänglichen Folge die Gemeinschaftsunterkünfte erst möglich gemacht und in Kauf genommen hat, nein – wenn ich Hubertus Heil wäre, dann hätte ich nicht die geringste Erinnerung daran.

Wenn ich Hubertus Heil wäre …

… dann würde ich mich freuen, eine Gelegenheit gefunden zu haben, sowohl Jens Spahn entlasten zu können, der als Gesundheitsminister natürlich unschuldig an den Corona-Fällen im Schlachtbetrieb ist, ja von den Verhältnissen auch nichts wissen konnte, weil die Tierärzte ja immer bestätigt haben, das Fleisch dort sei unbenklich und sowohl frei von Maul- und Klauenseuche als auch von Trichinen. Das wird mithelfen, wenn es nur irgend geht, 2021 noch einmal in eine GroKo Einzug halten zu dürfen.

Wenn ich Hubertus Heil wäre …

… dann würde ich mich freuen, eine Gelegenheit gefunden zu haben, auch Robert Habeck und Annalena Baerbock zu helfen, den Trend zur veganen Ernährung in Deutschland durch Fleischknappheit und Preissteigerung zu fördern. Das wird mithelfen, wenn es nur irgend geht, 2021 in einer rot-rot-grünen Koalition Unterschlupf zu finden.

Wenn ich Hubertus Heil wäre …

… dann würde ich mich freuen, dass der Fall damit erledigt ist. Nach mir die Sintflut!


Gewiss, ein Schlachtimperium wie das der Tönnies Gruppe, ist etwas, wovon wir alle am liebsten gar nichts wissen wollen,

weder in Bezug auf das „Tierwohl“, noch in Bezug auf die Arbeitsbedingungen.

Diese Gigantomanie, alleine die Kapazität, in einem Jahr in Deutschland über 16 Millionen Schweine schlachten und weiterverarbeiten zu können, macht schwindelig.

Dennoch ist es Wahnsinn der Politik, diesen markbeherrschenden Fleischversorger Deutschlands mit diesem Gesetz, mit nur fünf Monaten Vorlauf, faktisch abzuschießen, nachdem vorher in langen Jahren erst den kleinen, in der Masse sauber arbeitenden, ihre Mitarbeiter ordentlich behandelnden und nach ortsüblichen Gegebenheiten bezahlenden, handwerklichen Metzgern das Selberschlachten durch unhaltbare Hygiene-Auflagen unmöglich gemacht wurde und anschließend, die kleineren regionalen Schlachthöfe mit den gleichen Instrumenten und der im Entstehen begriffenen Billig-Konkurrenz zur Aufgabe gezwungen wurden.

Es ist das gleiche Muster, das wir schon beim NOx/CO2-Krieg gegen die Automobilwirtschaft gesehen haben. Das Auto muss weg von den deutschen Straßen und das Fleisch muss weg vom deutschen Teller – und dafür kommt jedes Mittel gerade gelegen.

Ich könnte es nachvollziehen, wenn auch nicht gutheißen, wenn Clemens Tönnies – nach dem Motto: „Da seht ihr, was ihr davon habt“ – den Laden einfach dichtmachen würde.