Gasrubel versus Petrodollar

Gleich vorab: Dieser Beitrag wird keine endgültige Klarheit darüber bringen, wie die Bezahlung russischer Exporte in der Währung Rubel technisch vonstatten gehen soll. Da stehe auch ich noch vor mindestens einem Rätsel. Ich gehe allerdings davon aus, dass es belastbare Pläne, Absprachen und Systeme gibt, welche es den „unfreundlichen“ Staaten ermöglichen werden, den Wunsch nach Rubelzahlungen zu erfüllen.

Von daher will ich heute einfach so tun, als seien die Möglichkeiten gegeben und mich auf das konzentrieren, was an Folgen zu erwarten ist.

A) Die Rubelzahlung wird standhaft verweigert.

Was klar auf dem Tisch liegt und nicht weiter erläutert werden braucht, sind die Folgen mit denen zu rechnen ist, wenn die deutschen Energiehandelspartner Russlands den Empfehlungen der Regierung folgen und der Forderung, in Russland Rubelkonten zu errichten und von diesen ihre Rechnungen mit Rubeln zu bezahlen, nicht nachkommen. Dann wird, ja dann muss Russland, um nicht das Gesicht wegen einer leeren Drohung zu verlieren, die Belieferung einstellen. Einen Ersatz für die wegfallenden Liefermengen wird es allenfalls in marginalem Umfang geben können. Hält man sich daran, den Endverbrauchern, wie zugesichert, erst zuletzt den Gashahn zuzudrehen, wird Deutschlands Wirtschaft binnen kürzester Zeit vollständig zusammenbrechen.

Vermutlich wird man dieses Versprechen aber nicht einhalten können und die noch verfügbaren fossilen Energieträger, die zugleich wesentlicher Rohstoff für die Chemie (einschl. Düngemittel) sind, primär dafür einsetzen, das Stromnetz aufrecht zu erhalten, wobei gezielte Abschaltungen, punktuell für die Wirtschaftsunternehmen, regional in der Fläche für die Haushalte, dennoch nicht zu vermeiden sein werden. Vermutlich wird auch die Bahn das Angebot an Zügen, sowohl im Güter- als auch im Personenverkehr – deutlich herunterfahren, um das Stromnetz zu entlasten. Dass die Bahn ihren 16 2/3 Herz Bahnstrom autark herstellt und damit das allgemeine Stromnetz nicht belastet, stimmt so ja längst nicht mehr. Dann wird dafür Sorge getragen werden, dass die Lieferketten der Lebensmittelindustrie, vom Acker bis zum Supermarkt soweit möglich gestützt werden, dass die frierende Bevölkerung nicht wegen des unzureichenden Angebots, sondern allenfalls wegen fehlender Kaufkraft nicht auch noch hungern muss. Ebenso wird man feste Energiekontingente für Krankenhäuser, Polizei und öffentliche Verwaltung vorsehen.

Der Rest – und das ist ein großer Rest – wird sehen müssen, wie er mit wenig, dafür aber extrem teurer Energie über die Runden kommt. Die Komplexität der arbeitsteiligen Wirtschaft wird dabei jedoch dafür sorgen, dass so manches Unternehmen, das eigentlich arbeiten könnte, stillstehen wird, weil die Zulieferer nicht mehr in der Lage sind, ihre Aufträge zu erledigen, während andere Zulieferer ihre Produkte nicht mehr absetzen können, weil ein Betrieb, ein Stück weiter in der Lieferkette, die Produktion einstellen musste.

Daraus ensteht Arbeitslosigkeit, auch wenn sie für noch so lange Zeit als „Kurzarbeit“ bezeichnet werden sollte, es ensteht ein eklatanter Mangel an allen möglichen Waren, die einfach nicht mehr produziert werden können, und nicht zuletzt werden auch die deutschen Exporte massiv einbrechen.

Ob dann, wenn in ein paar Jahren Energie-Importe von alternativen Lieferanten in ausreichender Menge möglich sein werden, überhaupt noch die „Kraft“ vorhanden sein wird, den Laden wieder  zum Laufen zu bringen, ist eine schwer zu beantwortende Frage. Eines scheint sicher: So schnell, wie die Lichter ausgegangen sind, werden wir sie nicht mehr wieder zum Leuchten bringen können.

B) Es wird in Rubel gezahlt.

Unterstellt, es gäbe auf dem „westlichen“ Devisenmarkt ausreichende Mengen Rubel, wäre das vollkommen unproblematisch. Der Importeur tauscht seine eigene Währung über seine Bank bei der jeweiligen Zentralbank in Rubel um und bezahlt damit seine Rechnung. Nicht anders als es beim Tausch von z.B. Euro gegen Dollar geschieht, um auf Dollar lautende Rechnungen zu bezahlen.

Leider muss festgehalten werden, dass es diese Rubelmengen in Form von Währungsreserven im westlichen Bankensystem nicht gibt, und dass diese auch nicht so ohne Weiteres beschafft werden können, denn um an Rubel zu kommen, müsste man Waren nach Russland exportieren und dafür Rubel als Zahlung akzeptieren. Ein ungewohnter Gedanke, jedenfalls für den Augenblick. Wobei es durchaus im Interesse Russlands liegt, Importe in Rubel zu bezahlen, nur eben bisher nicht im Interesse westlicher Exporteure. Das kann sich ändern und dass diese Änderungs sich vollziehen wird, ist Teil des russischen Plans.

Nun hat Russland angeboten, dass Gasrechnungen künftig so bezahlt werden können, dass der Rechnungsbetrag bei der GazProm-Bank (die von den Sanktionen ausgeschlossen ist) in Fremdwährung, also zum Beispiel in Euro, eingereicht und von dieser in Rubel umgetauscht wird. Diese Rubel sollen einem Rubel-Konto des Gaskunden gutgeschrieben werden, von dem aus dann die Rechnung des russischen Energielieferanten bezahlt werden kann.

Technisch hat dieser Weg durchaus seine Tücken. Schließlich handelt es sich bei allen unbaren Zahlungsvorgängen lediglich um die Veränderung von Guthaben, und es kommt darauf an, wo auf der Welt diese Guthaben buchhalterisch geführt werden, wenn sichergestellt sein soll, dass sie nicht aus politischen Gründen „eingefroren“ oder „beschlagnahmt“ werden können. Das ist im Grunde aber nur dann sichergestellt, wenn sich das kontoführende Institut im Hoheitsbereich des eigenen Staates befindet.

Dass auf Druck der USA die meisten russischen Banken aus dem Zahlungsverkehr des SWIFT-Systems ausgeschlossen werden konnten, womit Russland der Zugang zu einem Großteil seiner „Ersparnisse“ verwehrt wurde, zeigt, dass Russland (wie übrigens alle angeschlossenen Staaten) letztlich nur über Kontoauszüge verfügt, aber – mit Ausnahme weniger Banken – bedingt durch die ausgesprochenen Sanktionen keine Möglichkeit mehr hat, das kontoführende Institut zur Ausführung einer Überweisung, oder auch nur zur Annahme und Verbuchung eingehender Zahlungen zu bewegen.

Ganz frisch ist heute die Nachricht auf den Tisch gekommen, dass Russland nun auch daran gehindert werden soll, seinem Schuldendienst nachzukommen, indem die dafür erforderlichern Transaktionen einfach nicht mehr ausgeführt werden. Damit soll vermutlich die Illusion genährt werden, Russland sei pleite, was wiederum dafür sorgen soll, den Rubelkurs noch einmal in den Keller zu treiben, doch schätze ich die Situation so ein, dass dies nicht gelingen wird.

So lange die GazProm-Bank in beide Richtungen (Einnahmen und Ausgaben) von den Sanktionen verschont bleibt, also die zum Umtausch angenommenen Devisen verwendet werden können, um aus dem Kontenkreis der GazProm-Bank heraus, Überweisungen durch den Rückumtausch von Rubel in Fremdwährungen zur Bezahlung von auf Euro oder Dollar lautenden Importrechnungen zu verwenden, hat sich weder durch die bisher verhängten Sanktionen, noch durch das Dekret, Gasrechnungen in Rubel bezahlen zu müssen, eine spürbare Veränderung ergeben. Es hängt lediglich ein schwacher Geruch in der Luft, der dem, der ihn wahrnehmen kann, sagt, dass es sich um einen Akt der Demütigung der Kunden in den „unfreundlichen“ Staaten handelt, den Umtausch in Rubel und die Nutzung eines russischen Kontos auf sich nehmen zu müssen. Man könnte es auch als den Beginn einer Erziehung durch Gewöhnung betrachten, mit dem Ziel, Rubelzahlungen in nicht allzu ferner Zukunft als Selbstverständlichkeit anzusehen.

Nun ist nicht auszuschließen, dass die sanktionsbegeisterten Herrscher des westlichen Imperiums in einem nächsten oder übernächsten Schritt auch das Schlupfloch „GazProm-Bank“ schließen werden. Russland wird weiterhin anbieten, Öl und Gas, und ggfs. weitere Güter und Waren gegen Rubel zu verkaufen.

Unter der Annahme, dass die Bereitschaft in Rubel zu zahlen, dabei bestehen bleibt, was allerdings zu massiven Verwerfungen und Zerwürfnissen im transatlantischen Freundeskreis führen dürfte, bleibt – nachdem der Weg des Buchgeldes endgültig geschlossen ist – nur noch der Weg über physisches Gold offen.

Das ist in zweifacher Hinsicht delikat.

Erstens hat Russland soeben einen wichtigen Schritt, hin zur Golddeckung des Rubels getan, indem ein festes Kursverhältnis zwischen Rubel und Gold festgelegt wurde, was zumindest die russische Zentralbank daran bindet, Gold zu einem Kurs von 5.000 Rubel pro 1 Gramm Gold anzukaufen. Aus der Bezahlung in Rubel wird so sehr schnell die Bezahlung in Gold, und zwar in physischem Gold, das in Werttransporten, vermutlich per Schiff über die Ostsee, quasi als Gold-Stream 2, nach St. Petersburg und von da aus in die Keller der russischen Zentralbank gelangt, die dafür wiederum die benötigten Rubel ausreicht.

Zweitens wird dieser Strom physischen Goldes Richtung Russland den Goldmarkt zu einem Käufermarkt machen, die Goldbestände  des Westens schrumpfen lassen, damit den Goldpreis in die Höhe treiben, und damit den Wert des Rubels im Gleichschritt  ebenfalls steigen lassen, weil in Russland der Gegenwert von 5.000 Rubeln immer einem Gramm Gold entspricht. Es wird dabei ein zweiter Effekt auftreten, der sich bald zum echten Knaller entwickeln dürfte, denn es wird zwangsläufig zu einer Inventur der physischen Goldbestände kommen, die in Bezug auf Deutschlands Goldreserven in den USA, in GB und Frankreich eher gutgläubig vermutet werden als dass sicher wäre, dass sie sich auch tatsächlich noch dort befinden.

Allerding weist dieses System auf den ersten Blick einen katastrophalen Konstruktionsfehler auf.

So, wie das Fiat-Money System zwangsläufig ein stetes Anwachsen der Geldmenge hervorruft und damit auf eine Implosion in der Hyperinflation hinausläuft, handelt es sich auch beim „Gas-und-Gold-Rubel“ um ein System permanenter positiver Rückkopplung, bei dem allerdings nicht das nominale Geldvermögen inflationär wächst, ohne dass dem noch eine adäquate realwirtschaftliche Wertschöpfung gegenüber stünde, sondern dass der Wert von Rubel und Gold permanent wachsen wird und eine Kaufkraft hervorruft, die auf dem russischen Binnenmarkt ebenso wenig befriedigt werden kann wie die noch anhaltende Dollarschwemme mit Produkten aus US-Produktion zu befriedigen war und ist.

Diese Entwicklung kann nur dadurch entschärft werden, dass Russland aus den Volkswirtschaften seiner westlichen Abnehmer im gleichen Maße Güter, Waren und Dienstleistungen importiert, wie es Rohstoffe exportiert. Das könnte die Rückkopplung über eine ausgeglichene russische Handels- und Zahlungsbilanz zum Stillstand bringen. Dies würde allerdings vom Westen die Aufhebung sämtlicher gegen Russland gerichteter Handelsbeschränkungen erfordern. Ein Akt, der mit dem derzeitigen politischen Personal kaum vorstellbar ist.

Für wahrscheinlicher halte ich eine Entwicklung, die aufgrund der Veränderung der Kaufkraftparitäten zum Rubel relativ bald zu einer Strategie der Energie-Einsparung und des Wiedereinstiegs in  Kernkraft und Kohle führen wird, mit Ausnutzung aller geeigneten Schiefergasvorkommen und einem Ölpreis der westlichen Welt, der sich deutlich über 200 $ pro Fass bewegen, damit aber gegenüber dem von Goldrubel in Dollar oder Euro umgerechneten Preis für russische Energierohstoffe immer noch konkurrenzfähig sein wird.

Damit wäre dann die Frontlinie eines neuen Kalten Krieges zwischen den USA, sowie den Staaten in deren Einflussbereich, und dem Bündnis zwischen Russland, Indien und China endgültig gezogen. Es ist unschwer zu erkennen, wo dabei die Mehrzahl der Menschen und der natürlichen Ressourcen zu finden sind, was die Vorhersage ermöglicht, dass das Konglomerat aus Russland, China und Indien, mit vielen weiteren Verbündeten, zur künftigen wirtschaftlichen und militärischen Weltmacht aufsteigen wird.

Anmerkung: Das SWIFT-System ermöglicht die elektronische Übermittlung aller einzelnen Transaktionen vom Kundenkonto bei der sendenden Bank zum Kundenkonto bei der Empfängerbank. Die Verbuchung aller Geldströme zwischen Banken erfolgt im jeweiligen Inland summarisch/per Saldo durch die zuständige Zentralbank, im internationalen Geldverkehr verbucht die Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) die Geldströme zwischen den angeschlossenen Zentralbanken. Ohne Zugang zu SWIFT: Keine Überweisung. Ohne Zugang zur BIZ: Keine Verfügung über dort gehaltene Währungsreserven.