Neues aus der seltsamen Republik

Machmal komme ich mir vor, wie beim Höhenflug im Kettenkarussell. Herumgeschleudert, flau im Magen, die vor dem Auge schnell vorbeieilenden Bilder kaum festzuhalten – und immer die kleine Angst, dass das Karussell überdreht, dass die Ketten reißen und dass aus dem Spaß eine bitterböse Katastrophe wird.

War es bislang in dieser, unserer Republik höchst erstaunlich, wie schwer es immer wieder gefallen ist, eine Großbaustelle erfolgreich zu Ende zu bringen, wie zum Beispiel den Umbau eines Hafenspeichers in eine Philharmonie oder einen neuen Flughafen nach tausenden von Mängeln in Betrieb zu nehmen, vom Umbau eines Kopfbahnhofes in einen versenkten Durchgangsbahnhof, der ja immer noch nicht gelungen ist, ganz zu schweigen, so wird inzwischen berichtet, dass es nun offenbar auch nicht mehr gelingen will, eine Industrieanlage gekonnt zu sprengen. In Kiel hat man versucht, ein altes Kraftwerk zu beseitigen. Zwei Versuche sind inzwischen fehlgeschlagen, abgesehen davon, dass ein Bruchstück 1,1 km weit entfernt in ein Einfamilienhaus eingeschlagen ist, das damit aber ebenfalls nicht zum Einsturz gebracht werden konnte. Heute soll nun ein dritter Anlauf unternommen werden. Es zeigt sich, dass die Konstruktionen der alten weißen Männer dem Zerstörungswillen der Kraftwerksbeseitiger eisern Widerstand leisten.

In Marburg hingegen, ist ein anderes Zerstörungswerk in Planung. „MoVe – Marburg bewegen“, so heißt der Plan, mit dem Autofahrer aus der Stadt verdrängt werden sollen. Alles nicht so schlimm, sagt die Stadt, es wird weniger Parkplätze geben, aber für Gehbehinderte, soziale Dienste und den Lieferverkehr werden noch ausreichend (Note 4) Parkplätze vorgesehen. An Stelle der Parkplätze werden künftig  Bäume, Sträucher, Radwege und Außengastronomie gepflanzt, gebaut, bzw. gestattet werden.

Insgesamt will man erreichen, den Automobilverkehr zu halbieren. Die CDU spricht von einem ideologisch geprägten Konzept, die IHK äußert große Sorge, der Oberbürgermeister sagt, dass momentan alle Verkehrsteilnehmer in Marburg mit dem aktuellen Zustand unzufrieden sind, weshalb der Anschlag auf den Automobilverkehr wahrscheinlich die Zufriedenheit der urbanen Radfahrergemeinde verbessern könne. Tja, da hat er  recht, das ist besser als nichts, sollte es denn gelingen, die vielen Vorhaben für Radwege und Busspuren und Straßenmöblierung und Straßenbegrünung zu finanzieren.

Dies ist besonders heikel, weil die Inflation den Preisanstieg weiter befördert und die Zinserhöhungen der EZB, die ja nicht glauben wollte, dass die Inflation bleibt, daran noch nichts Nennenswertes verändert haben. Was überlegen sich also die Berliner Genossen des Marburger SPD-Bürgermeisters? Sie wollen die Inflation dadurch senken, dass den Bürgern einfach viel weniger Geld zur freien Verfügung steht. Da die Drohung mit dem Heizungsgesetz erst einmal die gegenteilige Wirkung entfaltet hat, nämlich Preiserhöhungen von durchschnittlich 25 Prozent schon 2021 und nochmals 2022 bei den Heizungen – für Gas, Öl und Wärmepumpen gleichermaßen – muss nun dringend noch mehr gegengesteuert werden. Die Leute haben einfach noch viel zu viel Geld! Da kommt die Idee, das Ehegattensplitting – auch als gemeinschaftliche Veranlagung bekannt – ersatzlos zu streichen. Die grundsätzlichen Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Institution der Ehe werden hier mit den haushaltspolitischen Problemen der Ampel vermengt – und herauskommen ein paar Milliarden zusätzlicher Steuereinnahmen. Bei der SPD heißt das dann übrigens „Subventionsabbau“.

Wie auf diese Weise der Binnenkonsum gestärkt werden soll, der ein gut Teil Mitschuld daran trägt, dass das BIP weiter im Sinken begriffen ist, das ist eine Frage, die sich gar nicht stellt, solange es gelingt, den Zustrom der zuwandernden Fachkräfte noch zu beschleunigen. Kaufkraftverluste der steuerzahlenden Ureinwohner werden durch steuerfinanzierte Kaufkraft der Neubürger locker kompensiert und können, wenn der Zustrom nicht abreißt, sogar wieder zu einem BIP-Wachstum führen, obwohl die Industrie weiter schwächelt, der Maschinenbau mit sinkenden Auftragseingängen ebenso zu kämpfen hat, wie die Bauwirtschaft und die Automobilindustrie den chinesischen Markt verliert, während die Chinesen in Europa Marktanteile erobern. 

Außerdem, und das ist der Trumpf im Ärmel des Wirtschaftsministers, der in Kürze auf den Tisch geknallt werden wird, ist mit der Entsorgung der in die Jahre gekommenen Windräder ein Milliardengeschäft am Horizont zu erkennen, von dem diejenigen, die sich auskennen, sagen, dass die Entsorgung höchstwahrcheinlich mehr Umsätze – und damit BIP – produzieren wird, als die Herstellung der Windräder als sie neu errichtet wurden.  Die Tagesschau hat diese Wachstumshoffnung schon einmal ganz vorsichtig erwähnt.

Beim Festival der Eritreischen Folklore in Gießen kam es zu einem Missverständnis zwischen Veranstaltern und Behörden, so dass der große Showdown wegen des Eingreifens der Polizei nur minderprächtig zelebriert werden konnte. Vielleicht war es aber auch die Hitze, die an der nervösen Überreaktion der Verantwortlichen schuld war, weshalb in Karl Lauterbachs Hitzeschutzplan auch Vorsorge für die bessere Beherrschung derartiger Situationen getroffen werden muss.

Wie schlimm die Hitze in diesen ersten Julitagen des Jahres 2023 tatsächlich war und ist, lässt sich am besten daran ablesen, dass inzwischen schon Freibäder – sonst Rückzugsort der überhitzten Abkühlungssuchenden – wegen der Hitze von der Polizei geräumt und anschließend wegen hitzebedingter Personalausfälle geschlossen werden müssen. 

Auch der Bundestag, so hört man, wurde vorübergehend geschlossen und soll erst im September wieder eröffnet  werden. Der dort des Öfteren gesehene Herr Habeck nutzt diese Sommerpause, um eine Sommertour zu starten und sich, nach seinem verheerenden Absturz in den Umfragen, die Streicheleinheiten, die er so dringend nötig hat, dort zu holen, wo er ihrer sicher sein kann. Tatsächlich hat Winfried Kretschmann, Ministerpräsident Baden-Württembergs, seinem Parteigenossen einen ministerpräsidentialen Ritterschlag erteilt, als er sagte, aus seiner Sicht könne Deutschland „nichts Besseres passieren“ als Politiker wie Habeck.

Früher gab es das Phänomen des „Sommerlochs“. Da kroch nicht nur Nessie aus den Fluten des schottischen Loch Ness, auch die Hinterbänkler drängten vor die Mikrofone der neuigkeitssüchtigen Journalisten und unterbreiteten ihre Vorschläge für das Wohlergehen der Welt im Allgemeinen, sowie der EU und insbesondere Deutschlands im Besonderen.

Heute ist es vor lauter hochbrisanten Nachrichten auf allen Kanälen schon beruhigend zu erfahren, dass die Waffenfüllung des nächsten deutschen Care-Pakets für die Ukraine nur 700 Millionen kosten soll. Ein Klacks, gegen die 40 Milliarden Zinszahlungen, die Lindner in seinen schuldenbremsenkonformen Haushalt geschrieben hat und gegen die 50 Milliarden, die Ursula von der Leyen neben den nationalen Hilfen zu Lasten der Nationen (Deutschland immer ungefähr ein Drittel) aus EU-Mitteln für die Ukraine bereitstellen will, obwohl  in der EU-Kasse dem Vernehmen nach bereits jetzt schon ein unergründlich tiefes Loch zu gähnen scheint.

Für die Aufnahme der Ukraine in die EU und die NATO kann schließlich kein Preis zu hoch sein, und darum geht es wohl trotz aller halbherzigen Dementis immer noch, denn sonst wäre diese Spendenbereitschaft unerklärlich.