Rechenspiele zum Fachkräftemangel

Telepolis hat jüngst einen Beitrag über die Personalnot in Deutschland gebracht. Kernsatz:

2 Millionen Stellen bleiben unbesetzt, was einen Verlust von 100 Milliarden Euro jährlicher Wirtschaftsleistung verursacht.

Da juckt es in den Fingern, mit diesen Zahlen zu spielen. Stellen wir also zunächst die Frage, welche Art von Fachkräften da wohl fehlen mag.

Natürlich kann man aus diesen Zahlen nicht auf Branchen und Berufsbilder schließen, wohl aber auf das durchschnittliche Einkommen, das den fehlenden Fachkräften gezahlt werden würde, könnten sie den gefunden, eingestellt und entlohnt werden.

Vergleichen wir also die Wirtschaftsleistung mit den Arbeitnehmerentgelten. 2021 waren das 3,6 Billionen BIP und 1,9 Billionen Löhne und Gehälter, einschließlich der Arbeitgeberbeiträge zu den Sozialversicherungen.

Rechnet man die Arbeitgeberbeiträge heraus, bleiben vereinbarte und gezahltel Bruttolöhne von 1,6 Billionen Euro übrig. Das sind rund 44 Prozent, bezogen auf das BIP.

Dieses Verhältnis lässt sich nun auf die wegen des Fachkräftemangels nicht realisierte Wirtschaftsleistung von 100 Milliarden Euro übertragen, was bedeutet, dass den 2 Millionen fehlender Fachkräfte 44 Milliarden Euro an Brutto-Lohn hätte gezahlt werden können.

Stundenlohn: 10,58 Euro!

12 Prozent unter dem Mindestlohn!

Unglaublich?

Rechnen  Sie nach:

  • 44 Milliarden dividiert durch 2 Millionen ergibt 22.000 Euro
  • 22.000 Euro dividiert durch 13 Monatsgehälter ergibt 1692,30 Euro
    (kein Urlaubsgeld, kein Weihnachtsgeld, keine Überstundenzuschläge …)
  • Monatsbrutto dividiert durch 160 Stunden ergibt 10,58 Euro.

Es lässt sich daraus auch relativ leicht ermitteln, was netto übrig bleibt, nämlich 1.308 Euro – 13 mal pro Jahr.
(Detaillierte Berechnung weiter unten im Text)

Das sind 13 mal 308 Euro mehr, als dem Bürgergeldbezieher unter Berücksichtigung der Kosten für das Wohnen zur Verfügung stehen, nämlich 4.004 Euro pro Jahr, erwirtschaftet an durchschnittlich 250 Arbeitstagen zu 8 Stunden. Ein Plus für Arbeit gegenüber Nichtarbeit von 2 Euro pro Stunde.

Wer glaubt, mit einem solchen Angebot, wirklich Fachkräfte anlocken zu können, ist vermutlich zu oft mit dem Klammerbeutel gepudert worden.

Der Verdacht, dass die ewigen Klagen um den Fachkräftemangel frei erfunden sind, lässt sich bei diesen Zahlen kaum noch entkräften.

Dass die Politik diese Klagen nicht zurückweist, mag dann wohl daran liegen, dass sie durchaus nützlich sind, um die Zuwanderungsagenda zu unterstützen.

Erschwerend hinzu kommt die Information, dass  der Auftragseingang im verarbeitenden Gewerbe rückläufig ist, dass dem Bau- und Ausbaugewerbe demnächst aufgrund gestiegener Zinsen und Materialkosten die Luft ausgehen wird.

Und was den Personalmangel in Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen angeht, muss man leider zur Kenntnis nehmen, dass diese alle vor verheerenden wirtschaftlichen Problemen, bis hin zur akut drohenden Insolvenz stehen und sich das fehlende Personal beim besten Willen nicht leisten könnten, selbst wenn es am Arbeitsmarkt verfügbar wäre.

Ich kann da für mich nur resümieren: Die Sau, die da alle paar Wochen durchs Dorf getrieben wird, sollte endlich eingeschläfert werden, denn für den Schlachter taugt sie schon lange nicht mehr.

Die Ungereimtheiten, über die von Telepolis berichtet wird, gehen aber noch ein Stück weiter. Auch wenn es darauf eigentlich auch schon nicht mehr ankommt: Der Vollständigkeit halber noch diese Info:

Im angesprochenen Artikel kommt Herr Achim Derks, der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer, mit der Aussage zu Wort, es gingen dem Staat auch Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung verloren, und zwar im Umfang von 30 Milliarden Euro.

Unterstellt man, alle 2 Millionen unterlägen der Steuerklasse 1, wären also ledig, unverheiratet und 30 Jahre alt, dann ließen sich nach dem Steuerrrechner des Finanzministeriums damit insgesamt 2,78 Milliarden für den Fiskus abzweigen.  An Sozialversicherungsbeiträgen würden

6,42 Milliarden für die Krankenversicherung
8,18 Milliarden für die Rentenversicherung
1.34 Milliarden für die Pflegeversicherung
1,14 Milliarden für die Arbeitslostenversicherung anfallen.

Es kämen also nicht 30 Milliarden zusammen, sondern nur knapp 20 Milliarden.

Um die Differenz von 10 Milliarden zu finden, gibt es zwei Wege. Entweder wurden hier die Ertragssteuern der Unternehmen angesetzt, oder der Mehrwertsteuerertrag aus dem Mehrverdienst der 2 Millionen.

Bei den Ertragssteuern muss aus den 100 Milliarden Umsatz zunächst einmal die Umsatzrendite ermittelt werden, mit einer Marge von etwa 10 Prozent, also 10 Milliarden, dürfte wir dabei nicht allzu falsch liegen.

Auf diesen Gewinn sind Steuern zu zahlen. Die Zeit hat ermittelt, dass bei den DAX Konzernen zuletzt nur 25,7 % Konzernsteuern fällig wurden. Das heißt, aus der Ertragsbesteuerung kommen die 10 Milliarden nicht zusammen. Allenfalls 2,5 Milliarden.

Der Mehrverdienst der 2 Millionen, von denen angenommen werden darf, dass sie bisher ALG I oder II (incl. Miete und Heizkosten) erhalten haben, ist mit etwa 700 Euro pro Person und Monat anzusetzen, insgesamt also mit 18,2 Milliarden für alle 2 Millionen.

Nimmt man an, dieser Mehrverdienst würde komplett mehrwertsteuerpflichtig ausgegeben, bei einem mittleren Steuersatz von 15 % (Normalsatz 19%, ermäßigter Satz 7%), dann ließen sich daraus Steuereinnahmen in Höhe von 2,73 Milliarden generieren.

Nimmt man Unternehmenssteuern und Mehrwertsteuer zusammen, sind wir immer noch erst bei 5 Milliarden.

Sollten allerdings die eingesparten Ausgaben für ALG I und II berücksichtigt worden sein, brächten die alleine schon rund 24 Milliarden auf die Waage, zusammen mit Lohnsteuer und Sozialabgaben wären das dann schon 44 Milliarden, und das ist wieder deutlich mehr als  angegeben.

Der alte Leitsatz: „Glaube keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast“, zeigt halt immer wieder seine Berechtigung.