Die May, ja mei …

In der Kirche auf der ersten Bank sitzen, einem Vorurteil zufolge, stets jene, die den Buchstaben über den Sinn stellen, das Äußerliche über das Innere, den Splitter im Auge des Nächsten über den Balken im eigenen Auge.

Greift man den nicht allzu absurden Vergleich auf, die EU sei im Grunde eine verzweifelte Glaubensgemeinschaft, deren Hoffnung auf das Paradies sich einfach nicht erfüllen will, dann bleibt ihr, um den eigenen Zweifel zu betäuben, nur übrig, jeden Abtrünnigen zu verfluchen und für alle Ewigkeit von der Gemeinschaft fernzuhalten.

Meine Überzeugung, dass der BREXIT sich keinesfalls negativ auswirken müsste, weder für die Briten, noch für die verbleibenden Mitglieder, habe ich oft genug begründet. Es gibt keinen vernünftigen Grund, warum z.B. Deutschland nicht weiterhin Ausfuhren in der gleichen Höhe Richtung Albion schicken sollte, und zwar zollfrei, wie bisher.

Das Hindernis sitzt in Brüssel und pocht darauf, ganz alleine für die gesamte EU Handelsverträge mit dem EU-Ausland abschließen zu dürfen.

Letztlich handelte es sich bei der jetzt vom britischen Parlament abgelehnten „Austrittsvereinbarung“ um nichts anderes. Ein bisschen Kokolores drumrum, aber im Kern ein für die Briten so ungünstiges Angebot, dass sie es quer durchs Parlament ablehnen mussten. Die Pro-Stimmen darf man getrost als „Mitleid-mit-May-Stimmen“ von jenen zählen, denen einfach die Fantasie fehlt, sich ein „Großbritannien allein zu Haus“ vorstellen zu können.

Auf dem Boden der Realität kann ein No-Deal-BREXIT nie und nimmer bedeutetn, dass es zwischen Großbritannien und dem Rest der EU überhaupt keinen Handel mehr geben kann, nur weil Rat und Kommission sich einer vernünftigen, also für beiden Seiten sinnvollen Lösung stur verweigern. Im Gegenteil: Wenn Brüssel für sich in Anspruch nimmt, ganz alleine die Außenhandelsregeln zu bestimmen und dies nicht gelingt, dann sollte jedes einzelne Mitgliedsland zu der Erkenntnis kommen, dass Brüssel offenbar unfähig ist, solche Verträge zu schließen, und damit für den nationalen Außenhandel zu einer irrelevanten Größe wird.

Wie lautet der alte Indianerspruch: Wenn du feststellst, dass das Pferd, auf dem reitest, tot ist, solltest du absteigen.

Was sollte die Kommission denn dagegen tun können, sollte in Deutschland ein vernunftbegabter Außenminister, gemeinsam mit einem vernunftbegabten Wirtschaftsminister beschließen, uneingeschränkt zollfreien Handel  mit Großbritannien zu betreiben, und dies mit vernunftbegabten Briten gemeinsam vereinbaren?

Die Kommission ist machtlos. Sie kann ein Vertragsverletzungsverfahren anstrengen, der Europäische Gerichtshof kann Strafen in beliebiger Höhe verhängen, der Rat könnte Deutschland sämtliche Mitentscheidungsrechte verweigern, so lange sich hierzulande keiner daran gebunden fühlt, kann das tote Pferd noch nicht einmal mehr wiehern.

Doch mit der Vernunft ist es so eine Sache. Es kommt darauf an, wem sie sich zu dienen verpflichtet fühlt – und hier ist es unvermeidlich, auf den immer offensichtlicher werdenden Zerfall der Weltgemeinschaft hinzuweisen, in solche Staaten, die sich weiterhin den Globalisten verbunden fühlen, und in jene, die sich auf die Vorteile der Nationalstaaten zurückbesinnen, bzw. sie nie aufgegeben haben. Innerhalb der EU spiegeln Merkel und Macron –  denn es wäre falsch, in diesem Zusammenhang von Frankreich und Deutschland zu sprechen – die Hillary-Clinton-Anti-Trump-Front  wider, während Leute wie Boris Johnson, Victor Orban, Sebastian Kurz, Mateusz Morawiecki, und der Europäer Wladimir Putin, ganz im Geiste Trumps auf der Klaviatur der nationalen Interessen spielen.

Von Merkel und Macron hört  man, dass sie intensiv daran arbeiten, Frankreich und Deutschland zum EU-Kernland zu verschmelzen und gemeinsam die 25 übrigen Mitgliedsstaaten dominieren wollen. Doch beide haben längst den Halt verloren, versinken  Zentimeter für Zentimeter im Treibsand ihrer eigenen Absichten, weil die von ihren (getäuschten und nun ent-täuschten) Bürgern nicht mitgetragen werden.

Die Flucht des Geldes aus der City of London in Richtung Frankfurt am Main – eine ganze Billion soll schon transferiert worden sein – wird in Frankfurt nicht enden, denn die Angst davor, die bisherigen unbeschränkten Freiheiten der EU mit dem Umzug retten zu können, wird sich in die Sorge verwandeln, schon bald auch dort in den  ertragreichen parasitären Geschäften behindert zu werden, wenn Deutschland nämlich entweder nicht mehr der EU angehört, oder das, was dann noch EU sein wird, in einer um 180 Grad gewendeten Weise dominiert.

Die hastige Flucht der Billionäre ist jedoch ein Indiz dafür, dass die Globalisten längst überzeugt sind, dass sie Großbritannien verloren haben, dass es zum BREXIT kommen wird, unabhängig davon, ob May die Vertrauensabstimmung überlebt, ob es zu Neuwahlen kommt oder zu einer Verschiebung des Austrittstermins um ein paar Monate, in denen noch einmal die britischen Unterhändler, gleichgültig wer das dann sein wird und wie sie argumentieren werden, vergeblich als Ketzer gegen die  Arroganz der Brüsseler Rechtgläubigen anzukämpfen versuchen.

Bis zur Wahl zum so genannten Europäischen „Parlament“ werden hoffentlich noch einige Wahlberechtigte mehr in der Lage sein, das Spiel zu durchschauen, erkennen, dass der einzig mögliche Schutz vor den alle Grenzen niederreißenden, alle nationalen Gesetze und Gebräuche aushebelnden Globalisten der Nationalstaat ist, der sich seine Eigenständigkeit bewahrt.

Wer Augen im Kopf hat, und sie nicht vor der Realität verschließt, weiß, dass es den Griechen, den Italienern, den Spanieren, den Portugiesen, den Franzosen ohne die EU weitaus besser ginge als es ihnen heute geht. Und das gilt nicht zuletzt auch für die Deutschen, die zuerst den Gürtel enger schnallen mussten, um allen anderen voran in einen Wettbewerb zu stürmen, der direkt zurück in finsterste Kolonialzeiten führt. Was sich auch daran ablesen lässt, dass das Verfassungsgericht sich mit der seit vielen Jahren geübten Praxis auseinandersetzen muss,  Menschen, für die es keine Arbeit gibt, für die Gewährung des Existenzminimums wider besseres Wissen dazu zu zwingen, widerspruchslos –  wie die Regierung – so zu tun, als gäbe es genug Arbeitsgelegenheiten für alle.

Victoria Nuland hatte, auch wenn sie es völlig anders meinte, völlig Recht:

„Fuck the EU!“