Industriestrompreis – Die falsche Debatte

Clara von Civey, das aufdringliche E-Mail-Umfrage- und Datensammelportal, wollte heute wissen: 

Sollten Unternehmen mit hohem Energieverbrauch
einen günstigeren „Industriestrompreis” zahlen?

Was soll man darauf antworten?

Unternehmen mit hohem Energieverbrauch hatten in einer gar nicht so fernen Vergangenheit selbstverständlich einen Strompreis zu zahlen, der deutlich unterhalb dessen lag, was der Haushaltsstromkunde abdrücken muss. Dieser Strompreis entsprach dabei durchaus den allseits akzeptierten Regeln, dass nämlich Großabnehmer, von was auch immer, in den Genuss von Mengenrabatten kommen.

Zudem ist zu berücksichtigen, dass Großabnehmer ihren Strom nicht über schmalbrüstige Hausanschlüsse mit 22o Volt pro Phase in Empfang nehmen, sondern zumeist den im Mittelspannungsbereich – mit 10 kV oder höher – ankommenden Strom über eigene Umspannanlagen in die Spannungen transformieren, die im Betrieb erforderlich sind. Das heißt: Ein Teil des öffentlichen Netzes wird nicht in Anspruch genommen, sondern intern dargestellt.

Die Strompreise der Industrie sind Teil jener kalkulatorischen Kosten, die über die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen, bzw. Produkten, mitentscheiden.

Dass der Industriestrompreis nicht mehr im mittleren einstelligen Cent-Bereich angesiedelt ist, sondern irgendwo zwischen 20 und 30 Cent pro kWh, ist für energieintensive Produktionen natürlich ein Problem. Ein großes Problem, das die Manager vor weitreichende Entscheidungen stellt, nämlich die Produktion in Deutschland beizubehalten oder einzustellen. Produktionseinstellungen drücken auf das BIP, vernichten Arbeitsplätze und damit Binnenkaufkraft, was sich wiederum negativ auf die Konsumgüterproduzenten und den Handel auswirkt.

Die Politik, die sonst immer schnell dabei ist, einfache Lösungen als den Populismus der Rattenfänger aus dem rechten Sumpf abzulehnen, erwägt nun seit Monaten die vermeintlich einfachste aller Lösungen für dieses Problem, nämlich den zu hohen Strompreis mit Steuergeldern oder durch Mehrbelastung der kleinen Stromkunden auf ein tragbares Maß herunter zu subventionieren.

Ja. Solange niemand fragt, wo die Steuergelder herkommen und wie der Kleine Mann seine noch höhere Stromrechnung bezahlen soll, und welche Folgen die Umwidmung weiterer Steuergeldern aus dem Bundesetat haben wird, solange kann man diese einfache Lösung befürworten.

Stellt man sich aber diese Fragen, stellt man unschwer fest, dass allgemein gestiegene Strompreise bei gleichbleibender volkswirtschaftlicher Leistung einen unvermeidlichen Verlust an Wohlstand mit sich bringen, ganz unabhängig davon, wie die Rechnung verteilt, wer stärker und wer schwächer belastet wird.

Nehmen wir das einfache Beispiel von Baustahl und Zement für den Wohnungsbau. Ohne dabei auch noch auf den Export zu schauen, stellt sich heraus, dass gestiegene Energiekosten für diese Baumaterialien entweder dazu führen, dass weniger gebaut wird, oder dazu, dass die Mieten steigen. Natürlich steigen die Mieten auch, wenn weniger gebaut wird, aber das ist kein Argument, wenn die Situation so aussieht, dass die meisten Mieter sowieso schon unter den Kosten für das Wohnen ächzen und sich die Wohnung, die ihren bescheidenen Wünschen an Lage, Größe, Ausstattung und Zustand entspräche, schon gar nicht mehr leisten können.

Also gilt es, die Stahl- und Zementindustrie zu subventionieren, damit die Baustoffpreise nicht steigen und die Baupreise und die Mieten nicht steigen. Das Geld dafür muss man allerdings den Mietern vorher aus der Tasche ziehen. Im Einzelhandel, weil die LKW-Maut deutlich angehoben wird, was praktisch alles, was Mensch zum Leben braucht, teurer werden lässt, in der Gastronomie, weil die Mehrwertsteuer auf Speisen wieder von 7 auf 19 Prozent angehoben wird, an der Tankstelle, weil Benzin und Diesel demnächst mit 40 Euro pro Tonne CO2 belastet werden, am Stromzähler, weil ein Teil der Subvention über eine Industriestromumlage auf alle verteilt wird, und so weiter. Mit dem Weitblick eines Grottenolms ist zu erkennen, dass die nicht gestiegenen Mieten vom danach noch verbleibenden Haushaltsbudget dennoch nicht gezahlt werden können, was wiederum auf die Baukonjunktur drückt und die Stahl- und Zementhersteller wegen unzureichender Kapazitätsauslastung an den Rand der Insolvenz bringt.

Ist es also doch nicht so gut, für Großverbraucher einen verbilligten Industriestrompreis gesetzlich vorzuschreiben?

Nein. Es ist überhaupt nicht gut, weil das Problem des Wohlstandsverlustes nicht gelöst, sondern nur wie der Schwarze Peter hin und her geschoben wird.

Muss man den Industriestrompreis also ablehnen? Solange nicht die Frage gestellt wird, wie sich die deutsche Volkswirtschaft entwickeln wird, wenn die Industrie wegen der Strompreise die Produktion in Deutschland einstellt, und sie vielleicht in Polen, in Ungarn, in den USA oder – igitt-igitt – in China oder Russland  wieder hochzieht, kann man hart und konsequent gegen den Industriestrompreis argumentieren.

Deindustrialisierung ist eben nicht nur ein inhaltsleerer Kampfbegriff rechter Ideologen, sondern ein Prozess, der bereits begonnen hat und dabei ist, sich zu voller Blüte zu entwickeln. Am Ende dieses Prozesses steht ein Agrarstaat, in dem die Pflüge von Ochsengespannen gezogen werden, und die Regale im Krämerladen so lange leer bleiben, bis ein Lastenradfahrer wieder einmal einen Karton mit Brühwürfeln anliefert.

Das kann natürlich niemand ernsthaft befürworten, obwohl damit der entscheidende Sieg im Ringen um die Klimaziele faktisch errungen wäre, sieht man davon ab, dass überall im Lande neben abgeschalteten Wärmepumpen, Öl und Gasheizungen die Holz- und Kohleöfen eine Renaissance erleben würden und nächtens Räuberbanden durch die Wälder zögen, um sich am nachwachsenden Rohstoff Brennholz zu bedienen. Die Polizei? Welche Polizei? Für die wäre längst kein Geld mehr da und sogar die Überwachungskameras wären abgeschaltet um Strom zu sparen, und weil sowieso niemand mehr die Aufnahmen auswerten könnte.

Nein! Der Industriestrompreis muss her, koste es was es wolle, weil sonst alles noch viel schneller zusammenbricht.

Es ist die falsche Diskussion.

Eine Diskussion, die so grottenfalsch ist, dass sie nur zu falschen und verderblichen Lösungen führen kann. Die Diskussion ist falsch, weil sie sich auf ein Symptom bezieht und, eifrig darauf bedacht, dabei nie auch nur in die Nähe der Ursache zu geraten, im immer gleichen Widerspruch zwischen Pest und Cholera, Skylla und Charybdis steckenbleibt.

Die Frage muss nicht sein, wie der Staat Teilen der Wirtschaft den als zu teuer erkannten Strom durch Subventionen verbilligen kann, die Frage muss sein, was der Staat tun könnte, damit Herstellung und Verteilung des Stroms wieder billiger werden.

Die wieder in die Irre führende Antwort, der Staat sollte halt einfach auf alle Steuern und Abgaben auf den Strompreis verzichten, ist doch wieder nur ein Schwarzer-Peter-Spiel. Unterstellt man, dass alle Staatsaufgaben sinnvoll sind und mit sparsamsten Mitteln bewerkstelligt werden, erfordern Kürzungen der Staatseinnahmen an dieser Stelle wieder Erhöhungen an anderer Stelle. Die Wohlstandsvernichtung bleibt.

Ein nüchterner Blick auf die Zahlen lehrt hingegen:

Die Energiewende, die Bevorzugung der so genannten Erneuerbaren Energien, ist der primäre Treiber des Strompreises, weil diese Erneuerbaren ohne staatliche Subventionen einfach wirtschaftlich nicht konkurrenzfähig betrieben werden können.

Wenn eigens die Strompreise in die Höhe getrieben wurden, um Fotovoltaik und Windstromanlagen konkurrenzfähig zu machen, dann war das ein Schildbürgerstreich allererster Güte. Auch das Merit-Order-Prinzip, nach dem die teuersten zur Bedarfsdeckung noch benötigten Kraftwerke die Vergütung für alle Stromproduzenten bestimmen, ist nichts als eine subtileForm der Subventionierung der Erneuerbaren.

Wie war das denn, als die Strompreise noch tragbar waren?

Deutschland hat seinen Strom überwiegend aus Kernkraftwerken und Kohlekraftwerken bezogen, die jeweils eine regionale Versorgungslast getragen haben, weshalb die „Monstertrassen“ die nun den Windstrom von der Küste nach Bayern transportieren sollen, eine vollkommen überflüssige und unsinnige Investition gewesen wären: Beweis: Es hat ohne sie funktioniert.

Die Frage, die es zu beantworten gälte, lautet also:

Könnte der Strompreis für Deutschland bei der Rückkehr zum Strommix der 80er und 90er Jahre wieder auf ein erträgliches Niveau sinken?

Ich kann kein vernünftiges Argument erkennen, dass auf diese Frage etwas anderes als ein klares Ja zulassen würde.

Bekenntnisse zu Klimazielen und CO2-Einsparungszielen können nicht losgelöst von ihren dramatischen wirtschaftlichen Folgen betrachtet werden, wenn es darum geht, Vernunft von Unvernunft zu unterscheiden.

Falls das Spurengas CO2 überhaupt einen Einfluss auf jene Weltdurchschnittstemperatur haben sollte, auf die das „Klima“ heutzutage reduziert wird, während von der Sonne induzierte Klimaveränderungen ignoriert werden und stattdessen die Verhältnisse zum Ende der letzten kleinen Eiszeit als unter allen Umständen zu rettendes  „Normklima“ propagiert werden, kann nicht außer Acht gelassen werden, dass selbst die vollständige Dekarbonisierung Deutschlands keinen erkennbaren Unterschied in der Entwicklung der CO2-Konzentration der Atmosphäre verursachen würde.

China stößt an einem einzigen Tag soviel CO2 aus, wie mit Habecks Heizungsgesetz in fünf Jahren nicht eingespart werden kann, vollkommen unberücksichtigt dabei immer noch, wieviel CO2 für Produktion und Installation der Wärmepumpen zusätzlich anfallen wird.

Für diesen Einsparungseffekt Kosten in Billionenhöhe in Kauf zu nehmen, bewegt sich weit außerhalb dessen, was ich noch als vernünftig ansehen würde.

Wer bei der Bundestagswahl 2025 die Rückabwicklung der Energiewende und die Wiederinbetriebnahme und den Neubau von Kernkraftwerken im Parteiprogramm stehen hat, der hat schon heute meine Stimme sicher.