Deutschland gründerfeindlich?

Mario Thurnes stellte gestern bei Tichys Einblick die These auf, Deutschland sei kein guter Standort für Gründer. Er erkennt sogar eine „feindselige“ Einstellung gegenüber der Selbständigkeit.

Diese Klage ist nicht neu, sie wird immer wieder gerne wiederholt, doch möchte ich heute Zweifel daran anmelden, ob das so auch wirklich stimmt.

Zunächst einmal scheinen die Zahlen, die Thurnes beim Statistischen Bundesamt gefunden hat, seine These keineswegs zu bestätigen. Von Januar bis August, also im Laufe von nur acht Monaten

  • haben 202.800 Menschen eine selbständige Tätigkeit im Nebenerwerb angemeldet,
  • wurden 93.400 Kleinunternehmen gegründet,
  • wurden 80.200 Unternehmen gegründet, die auf eine größere Bedeutung schließen lassen.

Da sind, wenn man die Zahlen einfach addiert, immerhin 376.400 Unternehmen unterschiedlichster Bedeutung neu gegründet worden. Mario Thurnes widmet dieser Größenordnung jedoch keine Aufmerksamkeit, sondern stellt lediglich darauf ab, dass diese Zahlen gegenüber dem Vergleichszeitraum der Vergangenheit rückläufig waren.

Rechnet man die Zahl aufs ganze Jahr hoch,  so bekommt man zumindest einen besseren Eindruck vom Gründungsgeschehen und landet bei einer Zahl von rund 565.000 Gründungen, die Deutschland bis zum Jahresende noch erreichen könnte.

Im Vergleich mit den 45,4 Millionen Erwerbstätigen, in denen ja nicht nur die abhängig Beschäftigten, sondern auch Unternehmer und Freiberufler enthalten sind, sehe ich darin eine sehr hohe Zahl von Gründungen. Es bedeutet, dass innerhalb eines Jahres jeder achtzigste Erwerbstätige zum Gründer geworden ist.

Noch überwältigender ist der Vergleich mit der Zahl der bestehenden, steuerpflichtigen Unternehmen. Davon wurden 2020 3,03 Millionen offiziell gezählt. Bei dem Zuwachs durch Gründungen müssten das inzwischen 4 Millionen sein, und wenn man rückwärts rechnet, dürfte es vor sechs Jahren noch kein einziges Unternehmen in Deutschland gegeben habe.

Dass das nicht stimmen kann, ist offenkundig. Es fehlt also eine wichtige Information, und die findet sich in der Zahl der Unternehmensaufgaben.

Davon gab es, ebenfalls zwischen Januar und August 2022 immerhin 281.900. Deutlich weniger als vor der Pandemie, doch weist Thurnes in seinem Aufsatz darauf hin, dass dies mit den staatlichen Hilfsmaßnahmen und der Aussetzung der Insolvenzanmeldungspflicht in Zusammenhang stehen könnte.

Insgesamt kann man wohl sagen, dass die hohe Zahl der Gründungen nicht wesentlich zur Veränderung der Zahl der Unternehmen beiträgt. Die KfW, als Förderbank für Gründer, weist  in ihrem aktuellen Gründungsmonitor  allerdings nicht nur die Zahl der Vollerwerbs-Gründungen sehr detailliert aus, sie geht auch auf die Abbruchraten von Existenzgründungen ein und gibt an, dass etwa ein Drittel der Neugründungen das dritte Geschäftsjahr nicht überleben. 42 Prozent sind nach fünf Jahren nicht mehr am Markt.

Die Bürokratie, so die KfW, sei das größte Gründungshemmnis, aber das finanzielle Risiko die größte Gründungsbarriere.

Ich möchte dem etwas entgegenstellen, was sicherlich nicht nur mir als ein auffallender Gegensatz dazu erscheint, nämlich die vielen – und meist ziemlich erfolgreichen – Geschäfte, die sich viele Ausländer in Deutschland im Bereich der Gastronomie, des spezialisierten Einzelhandels, des Dienstleistungssektors und des Handwerks aufgebaut haben. Das hat schon in den 1960er Jahren mit Pizzerias und Italienischen Eisdielen begonnen und ist inzwischen zu einer sehr internationalen Erscheinung geworden, in der Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien, aus Griechenland, und der Türkei – neben vielen anderen Staatsangehörigkeiten – den Schwerpunkt der in Deutschland tätigen Kleinunternehmerschaft bilden und immer häufiger auch im unternehmerischen Mittelstand anzutreffen sind. 

Wo es mir möglich war, die geschäftliche Entwicklung über längere Zeiträume zu beobachten, zeichnete sich ein Muster ab, dass der Darstellung der KfW in Bezug auf Gründungsbarrieren und Gründungshemmnisse widerspricht. Dieses Muster eines Geschäftsmodells ruht auf drei tragenden Säulen:

  1. Großes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und in die Unterstützung durch Familie und Verwandte
  2. Großes Geschick in der Vermeidung jeglicher bürokratischer Anforderungen des Staates in den ersten Jahren
  3. Großes Geschick in der Improvisation, was den Finanzierungsbedarf durch Verzicht auf Perfektion in der Anfangsphase drastisch reduziert.

Das sind alles Einstellungen, die aus der Mentalität der Herkunftsländer zu erklären sind.

  • Wo die Anforderungen der Bürokratie zwar zum Teil ebenfalls immens sind, aber die Erfüllung kaum geprüft wird, und wo doch, sich ein Weg findet, den Beamten dennoch freundlich zu stimmen, wird auch der Umgang mit der Bürokratie in Deutschland sehr viel lockerer gesehen, so dass am Beginn der Tätigkeit nicht zwangsläufig auch schon die Gewerbeanmeldung steht.
  • Wo es selbstverständlich ist, dass sich die Mitglieder von Großfamilien sowohl tätig als auch finanziell unterstützen, ohne dass dies penibel gegeneinander aufgerechnet und entgolten werden müsste, wird der Sprung ins kalte Wasser der Selbständigkeit von einem dichten familiären Sicherheitsnetz aufgefangen und daher nicht als gefährliches Risiko empfunden.
  • Wo es notwendig ist, ein gewünschtes Ergebnis auch mit einfachen Mitteln hervorbringen zu müssen, ist Improvisation nicht unbedingt vom Talent abhängig, sondern ergibt sich schlicht aus tausenden Beispielen, denen man überall begegnen kann. Dies lässt sich – sogar als Alleinstellungsmerkmal – auch in Deutschland gut verkaufen, so lange wenigstens die wichtigsten Vorschriften der Gewerbeaufsicht nicht offensichtlich verletzt werden.

Hinzu kommt eine hohe Sensibilität für neue Chancen ebenso, wie eine hohe Sensibiliät für Gefahren, die aus dem Verhalten und den Absichten der Konkurrenz entstehen könnten. Diese Sensibilität ist vielen Deutschen abhanden gekommen. Hier ergänzen sich das kindliche Vertrauen in die staatliche Ordnung und die Ferne des braven Angestellten von den wahren unternehmerischen Entscheidungen und Aktivitäten zu einer gefährlichen Naivität an der selbst eine zunächst erfolgreiche Gründung am subversiven Agieren gieriger Neider scheitern kann.

Die verschworene Großfamilie wird den meisten deutschen Gründern aus der Ein-Kind-Familie nachträglich nicht mehr zu verschaffen sein. Doch zur Kompensation dieses Mangels sind einige sehr grundsätzliche, und doch weitgehend unbekannte betriebswirtschaftliche Kenntnisse schon sehr nützlich. Diese finden sich, anhand einer Vielzahl von eingängigen Beispielen und ohne komplizierte Formeln verständlich dargestellt, in der vollständig überarbeiteten und ergänzten Neuauflage des ersten Bandes meiner „Wahnwitzigen Wirtschaftslehre“.

Damit aber nicht genug,

  • zugleich vermittelt sie die richtige Einstellung für einen angstfreien Start in die Selbständigkeit, der weder von der drohenden Bürokratie noch von fehlenden Mitteln für ein von Anfang an perfekt ausgestattetes Unternehmen, ja noch nicht einmal von noch unzureichenden Erfahrungen in der Zielbranche  gebremst wird, und
  • sie enthält wertvolle Hinweise auf drohende Gefahren, die von Seiten der Mitarbeiter ebenso drohen, wie von der stets wachsamen Konkurrenz, und nicht zuletzt auch vom „inneren Schweinehund“, der schon nach den ersten anfänglichen Erfolgen meint, es ginge doch auch mit weniger intensiver Arbeit.

Deswegen erhielt die Neuausgabe den Hautptitel „Selbständigkeit – Worauf du dich einlässt – und wie du gewinnst“

Weniger um Sie in Stichworten mit der Fülle der angesprochenen Themen bekannt zu machen, was nicht wirklich weiterhilft, sondern mehr, damit Sie erkennen können, wie stark dieses Buch vom Klischee des trockenen Sachbuchs abweicht und schon (fast) zum reinen Lesevergnügen werden kann, hier eine kleine Leseprobe. Es handelt sich um die Seiten 169 bis 178 aus dem insgesamt 303 Seiten starken Band.

45 Public Relations

Tue Gutes und rede darüber. Ich weiß nicht mehr, wer diese bestmögliche Übersetzung von Public Relations kreiert hat, jedenfalls verdient er/sie eigentlich einen Orden dafür.

Sie werden jetzt möglicherweise einen Widerspruch zu den Pokerface-Anweisungen aus dem letzten Kapitel heraushören. Doch eigentlich ist das nur die Fortsetzung der Pokerface-Ausführungen. Allerdings vor einem leicht veränderten Hintergrund. Es ist für jedes Unternehmen gut, wenn in der Öffentlichkeit eine positive Grundstimmung für dieses Unternehmen vorhanden ist. Das hat überhaupt nichts damit zu tun, den großen Max zu spielen, wie ich es vorher formuliert habe, ganz im Gegenteil, es ist die Kunst, dem geneigten Publikum mit wenig Aufwand in der Sache und dem notwendigen Aufwand in der Publizität den Eindruck zu vermitteln: Hier ist ein Unternehmen/ein Unternehmer, der seine gesellschaftlichen/sozialen Verpflichtungen wahrnimmt. Ein guter Mensch! Diese Grundstimmung hilft Ihnen, auch im härtesten Konkurrenzkampf vielleicht den entscheidenden Pluspunkt zu machen, weil man Ihnen, aufgrund Ihrer Verdienste um das Gemeinwohl, ganz einfach einen kleinen Bonus einräumt. Tue Gutes!

Was ist gut? Denken Sie daran, dass Ihre Handlungen für ein Publikum inszeniert werden. Das Publikum hat seine eigenen Wertvorstellungen. Die Unterstützung eines Vereins zur Resozialisierung von Straftätern kommt vielleicht nicht so gut an wie die Unterstützung einer Schule oder eines Kindergartens. Die Übernahme einer Patenschaft für einen Rauschgiftsüchtigen hat möglicherweise einen anderen Stellenwert als eine Spende zur Sanierung der Orgel Ihrer Kirchengemeinde. Das klingt ziemlich grausam, ist aber leider so.

Wenn Sie sich für Dinge engagieren wollen, die außerhalb dessen liegen, was von einem Durchschnitts-Stammtisch-Bruder für wichtig gehalten wird, dann sollten Sie es tun, aber tunlichst nicht darüber reden. Das sind die Public-Relations-Gesetze!

Bleiben wir bei den Beispielen. Weitere für Ihren speziellen Fall dürfen Sie selbst suchen.

Was braucht ein Kindergarten, eine Schule? Alte PCs, Tablets, Handys.  Was müssten Sie teuer als Elektronik-Schrott entsorgen? Alte PCs, Tablets, Handys.

Okay, die eigentliche Spende kostet Sie praktisch gar nichts. Damit die PCs aber auch zumindest zeitweise einen Nutzen für den Kindergarten bringen, sollten Sie beim Träger des Kindergartens nachfragen, ob denn Interesse bestünde und welche Software ggfs. benötigt würde, um den Kleinen zu helfen, sich mit der modernen Technologie bekannt zu machen. Sie würden noch rund 1.000 Euro in die Anschaffung von Software investieren, erwarten allerdings auch eine kleine Beteiligung des Trägers, z.B. dadurch, dass die Aufstellung der Geräte und die Installation der Software durch einen vom Träger beauftragten Spezialisten übernommen wird. Außerdem bräuchten Sie natürlich eine Spendenquittung.

Wenn darüber Einigkeit besteht, erbitten Sie eine Liste der Eltern, legen einen feierlichen Übergabetermin fest, bitten die zuständigen Pädagogen, den Rahmen für eine kleine Feierstunde zu gestalten, informieren die örtliche Presse – und schon sind Sie, mit großem Foto, als Wohltäter in die Öffentlichkeit geraten. Wenn Sie bei Ihrer Ansprache noch verkünden, Sie würden natürlich auch in der Zukunft stets ein offenes Ohr für die Wünsche und Interessen des Kindergartens (oder der Schule) haben, dann füllt das noch ein paar Zeilen in dem Lobesartikel, der über Sie geschrieben wird, und Sie haben gute „Public Relations“. 

Die Sache mit der Orgel ist schon etwas schwieriger. Sie sollten sich erbieten, in das Organisations-Komitee für die Orgelsanierung aufgenommen zu werden. Dann Ihre Frankiermaschine für den Versand von Bettelbriefen zur Verfügung stellen und schon ganz zu Beginn der Aktion für ein gutes Presse-Echo sorgen. Dabei geht es in erster Linie um Spenden für die Orgel, ganz nebenbei wird aber auch die Nachricht transportiert, wer da seine ganze Organisation zur Verfügung stellt, um die Spendensammelei überhaupt erst zu ermöglichen. Danach steht Ihnen das Recht zu, monatlich oder vierteljährlich Bericht darüber zu erstatten, wie das Spendenkonto steht. Und zum richtigen Zeitpunkt treten Sie ganz groß vor und füllen den fehlenden Betrag von genau 11.281,50 auf. Damit sind Sie derjenige, der die Orgelrenovierung ermöglicht hat, und Sie haben gute „Public Relations“. Fragen Sie sich, was Sie ausgeben müssten, um mit normaler Werbung zu einem solchen Image zu gelangen, und die Summen gehen extrem in die Höhe.

Rede darüber, wie geht das? Die Beispiele sollten ihnen schon Klarheit gegeben haben. Für Ihre Aktionen brauchen Sie Öffentlichkeit. Die Aktionen müssen daher immer so gestaltet sein, dass die Presse da ist und danach auch wirklich schreibt. Sie selbst sind eher der Bescheidene, der versucht, im Hintergrund zu bleiben, aber die Begünstigten machen einen Event daraus und singen Lobeshymnen auf Sie. Wenn Sie dann im persönlichen Interview noch ein paar Sätze über Ihre hervorragenden Mitarbeiter und Ihre hervorragenden Produkte loslassen, denen Sie es verdanken, überhaupt als ‚Spender’ in Erscheinung treten zu können, dann wird auch das gedruckt. Kostenlos. Und im redaktionellen Teil, nicht im Anzeigenfriedhof.

Also, möglichst nicht selbst zuerst mit Eigenlob herumwerfen. Nachdem die Dinge in der Zeitung standen, dürfen Sie das selbst auch verwenden. Unter Hinweis auf das große positive Echo in der Öffentlichkeit, von dem Sie selbst am meisten überrascht waren. Wenn Sie zu früh losgackern, hört Ihnen erstens keiner zu, und zweitens laufen Sie Gefahr, mit Wilhelm Buschs Federvieh verwechselt zu werden, und Sie wissen, wie das endet: „… sieht man sie ohne Kopf und Gurgeln gar lieblich in der Pfanne schmurgeln.“

46 Die Frau an Deiner Seite

Das sagt man so. Die Frau an seiner Seite. Wenn Sie Glück haben, haben Sie die richtige Frau an Ihrer Seite, den Menschen, mit dem Sie lachen und weinen können, den Menschen, mit dem Sie über Ihre Sorgen und Probleme genauso reden können, wie über Ihre Siege und Erfolge. Allerdings bestehen bei den meisten Männern gegenüber der eigenen Frau höchste Bedenken, wenn es darum geht, Fehler einzugestehen, Zweifel zu äußern, drohende Katastrophen anzusprechen. „Mann“ will Frau nicht belasten. „Mann“ will Frau nicht allzu sehr in die eigenen Schwächen einweihen. „Mann“ will Frau imponieren. Das heißt im Klartext, dass bei aller Liebe, allem gegenseitigen Verständnis und Vertrauen immer eine Hemmschwelle bleibt, wenn es ans Eingemachte geht.

Es gibt Ausnahmen, aber ich bin ehrlich: Ich z.B. bin keine. Wenn auch Sie ehrlich zu sich sind (und wenn Sie Frau sind, dann denken Sie jetzt an den Mann an Ihrer Seite), werden Sie zugeben, dass es auch Ihnen schwerfällt, sich in Ihrer Zweierbeziehung in jeder Beziehung völlig aus der Deckung zu begeben. So bleibt die Wahl, entweder mit allen großen Problemen allein zu bleiben oder jemanden zu finden, dem man sich anvertrauen kann, ohne damit das Glück der eigenen Partnerschaft aufs Spiel zu setzen. Wie sind Sie bisher damit umgegangen? Haben Sie den guten Freund, den besten Kameraden, mit dem Sie über alles sprechen können, oder gibt es auch bei diesem eine ähnliche Hemmschwelle?

Sie ahnen, worauf ich hinauswill. Umgeben Sie sich mit der notwendigen Anzahl von Spezialisten. Spezialisten, die Sie konsultieren wie Ihren Arzt. Bleiben Sie zu allen diesen Spezialisten stets auf einer geschäftsmäßigen Distanz. Erkennen Sie die Spezialisten als solche an. Hören Sie auf ihre Ratschläge. Vertrauen Sie Ihnen alles an, vorbehaltlos. Nur dann bekommen Sie das richtige Ergebnis. Entwickeln Sie dem Spezialisten gegenüber keine Scham und keine Schuldgefühle. Es geht um Fakten, die Beurteilung einer Situation und um das Erkennen von Chancen, aus dieser Situation das Beste zu machen oder mit einem blauen Auge herauszukommen, je nachdem.

Entwickeln Sie keine persönliche Beziehung zum Spezialisten, denn möglicherweise müssen Sie ihn auswechseln, wenn er nicht mehr auf dem Stand der Kunst ist.

Welche Spezialisten Sie brauchen werden, kann ich Ihnen nicht vorhersagen. Aber prüfen Sie sich selbstkritisch, in welchen Fachgebieten, Ihr Unternehmen Spezialisten benötigt (Kosten, Risiken!), wo Ihr eigenes Wissen nicht ausreicht, um immer die richtigen Entscheidungen zu treffen. Bevor Sie groß genug sind, um sich für alles und jedes einen eigenen Spezialisten zu halten, brauchen Sie externe Helfer, die gegen Stundenhonorar zur Verfügung stehen. Da helfen auch alle CD-ROMs mit betriebswirtschaftlichem Praxiswissen nur wenig, wenn Sie schon ein Problem damit haben, den passenden Suchbegriff einzugeben!

Also: Die Frau an Ihrer Seite verdient etwas anderes, als sich mit Ihren Problemen herumärgern zu müssen. Lassen Sie deshalb Ihre Probleme dort lösen, wo sich der Sachverstand dafür anbietet. Das spart Nerven. Das spart letztlich auch Geld.

Wo ist „oben“,
und wie kommt man wieder runter?

 

47 Quo vadis

Großes Kino. Überlänge. Danach stellt sich die Frage, wohin jetzt? Noch ein opulentes Dinner oder nur ein Absacker, oder gleich nach Hause auf die Matratze?

Es bleibt Ihnen als Unternehmer nicht erspart, sich spätestens nach dem großen Wagenrennen (das war übrigens „Ben Hur“, nicht „Quo vadis!“) zu fragen, wo soll es denn eigentlich hingehen? Was will ich definitiv erreichen und welche Ziele interessieren mich noch? Nach vielen Jahren intensiver Aufbauarbeit, mitten im Leben stehend, sollten Sie sich für eine Woche in Klausur begeben und genau darüber nachdenken. Wo gehe ich eigentlich hin? Warum tue ich das? Wo wollte ich eigentlich hin? Will ich das immer noch? Wie viel Zeit bleibt mir? Was will ich damit anfangen.

Es ist nämlich nur zu wahrscheinlich, dass Sie Ihre ursprünglichen Ziele irgendwann zwischen alten Aktenordnern vergessen haben. Eine kleine Besinnungspause lohnt sich immer. Das Wohin impliziert immer auch die Frage nach dem Wo (bin ich heute). Nicht wenige werden feststellen, dass Sie weder da sind, wo sie hinwollten, noch wissen, wohin es jetzt gehen wird. Sie haben sich von den Umständen, dem Umfeld, der Umwelt treiben lassen, hier eine Chance mitgenommen, dort eine Niederlage verkraftet, immer weniger agiert und stattdessen immer mehr reagiert, Sachzwänge erfüllt und den ursprünglichen Schwung gegen routiniertes Rotieren eingetauscht. Ich empfehle eine solche Standortbestimmung einmal pro Jahr durchzuführen und die Ergebnisse der Standortbestimmung dazu zu verwenden, Ziele zu überprüfen und gegebenenfalls neu zu setzen.

Natürlich hält sich niemand an diese Empfehlung.

Meistens kommt die Frage ‚Quo Vadis’ erst dann, wenn sie unausweichlich geworden ist. Weil die Gesundheit gelitten hat, weil die Ehe zerrüttet ist oder weil man – im ersten Urlaub nach x Jahren – merkt, dass man gar nicht mehr entspannen kann. Spätestens in einer solchen Situation müssen Sie sich selbst Rechenschaft ablegen und Korrekturen anbringen. Ich empfehle dann, aus dieser Situation heraus nicht wieder nur zu reagieren oder an Symptomen zu kurieren, sondern die Chance zu nutzen, den Kurs selbst neu festzulegen.

Natürlich hält sich niemand an diese Empfehlung.

Für Sie, jetzt und in dieser Sekunde, damit Sie es lernen, damit es Ihnen zum Bedürfnis wird, mindestens einmal jährlich nicht nur den Geschäftserfolg zu bilanzieren, sondern auch selbst Bilanz zu ziehen:

Tun Sie es jetzt! Sofort! Legen Sie einfach dieses Buch zur Seite, nehmen Sie sich ein paar Blatt Papier und schreiben Sie – schonungslos offen zu sich selbst– auf, wo Sie stehen. Als Unternehmer und als Mensch. Fragen Sie sich dann ernstlich, ob Sie dabei glücklich sind. Fragen Sie sich, was Ihnen zum Glück fehlt. Und dann machen Sie sich ein Bild von dem, was Sie noch erreichen wollen. Als Unternehmer. Und dann stellen Sie sich als Mensch in dieses Bild und versuchen Sie herauszufinden, ob Sie glücklich sein werden, wenn Sie dort angekommen sind. Arbeiten Sie so lange an diesem Bild, bis es Ihnen gefällt. Verlieben Sie sich in dieses Bild und fangen Sie an, die Schritte dorthin zu planen.

Es sind höchstwahrscheinlich nicht nur Schritte, die vorwärts gehen. Vielleicht müssen Sie auf das Eine verzichten, um das Andere genießen zu können, vielleicht müssen Sie aus der Mitte heraus und einen Schritt zur Seite treten, um genießen zu können und um glücklich zu sein. Aber ich will natürlich keine Melancholie verbreiten! Ich will Ihnen nur klarmachen: Wenn Sie mit Ihrem Leben, Ihrer Situation nicht zufrieden sind, dann sollten Sie sie ändern – zum frühestmöglichen Zeitpunkt und mit Ihrem vollen Einsatz. Weil es Ihr Leben ist. Ihr Leben in Verbindung mit Ihrem Unternehmen!

Wenn Sie Spaß daran haben, immer neue Umsatzziele und Marktanteile zu erreichen, dann setzen Sie sich Ziele, die Ihnen diesen Spaß garantieren!

Wenn Sie die atemberaubenden Schlachten im Konkurrenzkampf brauchen wie der Fisch das Wasser, dann stürzen Sie sich mit voller Kraft hinein! Suchen Sie sich den nächsten Gegner und setzen Sie alle Ihre Erfahrungen ein!

Wenn Sie allerdings irgendwann zu dem Schluss kommen: Das Leben ist mehr als Arbeit, dann planen Sie Ihren Ausstieg. Planen Sie ihn so, dass Sie ihn nicht bereuen müssen. Ordnen Sie Ihr Unternehmen neu! Suchen Sie einen Nachfolger, bauen Sie ihn auf. Ändern Sie gegebenenfalls die Rechtsform, wechseln Sie von der Personengesellschaft zur Kapitalgesellschaft. Und wenn Sie allmählich erkennen können, dass es unter glücklichen Umständen eventuell vielleicht auch ohne Sie ginge, dann lassen Sie die Zügel los und stürzen Sie sich in die Dinge, von denen Sie jetzt überzeugt sind, dass Sie darin Ihre Erfüllung finden. Ein Unternehmer, der nicht mehr mit voller Kraft für sein Unternehmen da ist, gerät in eine abwärts gerichtete Strömung. Deshalb sollte man aufhören, wenn es am schönsten ist.

Aber wer macht das schon?

 

Das Angebot für diesen Band – und alle meine derzeit lieferbaren Bücher – finden Sie direkt hier im Shop des BoD-Verlags.