Die Bürokratie und ihre Kritiker

PaD 14 /2021 – Hier auch als PDF verfügbar PaD 14 2021 Die Bürokratie und ihre Kritiker

Es gab einmal ein Land, im Herzen Europas gelegen,
das für seine perfekte Verwaltung gerühmt wurde.

Den Grundstein dafür hatte wohl schon Friedrich Wilhelm I. von Preußen mit seiner Verwaltungsreform (mit Schwerpunkt auf dem funktionierenden Fiskalismus) gelegt. Sein Sohn, Friedrich der Große, konnte darauf aufbauen, denn auch er war sich bewusst, dass alleine sein Reformwille, seine Pflichtauffassung und seine intellektuellen Stärken nichts bewirken könnten, stünde ihm nicht ein funktionsfähiger Behörden- und Verwaltungsapparat zur Seite, der ihm die notwendigen Informationen für seine Entscheidungen liefert, seine Vorstellungen in Pläne gießt und  diese zuverlässig umsetzt.

Diese, von absolutistischen Herrschern geschaffene, zunächst preußische, später deutsche „Verwaltungstradition“ hat sich über zwei Jahrhunderte bewährt, wurde von anderen Staaten bewundert und adaptiert. Auch nach der militärischen Zerschlagung des Deutschen Reiches gelang es nach 1945 noch einmal, die bewährten Verwaltungsstrukturen neu aufzubauen und – ganz ohne die uns heute zur Verfügung stehenden Hilfsmittel der Datenverarbeitung – zuverlässig zum Funktionieren zu bringen.

Während die größeren Unternehmen der Wirtschaft ihre internen Verwaltungsapparate beibehalten und dabei stets auf Effizienz getrimmt haben, so dass Einkaufs- und Personalabteilungen, die Buchhaltung, das Controlling, die Revision und zweckmäßige Planungsstäbe, die „produktiven“ Bereiche unterstützen und zugleich die Informationsbasis für die Unternehmensleitung zur Verfügung stellen, ist die öffentliche Verwaltung inzwischen weitgehend funktionsunfähig geworden.

Von den Schwierigkeiten, in Berlin an einen neuen Personalausweis zu kommen, angefangen, bis hin zu den Problemen, einen Hauptstadtflughafen in Betrieb zu nehmen oder für die Bundeswehr ein neues Sturmgewehr zu beschaffen, zieht sich ein roter Faden des Versagens, so dass es niemand mehr ernstlich verwundert, dass die zugesagten Coronahilfen bei denen, die es nötig haben, wenn überhaupt, dann mit großer Verspätung ankommen, während Betrüger ein leichtes Spiel haben, aus den reich gefüllten Töpfen die Millionen abzugreifen, bei geringem Risiko, dafür je strafrechtlich belangt zu werden. Denn die Mühlen der Justiz sind in Deutschland ebenso hoffnungslos verstopft und versottet, wie die Ausländerbehörden, die Sozialämter und die Dienststellen der Bundesagentur für Arbeit.

Nun habe ich heute zwei Meldungen gefunden, welche das Fiasko noch einmal in voller Schönheit ausleuchten.

Elon Musk, unter anderem Chef von Tesla, dem man Milliardensubventionen für seine Gigafactory in der Nähe von Berlin zugeschoben hat, und dem man bei seinen Bauplänen so großzügig entgegengekommen ist, dass die Fabrik schon steht, bevor die notwendigen Genehmigungen erteilt werden konnten. Jemand also, dem sich die deutsche Bürokratie von ihrer schönsten Schokoladenseite gezeigt hat, wovon deutsche Autobauer nicht einmal zu träumen wagen, dieser Elon Musk unterstützt die Deutsche Umwelthilfe (DUH) bei ihrer Klage gegen die Bundesregierung mit einer Stellungnahme, in welcher er seinem Frust über die deutsche Bürokratie freien Lauf lässt. Dass es sechzehn Monate nach dem Bauantrag noch nicht einmal einen Zeitplan für die endgültige Genehmigung gibt, wo doch schon im Sommer die ersten Automobile in Grünheide vom Band rollen sollen, regt ihn schon maßlos auf, aber insbesondere stört er sich daran, dass sein „Klimaschutzprojekt Gigafactory“ im bürokratischen Prozess nicht anders behandelt wird als Projekte, deren Realisierung eher zur Beschleunigung des Klimawandels beitragen würde.

Martin Seiwert, Redakteur der Wirtschaftswoche, führt ebenfalls spaltenfüllend Klage, doch während Musk den Stier bei den Hörnern packt, wirkt Seiwert so, als habe er noch nie vom Stier gehört. Seine Beschwerde geht eher dahin, dass die Mistkäfer auf der Bullenweide zu weite Wege zurücklegen müssen, um vom einen Fladen zum nächsten zu gelangen. Im Klartext: Er verlangt zusätzliche Bürokratie zum Zwecke der Überwachung der Strompreise an den Ladesäulen.

Was diese beiden Meldungen verbindet, ist nicht nur die Tatsache, dass es in beiden um die so genannte Elektromobilität geht, sondern dass es sich in beiden Fällen darum handelt, gegenüber dem Staat und seiner Verwaltung egoistische Partikular-Interessen durchzusetzen. Von Musk glaube ich, dass er die Deutschen in den verantwortlichen Positionen einfach für blöd genug hält, sich weiter von der DUH, deren höchst einträgliches Hauptgeschäft es ist, sich als Abmahnverein zu betätigen, am Nasenring durch die Manege führen zu lassen, zumal sie die Grundlagen für das Geschäftsmodell der DUH selbst geschaffen haben. Also meint Musk, ein paar Monate vor dem geplanten Produktionsstart schon einmal vorsorglich Druck aufbauen zu können, damit ihm die Betriebsgenehmigung erteilt wird, bevor überhaupt über die Baugenehmigung entschieden ist. Wie clever Musk sein Geld verdient, und wo er es einsammelt, habe ich am 3. Februar in dem Beitrag „Steuermilliarden für TESLA – ist das noch Wirtschaftspolitik oder schon Hochverrat?“ ausgeführt.

Wetten, dass die Bundesregierung vollzählig bei der großen Einweihungsfeier der Gigafactory vertreten sein und sich beweihräuchern (lassen) wird, wie großartig sie es geschafft haben, dem US-Konzern aus Steuergeldern eine nigelnagelneue Fabrik in den märkischen Sand zu stellen, und wie sie mit Prämienzahlungen aus Steuergeldern auch noch dafür gesorgt haben, dass die Wunderautomobile von deutschen Kunden auch gekauft werden können. Bewundernswert dabei nur, mit welchem Pokerface Elon Musk das alles ertragen kann, ohne sich vor Lachen einen Zwerchfellbruch einzufangen.

Und der Herr Seiwert hegt nicht den geringsten Zweifel daran, dass der schnelle Zuwachs der Elektromobilität ausschließlich dadurch behindert wird, dass der E-Mobilist keine Chance hat, stets die E-Tankstelle mit dem günstigsten Preis aufsuchen zu können.

Und während man sich so ereifert, die E-Mobilität voranzubringen, um das Klima zu bekämpfen, das glücklicherweise so etwas, wie einen Lachkrampf nicht kennt, kann es gar nicht schnell genug gehen, die Produktion des Treibstoffs für die E-Mobile durch die Stilllegung der Kraftwerke voranzutreiben. Im Wahlprogramm der Grünen ist zu lesen:

„Nach dem Willen der Großen Koalition werden in Deutschland Kohlekraftwerke noch bis 2038 dem Klima und unserer Gesundheit schaden.“

 Daher wollen sie den Kohleausstieg schon 2030 vollendet wissen. Nimmt man die Tatsache hinzu, dass schon 2023 auch das letzte deutsche Atomkraftwerk vom Netz genommen werden soll, sind damit die letzten sicheren Kapazitäten der Stromerzeugung – lange vor Ende ihrer Nutzungszeit – abgeschaltet, rückgebaut und dem Erdboden gleichgemacht. Was die Grünen stattdessen planen, habe ich in meinem Buch „Wollt ihr das totale Grün“ ausführlich gewürdigt, samt dem Widerspruch, der da lautet:

„In einem ersten Schritt wollen wir die erneuerbaren Energien als zwingend für die Versorgungssicherheit definieren.“

Ausgerechnet Windkraft und Photovoltaik, die Totengräber der Versorgungssicherheit, sollen im ersten Schritt als zwingend für die Versorgungssicherheit definiert werden? Dagegen sind Milchmädchenrechnungen, auch wenn sie im Milliarden-Euro-Bereich angestellt werden, ja noch ein erträglicher Blödsinn.

 

Es ist nicht der uns fehlende Vorteil der Monarchie oder der Diktatur, auch nicht ein systemimmanenter Mangel der Demokratie, dass in Deutschland immer weniger funktioniert und das Wenige, was noch funktioniert, mit immer neuen Gesetzen und Verordnungen überzogen und gelähmt wird. Diesem Staat und seinem Staatsvolk ist schlicht und einfach das gemeinsame, übergeordnete Interesse verloren gegangen. Die Bundesrepublik Deutschland kennt kein einziges, eigenes Ziel mehr, sondert mäandert träge zwischen den Interessen unserer europäischen Nachbarn, der USA und der NATO, wie auch der Vereinten Nationen und der Weltgesundheits-Organisation dahin. Den einen verspricht man, nur um nicht selbst einen eigenen Willen fassen und ggfs. auch durchsetzen zu müssen, nach allen Zugeständnissen, die bereits gemacht wurden, nun auch die Schuldenunion und die Übernahme der daraus erwachsenden Lasten, den anderen verspricht man, ein guter transatlantischer Partner zu sein und auch der ärgsten Erpressung nachzukommen, als handle es sich um den eigenen Wunsch und Willen. Der UNO gegenüber verpflichtet man sich, das Programm zur Replacement Migration als vorbildlicher Musterknabe zu unterstützen, und so weiter, und so weiter …

Nein, das Phänomen, das die blühenden Landschaften Deutschlands, die aus den Trümmern des Krieges gewachsen sind, nun verdorren lässt, hat mit Demokratie und Monarchie nichts zu tun. Es kann in beiden Systemen auftreten. Sein Name ist Dekadenz.

Diese Dekadenz beginnt stets bei der Führung. Dort geht zuerst der Sinn für Pflichten und Verantwortung, für vorausschauende Planung und Vorsorge verloren. Faulheit, Sorglosigkeit und Dummheit greifen um sich, wenn die Führung sich in Selbstzufriedenheit sonnt, den Problemen aus dem Weg geht, Versprechen nicht mehr  einhält und die eigenen Gesetze, wenn sie der Bequemlichkeit des Regierens im Wege stehen, leichtfüßig übertritt. Menschen, die dies aus der Nähe beobachten und sich ihren Reim darauf machen, verwenden ihre Intelligenz nicht mehr länger darauf, ihre Aufgaben zu erfüllen, sondern mehr und mehr darauf, an der Mühelosigkeit teilzuhaben, wo doch der Tisch so reich gedeckt ist. So frisst sich die Säure der Dekadenz bis in die Spitzen der Behörden und Ämter, werden Sparkassenkaufleute und Weinköniginnen zu Ministern, die sich, mangels ausreichender eigener Kompetenz und voller Misstrauen gegen ihre altgedienten Beamten, die ja ihre offenkundigen Schwächen erkennen würden, lieber teure externe Berater ins Haus holen, von denen die meisten das Geschäft, zu dem sie ihre Weisheiten absondern, selbst nie erlernt haben, sondern sich lediglich mit einer Handvoll von Management-Techniken einen groben Überblick zu verschaffen in der Lage sind, um nach einfachen betriebswirtschaftlichen Weisheiten, wie sie inzwischen auch auf Abreißkalendern stehen könnten, dann ihren Rat ins Blaue hinein abschießen, wohl wissend, dass er begierig aufgenommen und beachtet werden wird, weil die Beratenen zu einem eigenen Urteil nicht fähig sind.

Hat sich die Dekadenz erst einmal vor dem noch vorhandenen Fachwissen und Können abgeschottet, steht sie bald darauf vor dem Problem, dass sich im Volk Unzufriedenheit auszubreiten beginnt. Nicht, dass die Bürger jede einzelne Entscheidung hinterfragen und bessere Lösungen anbieten könnten, das ist auch gar nicht erforderlich. Aber die Bürger spüren die Folgen, stellen fest, dass es ihnen schlechter statt besser geht, und beginnen Fragen zu stellen.

Wer aber keine Antworten hat,
fürchtet sich vor kritischen Fragen.

Also werden die Fragen erst nicht gehört, und wenn die Fragen nicht aufhören, wird man versuchen, die Fragenden ruhig zu stellen. Bei einigen gelingt das mit Geld oder anderen Vorteilen. Wo das nicht hilft, muss gegen die Fragenden vorgegangen werden. Der Apparat ersinnt Kampagnen zur Wahrheitsverkündung, Entscheidungen werden alternativlos, Zweifel und Kritik werden zu Ketzertum. Der Zensor wird aus dem Schlaf geweckt und zu neuen Taten angespornt. Wer jung ist, etwas kann, und den Mut aufbringt, wandert aus. Brain drain, nennt man das, was hierzulande vorsichtshalber statistisch nicht gesondert erfasst wird.

Gleichgültig, ob der Ausgangspunkt eine Monarchie oder eine Demokratie war, wenn die Besten ans Auswandern denken, verwandelt sich die Gesellschaft zügig und trägt bald die Züge einer Diktatur. Eine Clique von Hofschranzen würfelt täglich die neuesten Eingebungen der Regierung aus. Stiefellecker steigen schnell auf. Großzügiges Mäzenatentum, oft verschwendet an Unwürdige, hüllt die Willkür in ein Mäntelchen von Güte und Wohlfahrt. Das Volk wird niedergehalten und rund um die Uhr überwacht. Wer es wagt, den Kopf zu heben, schwebt in Gefahr, denselben zu verlieren. Wahlen werden manipuliert, wenn es nicht anders geht, auch annulliert. Wenn die Produktivität der Volkswirtschaft schwindet, aber auch die unsinnigsten Ausgaben nicht in Frage gestellt werden, sieht man sich nach Gläubigern um, die bereit sind Geld zu geben und das Land und das Volk zum Pfand zu nehmen.

Leute!

Das ist kein Kino.

Ihr seid von Hollywood mit Katastrophenfilmen darauf konditioniert worden, ruhig im Sessel sitzen zu bleiben, Popcorn zu futtern und darauf zu vertrauen, dass auch diesmal die Guten am Ende gerettet werden. Auch wenn alles, was ihr erfahrt, aus der gleichen Kiste kommt, ist es dennoch kein Spiel – kein Spielfilm.

Steht doch einfach mal auf. Schaut euch doch einfach mal um?

Seht ihr irgendwo noch einen Retter?

Laschet? Söder? Scholz? Baerbock? Habeck? Wellsow? Lindner?

Zwei oder drei davon werden demnächst die Regierung anführen. Mir macht das Angst.