Manchmal macht es tatsächlich Freude, wenn sich eine neoliberale Spruchweisheit ausnahmsweise bewahrheitet. „Der Markt regelt alles“, heißt es da, und mit der Ankündigung Vattenfalls, die Pläne für einen Offshore-Windpark vor der Küste Großbritanniens mit einer Nennleistung von 1,4 Gigawatt wegen Unwirtschaftlichkeit fallen zu lassen, ist der Beweis dafür im speziellen Fall erbracht worden.
1,4 Gigawatt ist nicht wenig. Dafür müssen rund 100 der leistungsfähigsten Windräder mit Rotordurchmessern von mehr als 200 Metern ins Meer gesetzt werden – nach bisherigen Aussagen eine durchaus lohnende Investition, zumal auf See wegen eher beständiger starker Winde mit hohen Stromausbeuten gerechnet werden kann.
Am Wind hat sich nichts geändert, an der erwarteten Stromausbeute ebenfalls nicht, nur die Kosten sind gestiegen, und zwar nach Aussage von Vattenfall um bis zu 40 Prozent. Wobei eine fortdauernde Inflation dazu beitragen könnte, dass die Kosten bis zur Inbetriebnahme des Windparks auch die 40 Prozent Marke übersteigen.
Damit hat Vattenfall als erstes Unternehmen, das bereits die Lizenz zum Bau eines Windparks ersteigert hat, das eingeleitet, was man nur als Einstieg in den Ausstieg aus der Offshore-Windstrom-Gewinnung bezeichnen kann.
Die Entscheidung gegen die Realisierung des Windparks „Norfolk Boreas“ ist ja nur der Anfang. Auch die beiden weiteren Projekte „Vanguard East“ und „Vanguard West“ stehen bei Vattenfall auf dem Prüfstand, wobei sich für mich nicht erkennen lässt, dass die Voraussetzungen für einen wirtschaftlichen Betrieb dort entscheidend anders sein könnten als bei „Norfolk Boreas“.
Dies wiederum macht einen Blick auf die Ausbaupläne der Windkraftgewinnung in den deutschen Küstengewässern der Nord- und Ostsee unumgänglich.
Gab es da nicht erst in der letzten Woche die Jubelmeldung, die Bundesnetzagentur habe die Nutzung von Flächen für Windparks in deutschen Seegewässern mit dem Rekordergebnsi von 12,6 Milliarden Euro versteigert?
Doch. Genau das ist so geschehen.
Vier Bieter, zwei davon als GmbH-Töchter der BP, zwei weitere in der etwas windigeren Gesellschaftsform der GmbH & Co. KG, haben die Milliarden auf den Tisch gelegt und müssen nun, wollen sie dieses Geld nicht als Verlust abschreiben, das Siebenfache dessen, was Vattenfall soeben beerdigt hat, an Windrädern in die Nord- und Ostsee pflanzen.
Diese haben nun insgesamt jene 12,6 Milliarden zusätzlich zu den Investitionskosten an der Backe, was zweifellos dazu führt, dass auch dieser Betrag über einen entsprechend höheren Strompreis wieder hereingeholt wird. Es steht außer Zweifel, dass der Versteigerungserlös als unsichtbare, getarnte Steuer in den Stromrechnungen der Verbraucher wieder auftauchen wird.
Doch halt! Hat Väterchen Deutschland, in Gestalt der glorreichsten Bundesregierung aller Zeiten, im Gegenzug nicht versprochen, fast den gesamten Segen – immerhin 90 Prozent des Versteigerungserlöses – zur Senkung des Strompreises einzusetzen?
Leider ist das nicht mehr als ein schäbiger Taschenspielertrick! Da will sich der Staat dafür feiern lassen, den Strompreis herunter zu subventionieren, und zwar im Umfang von 90 Prozent jener Verteuerung, die er selbst zu verantworten hat?
Aber es kommt ja noch schöner. Die Tagesschau präzisiert den vorgeblichen Verwendungszweck nämlich dahingehend, dass das Geld ja eigentlich dazu verwendet wird, um den notwendigen Netzausbau zu bezuschussen, was dann nur indirekt den Stromkunden zugute käme.
Nein. Es kommt den Stromkunden nichts zugute. Der Netzausbau wird ja nur notwendig, weil sonst der Strom von den Küsten nicht dahin transportiert werden könnte, wo er, wegen der Abschaltung der Kernkraftwerke benötigt wird.
Wenn nun der Netzausbau um 12,6 Milliarden entlastet wird, also auch die Netzgebühren auf der Stromrechnung niedriger ausfallen: Mit den erhöhten Erzeugerpreisen, in denen die Kosten aus dem Erwerb der Rechte weitergegeben werden müssen, zahlt der Kunde den wegen des Versuchs einer „Energiewende“ anfallenden Mehraufwand auf alle Fälle. Es gibt eben in der realen Welt, in der der Markt alles richtet, keinen dukatenscheißenden Goldesel! Am Ende muss alles von den Endverbrauchern bezahlt werden, und sollten diese nicht dazu in der Lage sein, dann ist das das Ende der Windparks in einer krachenden Insolvenz.
Wir sehen also, dass die Frage der Wirtschaftlichkeit eines Windparks nicht nur von den Kosten abhängt, die für die Errichtung und den laufenden Betrieb anfallen, sondern gleichermaßen auch von der verfügbaren Kaufkraft, die erforderlich ist, um hochpreisige Energie nicht nur abnehmen, sondern auch bezahlen zu können.
Diese Binsenweisheit gilt übrigens unabhängig davon, ob ein Windparkbetreiber seine Kalkulation in Britischen Pfund, Schwedischen Kronen oder deutschen Euro aufstellt.
Wichtig ist, wenn die Kosten annähernd gleich sind, wo die Obergrenze der noch bezahlbaren Abgabepreise für den Strom liegen wird und (und!) ob die Zahl der Abnehmer und deren Bedarf eher steigen oder eher sinken wird.
Deutschland hat den Abstieg in die Rezession begonnen. Die Nachrichten aus der Wirtschaft deuten nicht auf ein alsbaldige Erholung hin, das Menetekel einer Massenflucht der energieintensiven Unternehmen steht mit Flammenschrift an der Wand.
Entschuldigung – da kommt mir eine Assoziation dazwischen:
Der König stieren Blicks da saß, Schluss des Gedichts „Belsazar“ von Heinrich Heine |
Strom darf also nicht nur nicht teurer – er muss billiger werden, wenn die Abnehmer erhalten bleiben sollen. Auf der Preisseite gibt es keinen Spielraum mehr zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit.
Der Rückstand im Ausbau der Windenergie gegenüber den Vorgaben der Bundesregierung zeigt, dass das Vertrauen in eine langfristig rentierliche Investition in Windkrafanlagen eher einer Skepsis gewichen ist. Hier eine aktuelle Darstellung des MDR:Es ist zu früh, schon Wetten anzubieten, doch die Wahrscheinlichkeit, dass die Versteigerungsgewinner von der höchstwahrscheinlich in den Verträgen auffindbaren Rücktrittsklausel Gebrauch machen werden, hat sich mit dem Vattenfall-Ausstieg keineswegs verringert.