TEMU – China und die gelbe Gefahr

Wer viel im Internet unterwegs ist, weiß, dass es kaum noch eine Website gibt, auf der nicht TEMU mit interessanten Angeboten auftaucht.

Nun hat der Staatsfunk die GELBE GEFAHR erkannt und warnt vor vielerlei Problemen, die beim Einkauf beim chinesischen Versandhändler auftauchen können.

  • Es könnten Zölle anfallen.
  • Der Zoll könnte in der EU nicht zugelassene Waren beschlagnahmen -futsch.
  • Die Sachen sind unglaublich billlig, sehen auch hübsch aus, taugen oft aber nichts oder funktionieren gar nicht erst.
  • Reklamationen müssen bei den chinesischen Herstellen eingereicht werden, was sich als schwierig herausstellen könnte.

Sie können sich den kurzen Beitrag der Tagesschau hier ansehen (ist aber nur wenige Tage in der Mediathek verfügbar).

Darin ist nämlich auch noch die Rede davon, dass es TEMU in weniger als einem Jahr geschafft hat, zu den drei größten Internet-Versandhändlern aufzuschließen, die sich in Deutschland tummeln, es wird erwähnt, dass schon jeder vierte Deutsche bei TEMU bestellt hat, und prognostiziert, TEMU könnte sich zum Amazon-Killer entwickeln.

Das nenne ich mal „vorsorglichen Protektionismus“ per Meinungsmache.

TEMU habe ich mir schon vor geraumer Zeit näher angesehen.

Dabei sind mir nicht nur die beispiellos niedrigen Preise aufgefallen, sondern vor allem die Tatsache, dass im „technischen Bereich“, also da, wo es nicht um Textilien geht, sondern um Elektronik- und Bastel- und Heimwerkerbedarf, Artikel angeboten werden, die man in Deutschland bisher so nicht gesehen hat und die schon auf den spärlich beschriebenen, aber gut illustrierten Angebotsseiten den Eindruck erwecken, sie als praktische Lösung für bisher schwer oder umständlich zu bewältigende Aufgaben einsetzen zu können.

Dass ich selbst bereits mehrmals bei TEMU bestellt habe, die Artikel immer innerhalb der angegebenen Lieferzeit (rund 2 Wochen) angekommen sind, dabei den Beschreibungen entsprochen und funktioniert haben, sei hier nur am Rande erwähnt.

Ich will auf etwas anderes hinaus.

Die Statistiker haben inzwischen ausgerechnet, dass Deutschland im Jahr 2022 Waren im Wert von knapp 193 Milliarden Euro (zu Einfuhrpreisen) aus China importiert hat. Davon 60 Milliarden an Fertigwaren und bearbeiteten Waren, die zum allergrößten Teil ohne weitere Bearbeitung bei den Endkunden angekommen sein dürften. Allerdings zu deutschen Endkundenpreisen.

Da dürften aus den 60 Milliarden, mit denen die Importe bezahlt wurden, an der Ladentheke oder beim Internetshopping Umsätze in der Größenordnung von gut 300 Milliarden Euro erzielt worden sein, legt man die Preisunterschiede zwischen TEMU-Direktimporten und üblichen deutschen Ladenpreisen zu Grunde. Unter Berücksichtigung der Mehrwerststeuer und der Kosten des Handels dürften bei Importeuren und Handel aus diesen China-Importen Gewinne in der Größenordnung von mindestens 120 Milliarden Euro erzielt worden sein, also 200 Prozent, bezogen auf den Einkaufswert.

Ein fürwahr lohnendes Geschäft.

Dass hier nun das Gespenst der renditevernichtenden Konkurrenz umgeht, darf nicht verwundern.

Dabei haben die Chinesen doch nichts anderes getan, als den Zwischenhandel auszuschalten, was es ihnen zugleich ermöglicht haben dürfte, vom Endkunden in Deutschland Preise zu nehmen, die noch einmal deutlich über denen liegen, die bisher die Importeure zu zahlen bereit waren.

Noch beschränkt sich das Angebot von TEMU in Deutschland auf kleinvolumige Waren, was den Bedarf an Containern und damit die Schiffsfracht pro Artikel niedrig hält. Eine (richtige) Waschmaschine, einen Fernseher oder eine Couchgarnitur findet man im TEMU-Angebot nicht.

Aber bitte, Amazon hat auch mit Büchern angefangen.

Ich sehe im Angriff auf den deutschen Markt mit Textilien und „Kleinkram“ den ernsthaften Versuch, die Kunden an TEMU zu gewöhnen, vor allem an die hier unüblich langen Lieferzeiten, und dabei sowohl Vertrauen aufzubauen als auch dem hier bereits aktiven Internet-Handel in bestimmten Segmenten Marktanteile abzunehmen. Soweit dies erfolgreich gelingt, wird man das Angebot um andere Warengruppen erweitern, um irgendwann bei einem wirklichen Vollsortiment anzukommen.

Dieser Kampf um die Marktanteile wird von Amazon und Co. nicht über die ultarkurzen Lieferzeiten alleine gewonnen werden können. Der Kampf wird – je breiter das TEMU-Sortiment wird – auch über die Endkundenpreise geführt werden müssen, was erst einmal für lange Zeit nur zu Lasten der Gewinne des etablierten Handels gehen kann, der sich zugleich damit konfrontiert sehen wird, dass die chinesischen Produzenten ihre Ausfuhrpreise in Richtung ihrer Direktvermarktungserlöse erhöhen.

Es trifft aber nicht nur den etablierten Handel. Ebenso schmerzhaft wird es für die Staatsfinanzen. Aus 50 Milliarden Mehrwertsteueraufkommen aus dem Handel mit chinesischen Waren könnten im Laufe der Zeit nur noch 20 oder gar nur noch 10 Milliarden werden. Gleichzeitig sinken die Erträge aus den Steuern auf die Unternehmensgewinne.

Das ist nicht lustig, und dürfte den noch wachen Beamten im Finanzministerium bereits Kopfschmerzen verursachen.

Die Warnhinweise in der gestrigen Tagesschau sehe ich als einschlägigen Beweis dafür an – und zugleich als Warnung an die Chinesen – es nicht zu toll zu treiben.

Dumm nur, dass wir uns umfangreiche, also wirksame Importbeschränkungen für Waren aus China gar nicht leisten können. Es gibt nirgends Ersatz dafür – und entsprechende Produktionen selbst aufzubauen ist kaum möglich, zumal die, bei dem Lohnniveau, das hierzulande erreicht wurde, kaum rentabel betrieben werden können.

Achten Sie demnächst auf Frau Strack-Zimmermann. Ich rechne damit, dass sich ihre Anti-China-Rhetorik noch enorm steigern wird.