Jo Kaeser – Stellungsspiel im Klimakrieg

Die Situation ist surreal.

Es gibt einen alten Klamauk-Film mit dem deutschen  Titel: „Bruce allmächtig“, in dem der gefeuerte Fernsehreporter Bruce Nolan, der Gott für sein Versagen verantwortlich macht, die Gelegenheit bekommt, ausgerüstet mit allen Fähigkeiten Gottes, die Welt besser zu machen. Es gibt nur zwei Einschränkungen: Er darf sich nicht als Gott zu erkennen geben und den Willen der Menschen nicht beeinflussen.

Die Absicht Gottes, Bruce zu zeigen, wie schwer es selbst für den Allmächtigen ist, es allen Recht zu machen, geht voll auf. Nach ersten kleinen, zögerlichen Experimenten gelingt es Bruce schnell, ein relativ großes Schlamassel anzurichten. Erleichtert gibt er daher am Ende die übergroße Verantwortung wieder ab und kehrt in ein normales Menschenleben zurück.

 

Nun ist Jo Kaeser sicherlich nicht Gott, denn seine Kompetenzen – keineswegs mit Allmacht zu verwechseln – enden an den Grenzen der SIEMENS-Welt.

Dafür unterscheidet sich die nölende Luisa Neubauer aber nur in Details von der Filmfigur Bruce Nolan, so dass der Gedanke, ihr wenigstens ein bisschen „Macht“ im Konzern zu übertragen, durchaus von der Überlegung ausgegangen sein könnte: „Wenn die Aktivistin erst einmal Gelegenheit bekommt, über den Tellerrand ihres grünbewegten Bußpredigeraktivismus hinauszuschauen, wird sie schon einsehen, dass sie sich übernommen hat.“

Dass Frau Neubauer den Job abgelehnt hat, Herrn Kaeser jedoch dazu bringen wollte, stattdessen einen Experten von „Scientists for Future“ in den Aufsichtsrat zu holen, was wiederum Kaeser ablehnte, macht wiederum Jo Kaeser zum „Bruce“, oder meinetwegen zum Demiurgen, der sich Schritt für Schritt weiter in einem Terrain verheddert, in dem er nichts zu suchen hat.

Die surreale Szenerie, die uns dargeboten wird, hat ihren Ausgangspunkt in der Negierung sinnvoller hierarchischer Strukturen.

Es gehört zu den großen und in ihrer Wirkung verheerenden Irrtümern, aus dem Anspruch aller Menschen auf Gleichbehandlung vor dem Gesetz, den sehr viel weiter gehenden Anspruch auf Gleichheit aller Menschen in allen denkbaren Belangen des Lebens abzuleiten.

In einem einfachen Beispiel auf den Punkt gebracht:

Ein Statiker, der einen Bauplan prüfen und genehmigen darf, muss jemand sein, der die notwendigen mathematischen und bauphysikalischen Kenntnisse erworben und nachgewiesen hat. Das Bauamt wird die Baugenehmigung daher nur erteilen, wenn die Statik von einem ausgewiesenen Fachmann geprüft wurde. Diese Fachkenntnis liegt in der Regel weder beim Ortsgeistlichen der Kirchengemeinde noch beim Kassenwart des Kaninchenzüchtervereins vor, weshalb keiner von beiden vom Bauamt als Statiker anerkannt würde.

Es wäre vom zuständigen Bearbeiter im Bauamt schon sehr entgegenkommend, wenn er sich die Zeit nähme, dem Pfarrer zu erklären, warum nicht er, der Herr Pfarrer – trotz göttlichen Beistands – die Statik des beabsichtigten Kirchturmneubaus genehmigen dürfe, sondern eben nur jemand, der wirklich etwas davon versteht.

Insofern war es für mich schon hart am Rande des Vorstellbaren, dass der Chef eines  weltweit operierenden Unternehmens einer jungen Frau, deren ganze Expertise sich auf den Begriff  „deutsche Greta“ komprimieren lässt, wertvolle Zeit opfert, um mit ihr darüber zu diskutieren, warum sein Unternehmen einen winzigen (wirklich winzigen!) Anteil am Auftragsvolumen eines Großprojektes in Australien annehmen und ausführen wird.

Ich möchte ausschließen, dass Jo Kaeser so naiv war,  zu glauben, Luisa Neubauer in einem freundlichen Gespräch seine Argumente nahebringen zu können. Ich möchte auch ausschließen, dass die PR-Strategen bei SIEMENS glaubten, mit ein bisschen Entgegenkommen könne die gegen SIEMENS gerichtetet Agitation der Klimaretter abgebogen werden. Nicht ausschließen kann ich, dass es sich um eine Inszenierung handelt, mit der wir deutschen Michel auf den nächsten Schlag gegen einen deutschen Industriekonzern eingestimmt werden sollen. Denn im Augenblick erscheint diese Auseinandersetzung ja erbitterter geführt zu werden als die verbalen Attacken zwischen USA und Iran.

Mir erscheint es wie ein Déjà-vu-Erleblebleblebnis.

So, wie es weder um Gesundheitsgefahren durch Stickoxide ging, als der Diesel-Skandal in den USA losgetreten und dann von der DUH ohne wirklich nennenswerten Widerstand der Politik weiter hochgekocht wurde, sondern darum, die technologische Vorherrschaft der deutschen Automobilindustrie zu brechen, indem ihr das Spitzenprodukt, der Dieselmotor, weggenommen wurde, so geht es auch bei den lächerlichen 20 Millionen Euro für die Signaltechnik einer Eisenbahnstrecke, mit der eine neue australische Kohlemine erschlossen werden soll, nicht wirklich ums Klima – weil die Kohle auch dann gefördert würde, wenn statt SIEMENS ein anderer Bahnausrüster „zum Zuge“ käme – nein. Es sieht so aus, als ginge es jetzt um SIEMENS, also um den Rest dessen, was von SIEMENS noch übrig ist, so wie es gleichzeitig um BAYER geht, und um Thyssen, und um die letzten deutschen Windradbauer, es kommt mir vor, als gäbe es bei der Deindustrialisierung Deutschlands kein Halten mehr.

Und Jo Kaeser ist ja nicht der Eigentümer von SIEMENS, dem es darum geht, sein Eigentum zu erhalten. Jo Kaeser ist der Angestellte der (Groß-) Aktionäre, nach deren Pfeife er zu tanzen hat, soweit sich das mit geltendem Recht vereinbaren lässt. Sich publikumswirksam mit der deutschen Greta verbal zu prügeln, mit dem Ziel, daraufhin immer noch mehr „SIEMENS-Machenschaften“ ans Licht zu bringen und einen internationalen Boykott gegen SIEMENS  zu organisieren, am besten verbunden mit hohen Strafzahlungen an Geschädigte in den USA, muss zwar nicht unbedingt, kann aber durchaus im Interesse einflussreicher Anteilseigner liegen, auch wenn es keineswegs im Interesse von SIEMENS liegen muss.

Seit ein paar Tagen, und das, nachdem der BREXIT unabwendbar geworden ist, erzählt man uns, dass rund 460.000 Arbeitsplätze in Deutschland am Export nach Großbritannien hängen. Weil sich die neue Kommissionspräsidentin vermutlich bis zum 31.12. nicht mit den Briten einigen will, könnten diese Jobs im Nu in den USA neu entstehen, wo man sich schließlich so richtig darauf freut, ein bilaterales Freihandelsabkommen mit den Briten zu schließen.

Gleichzeitig erzählt man uns jetzt, dass die Umstellung auf die E-Mobilität bis 2030 nun doch 400.000 Arbeitsplätze kosten wird.  Mitte letzten Jahres war da per Saldo nur von 125.000 Jobs die Rede (234.000 entfallen, 109.000 neue kommen hinzu). Dann wurde das korrigiert. Die E-Mobilität schüfe ein wahres Jobwunder, weil alleine die Herstellung der Lade-Infrastruktur 255.000 Arbeitsplätze schaffen würde. Nun also heißt es, offiziell, von der Bundesregierung: 400.000 Stellen fallen der E-Mobilität zum Opfer.

Sind diese Stellen erst einmal alle weg, dann wird die Bundesregierung ihrem Ziel, die CO2-Emissionen zu reduzieren, auch wieder einen Schritt näher sein, und darum geht es schließlich.

Nur darauf kommte es schließlich an.

Auf weniger CO2.

Nicht für das globale Klima.

Nur für die globale Wirtschaft.

Die Forderung nach „weniger CO2“ ist doch – alleine im Bereich der Automobilwirtschaft – zehnmal weitreichender wirksam als seinerzeit die Abwrack-Prämie! Und sie wirkt weit, weit über die Automobilbranche hinaus – und: In keiner der neuen Technologien, die jetzt gefordert sind, hat Deutschland (die EU) einen Spitzenplatz, einen Wettbewerbsvorteil. Letzteres heißt, dass sich die Konkurrenz in China und in den Schwellenländern auf einen wirtschaftlichen Aufschwung vorbereiten kann, weil sie nun den bisherigen Exportüberschuss der EU – und vermutlich noch einiges mehr – in den eigenen Auftragsbüchern stehen haben und somit zu den neuen „Gläubigern der Welt“ werden.

Die regionalen Verschiebungen, die da bereits zu erkennen sind und noch massiv zu sehen sein werden, dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Kapital, das sich seine Rendite sucht, auch weiterhin in den gleichen, global agierenden Händen bleibt, die sich lediglich – wie einst in der Dreifelderwirtschaft – immer wieder den fruchtbarsten Boden für ihr Engagement suchen, weshalb auch der Niedergang ganzer Industrien hier, durchaus erwünscht sein kann, um das Entstehen ganzer Industrien dort, überhaupt zu ermöglichen.