Kein Arsch in der Hose. Nirgends.

PaD 33 /2022 – Hier auch als PDF verfügbar: Pad 33 2022 Kein Arsch in der Hose – Nirgends

Es geschehen ungeheuerliche Dinge, über die so unaufgeregt berichtet wird, wie über das Kinderfest der evangelischen Pfarrgemeinde in Owschlag.

Und es gibt absolut belanglose Ereignisse, deren Medienecho mehrfach ausreichen würde, um die Mauern von Jericho zum Einsturz zu bringen.

 

Renovierungsarbeiten im RBB

Da gibt es eine Frau in leitender Position, die in das Ambiente ihres Dienstsitzes investiert hat. Kritiker hielten das für übertrieben teuer und regten sich auf, wie seinerzeit über den Protzbischof von Limburg.

Nun ist die Dame – erst einmal, dann noch einmal – zurückgetreten, um am Ende auch noch mit sofortiger Wirkung entlassen zu werden.

Wir sprechen über ein Chefzimmer samt vorgelagertem Repräsentationsbereich. Nichts Ungewöhnliches. Der Normalsterbliche bekommt so etwas halt nur sehr selten zu sehen, weil der Fahrstuhl, den er benutzt, nur dann zur Chefetage fährt, wenn ein Berechtigter die Fahrstuhlsteuerung mit einem „Schlüssel“ davon überzeugt, dass dieser Halt der Richtige sei.

Die einzige Frage, die in dieser Sache zu stellen wäre, die von den mir zugänglichen Medien aber nicht gestellt wurde, lautet:

„Entsprach das Vorgehen von Frau Schlesinger bei der Einrichtung ihrer Wirkungsstätte dem Inhalt ihres Dienstvertrages, oder hat sie die dort gezogenen Grenzen eigenmächtig überschritten?“

Ich nehme an, dass sich Frau Schlesinger im Sinne ihres Vertrages korrekt verhalten und ihre Kompetenzen nicht überschritten hat. Sie selbst hat ja betont, dass auch der Audi A8, den sie als Dienstfahrzeug geleast hatte, innerhalb des ihr zugestandenen Budgets von 500 € monatlich geblieben ist.

In der bevorstehenden juristischen Auseinandersetzung um die Ausgestaltung der Beendigung des Dienstverhältnisses soll es nämlich nur um „umstrittene Beraterverträge“, einen „teuren Dienstwagen“, ein privates Essen auf RBB-Kosten und um ihre Gehaltserhöhung (auf über 300.000 Euro jährlich) gehen. Davon war, als sie wegen der 650.000 Euro für die Bürosanierung von der empörten Öffentlichkeit zum Abdanken genötigt wurde, überhaupt noch nicht die Rede.

Das Problem besteht doch eigentlich nur darin, dass niemand genug Arsch in der Hose hat, um freimütig zu gestehen, dass man eben auch bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten für diejenigen, die die Drecksarbeit machen müssen, zum Ausgleich das notwendige Wohlfühlambiente schaffen muss, weil der Job sonst kaum einigermaßen vernünftig besetzt werden kann.

ARD und ZDF sind doch kaum noch etwas anderes als die mediale Brandmauer, die den dahinter verschanzten Herrschaftszirkel mit ihrer Propagandamacht insoweit vor der offenen Delegitimierung seiner Repräsentanten schützt, als die Anstalten unermüdlich auf allen Kanälen das wiederholen, was aktuell als Wahrheit zu gelten hat, gesprochene Gendersternchen inklusive.

Die jeweils gültige Wahrheit als Intendantin offensiv, sowohl nach außen, als auch nach innen, gegenüber den Mitarbeitern, zu vertreten, ist das, was ich bei so vielen Jobs in den deutschen Chefetagen als die „Drecksarbeit machen“ bezeichne.

Gemessen am Gesamtetat der zwangsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Sender war der „Luxus der Frau Schlesinger“ mit rund 0,01 Prozent von 8,42 Milliarden nicht mehr als ein Fliegenschiss. Das macht das Kraut nicht fett und das Programm nicht wirklich schlechter.

Nähme man die mediale Aufregung in der Sache Schlesinger zum Maßstab, dann dürfte die mediale Begleitung der letzten Erhöhung des Rundfunkbeitrages von 17,50 € auf 18,36€ pro Monat bis heute noch nicht abgeebbt sein und uns tägliche Brennpunkte und Sondersendungen bescheren, denn da ging es nicht um „verschwenderischen Luxus“ von ein paar Hunderttausend Euro, den die Gebührenzahler finanzieren durften, sondern um rund 400 Millionen Euro, die von den Gebührenzahlern nun obendrein – und alle Jahre wieder – noch zusätzlich eingefordert werden.

 

 Mehrwertsteuer auf die Gasumlage

Etwas anderes ist hingegen, kaum kurz vermeldet, schon wieder vollständig im Einheitsbrei der Belanglosigkeiten untergegangen.

Die EU verlangt von Deutschland, auf die Gasumlage auch noch Mehrwertsteuer zu erheben,

und niemand hat genug Arsch in der Hose, um Richtung Brüssel den Spruch des Götz von Berlichingen auszurufen. Ist doch wahr!

Gibt es ein EU-einheitliches Steuersystem? Zahlt man von Portugal bis Polen die gleichen Einkommens-, Energie-, Schaumwein- und Biersteuern? Gibt es überall in der EU einheitliche Mehrwertsteuersätze? Gibt es ein EU-einheitliches Renten- und Sozialhilfe-Niveau? Gibt es EU-einheitliche Lebenshaltungskosten? Nein. Nein. Nein. Nichts von alledem. Wird es von Kopenhagen bis Palermo eine Gasumlage geben? Nein.

Die Mehrwertsteuer, sowie alle anderen Konsumsteuern, sind etwas, das ich gerne „Kleine-Leute-Steuern“ nenne. Denn je geringer das Einkommen, desto größer der Anteil des Budgets, der in den mehrwertsteuerpflichtigen Konsum fließt. Die wohlfeile Lüge, dass die Menschen mit niedrigen Einkommen überhaupt keine Steuern zahlen, fällt schon beim Blick auf die Mehrwertsteuer und die Stromsteuer, die Tabak- und Branntweinsteuer in sich zusammen.

Nun ist, dank  Merkel, Scholz und Habeck, auf Weisung aus Washington, eine prekäre Gasmangel-Situation geschaffen worden, die die Gaspreise in Deutschland explodieren ließ.  Ab Oktober soll Recht und Gesetz sein, dass die Versorger die gestiegenen Preise, entgegen allen bestehenden, langfristigen Bezugsverträgen, an die Abnehmer weitergeben dürfen. Alleine von dem Anstieg des Mehrwertsteueraufkommens aus dieser Situation heraus kann sich Herr Lindner ein hübsches Mehrwertsteuersümmchen in den nächsten Haushalt schreiben.

Nun müssen aber auch noch die Importeure per Umlage gerettet werden, und da hat der Freidemokrat immerhin erwogen, nicht darauf auch noch Umsatzsteuer einzufordern, doch die Betonköpfe in Brüssel wollen das nicht zulassen.

Ich weiß nicht, was Victor Orban an Stelle von Olaf Scholz veranlassen würde. Ich weiß aber, dass ihm seine Ungarn wichtiger sind, als die Ausflüsse aus den Bürokratenhochburgen in Brüssel. Er würde wohl keine Mehrwertsteuer auf eine Zwangsumlage erheben und es auf eine Vertragsverletzungsklage vor dem EuGH ankommen lassen. Für Deutschlands Scholz, der dem Zahlmeister der EU als Kanzler vorsteht, wäre es ein Leichtes, sich der Brüsseler Entscheidung zu widersetzen. Er bräuchte nur, genauso wie er den Zufluss russischen Gases über North Stream 2 nach Deutschland blockiert, und das Land damit an den Rand des Zusammenbruchs führt, den Zustrom deutscher Gelder nach Brüssel zu blockieren, womit er zweifellos die EU an den Rand des Zusammenbruchs führen würde. Doch dazu gehört es, Prioritäten zu setzen, die ureigenen, nationalen Interessen zu vertreten. Leider ist es unklar, ob sich Herr Scholz, wie an so manches andere, auch an  die „nationalen Interessen“ einfach nicht erinnern kann.

Außerdem: Es gibt ja nicht nur die Kommission. Es gibt auch den Rat. Auch da  könnte Deutschland – hätte es denn eine funktionierende Außenpolitik – Einfluss nehmen und die von Herrn Lindner „erbetene“ Ausnahmeregelung mit diplomatischen Mitteln durchsetzen.

Nur zur Erinnerung: Die EU ist kein Staat. Die Mitgliedsstaaten sind zwar vertraglich gebunden, doch jeder Vertrag, der etwas taugt, schließt mit einer salvatorischen Klausel, die besagt, dass für den Fall, dass etwas so – nicht oder nicht mehr – funktioniert, wie es in den Paragraphen vorgesehen ist, eine Lösung vereinbart werden soll, die der ursprünglichen Formulierung nahe kommt. Eine befristete Ausnahme zu schaffen, für eine beim Vertragsschluss niemals bedachte Gasumlage, sollte immer möglich sein, wenn das ernsthaft gewollt wird.

Jetzt macht man sich Gedanken, wie man doch noch zu einer Entlastung der doppelt gebeutelten Gaskunden gelangen könnte. Aber auch das muss von der EU genehmigt werden, um den „Wettbewerb“ nicht zu verzerren.

Herr lass Schwerter vom Himmel regnen!
Der gordischen Knoten, die des Zerschlagens harren, sind längst zu viele!

 

Wölki, beraten und verkauft

Dann kocht man immer wieder die Missbrauchsskandale hoch. Gut. Ist nicht lustig, als Ministrant von Hochwürden im engeren oder weiteren Sinne sexuell missbraucht worden zu sein. Nach Jahrzehnten noch Genugtuung zu fordern? Spricht auch nichts dagegen. Vielleicht kommt ja noch was ‘rum dabei.  Aber sich aufzuregen, dass Kardinal Wölki sich der Dienste einer PR-Agentur bedient, um bloß nichts Falsches in ein zufällig herumlungerndes Mikrofon zu sprechen, das ist absurd.

Katholiken, die ja angeben, der christlichen Lehre zu folgen, sollten sich um den Balken im eigenen Auge kümmern und sich in der Tugend des Vergebens üben, statt sich öffentlich zu echauffieren. Ist der Riss dafür zu tief, steht jedem die Möglichkeit offen, aus der Religionsgemeinschaft auszutreten.

Angehörige anderer Religionsgemeinschaften und die Atheisten sollten in Bezug auf die PR-Strategie des Bischofs einfach schweigen. Es geht sie nichts an.  Sie sollten stattdessen lieber dem nachgehen, was ihre gewählten Vertreter, die Ministerpräsidenten der Länder und die Bundesregierung in Berlin so an Beratungsleistungen in Anspruch nehmen, um sich und ihre Politik in den schönsten Farben erstrahlen zu lassen und ihre Problemfälle eloquent zu umschiffen.

 

Luftkriegsübung

Noch vor Beginn des Zweiten Weltkriegs soll Herrmann Göring geprahlt haben: „Wenn auch nur ein einziges feindliches Flugzeug die deutschen Grenzen überfliegen sollte, dann will ich Meier heißen!“

Noch 1943 schrieb Günter Elsner in der vierten, überarbeiteten Auflage seines Buches „Vom Pimpf zum Flieger“ über den Verteidigungsauftrag der Jagdflieger:

Der Jagdflieger kämpft im Heimatschutz oder an der Front. Seine Aufgabe ist es, in dem ihm zugewiesenen Bereich im Zusammenwirken mit der Flakartillerie alle Luftangriffe, ganz gleich ob sie gegen Städte, Industrie, Verkehrswege, Bodenorganisation der Wehrmacht oder gegen die kämpfende Truppe selbst gerichtet sind, abzuwehren.

Nach dem Krieg hatte Deutschland keine Luftwaffe mehr. Erst 1955 wurde die Bundeswehr – gem. Art. 87a Grundgesetz: „Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf.“ – ins Leben gerufen.

Hatte Herr Struck mit seinem Spruch: „Deutschland wird auch am Hindukusch verteidigt“, noch Schlagzeilen machen können, bleibt die jüngste Absichtserklärung der Luftwaffe unter dem Radar der Erregungsexperten.

Generalleutnant Ingo Gerhartz, Inspekteur der Bundesluftwaffe, hat zur Teilnahme von Eurofightern, Transportmaschinen und Luftbetankungsflugzeugen an einem diese Woche angelaufenen Großmanöver im indopazifischen Raum folgenden Satz fallen lassen:

„Mit der Entsendung, der Teilnahme an den Übungen in Australien, und den weiteren gemeinsamen Vorhaben mit unseren Partnern in Singapur, Japan und Südkorea senden wir das klare Signal, dass die Luftwaffe schnell und weltweit einsetzbar ist – auch mit mehreren parallel zu erfüllenden Aufträgen.“

Die Frau im Amt des Verteidigungsministers, Christine Lambrecht, wurde noch etwas deutlicher. Sie erklärte, Deutschland werde im Indopazifik den „Werteverbündeten“ zur Seite stehen.

Dass sich zum Beispiel China von deutschen Kampfjets über der Straße von Taiwan ebenso, oder noch mehr provoziert fühlen könnte, wie vom Besuch der Nancy Pelosi auf Taiwan, hält man offenbar nicht für möglich, und sollte man es doch für möglich halten, dann hält man es wenigstens nicht für relevant.

Der Tagesspiegel schreibt dazu:

Trotz der heiklen Lage zwischen China und Taiwan sind die Verantwortlichen optimistisch.

(Schööööööön …!)

Für die Route gab es bisher keine Warnung. Im Militärjagon nennen sie so etwas „notice to airmen“, wie es sie für bestimmte Gebiete in der Ukraine gibt. Für die Überflüge der Länder sind Flugpläne herausgegeben, sie nutzen die internationalen Luftstraßen, quasi die Autobahnen am Himmel. So, das hoffen die Piloten und die Verantwortlichen im Luftoperationszentrum, werden sie keine Provokation darstellen. Sollte es doch Komplikationen geben, wird die Kommandozentrale Alternativrouten suchen.

 

Nun denn:

Wer mit einer kleinen Flotte von Kampfflugzeugen vor der chinesischen Küste auftaucht, während sich unten die Fregatte Bayern ihren Weg durch die Wogen bahnt, wird der Kommunistischen Partei Chinas und ihrem Vorsitzenden Xi einen gehörigen Schrecken einjagen. Der Schreck wird aber bald wieder nachlassen, denn China verfügt mit der 80 Tonnen schweren Dongfeng 41 über eine atomwaffenfähige Interkontinentalrakete, deren Einsatzradius die europäischen Staaten noch um mehr als 6.000 Kilometer überdeckt.

Aber um hier einmal aufzustehen und die Frage zu stellen, ob ein provokanter Truppenaufmarsch der Werteverbündeten im Indopazifik wirklich noch der Verteidigung Deutschlands dienen kann, fehlt es weit und breit am Arsch in der Hose. Stattdessen herrscht kriegsbegeistertes Schweigen im Kabinett und im Medienwunderland, wo man die Bundeswehr dem US-Expansions- und Hegemonialstreben widerstandslos unterordnet.

 

Geschwiegen gesprochenes Gendersternchen im Fernsehgarten

Damit die Frage nach dem Waffenklirren im Indopazifik auch möglichst nicht aufkommt, wird jene Nachricht in die Schlagzeilen gehoben, die besagt, dass im „ZDF-Fernsehgarten“ (einer Sendung für alle seit Jahrzehnten unermüdlich Jung-Gebliebenen) die Moderatorin Andrea Kiewel erst die Gender-Stotterpause vorexerzierte, um dann einem Studiogast bei offenem Mikrofon entschuldigend zu erklären: „Ich muss.“

Weil sich die gewünschte Aufregung unmittelbar entwickelte, bestand die günstige Gelegenheit, zu versichern, dass es beim ZDF keine Vorgaben und Regelungen gibt. Redaktionen und Moderatoren entscheiden selbst, ob und wie sie gendern oder nicht. Auch die ARD versicherte, eine Vorgabe zu Gendern  gelte bei der ARD noch nicht.

Aber da war doch was.  Oder? Wurde da nicht mal ein Genderleitfaden erstellt?

Ja, ja. Aber doch nur beim SWR und beim RBB.

Da schließt sich der Kreis.

RBB, die Anstalt, der Frau Schlesinger vorstand. Die Sache mit der Drecksarbeit. Die jeweilige Wahrheit nach innen und außen offensiv vertreten. Das ist nur mit einer großen Portion Schmerzensgeld zu ertragen.

Dazu gehört eben auch, immer wieder erklären zu müssen, der Energiemangel sei Folge des Gasmangels, der wiederum ganz alleine vom bösen Putin zu verantworten ist, der einfach den Hahn zugedreht hat, weil das  halt momentan die gültige Wahrheit ist.

Während die betriebsbereite Pipeline North Stream 2 im Lichtschein dieser Wahrheit ebenso keine Erwähnung finden darf, wie auch die Turbine, vor der sich Olaf Scholz aufstellte, um eine trotzige Rede zu halten, schon wieder im undurchsichtigen Dunkel verschwunden ist.  Dass es die westlichen Sanktionen waren, die Kanada bewegten, die Turbine nach der  Reparatur erst festzuhalten, und dann nicht an Russland zurückzugeben, wo sie hingehört, sondern nach Mülheim an der Ruhr, wo sie nichts zum Gastransport über North Stream 1 beitragen kann, das wissend zu beschweigen, erfordert schon einen speziellen Charakter.

Deutschland steht vor der größten Katastrophe seit 1945.

Und auch diesmal handelt es sich um eine in den Irrtümern und der Hybris einer Ideologie wurzelnde, selbstgemachte Katastrophe.