Der Schnitzelpreis – Kosten des Restaurantbetriebs

Mal was ganz, was Abseitiges.

Heute habe ich gelesen, dass ein bekannter deutscher Koch dem „Stern“ erzählt hat, wie sich in seinem Restaurant der Schnitzelpreis (24,00 €) zusammensetzt.

Nun ist es mir – das kann ich an dieser Stelle nicht weglassen – in meinem bewegten Leben gelungen, für eine Weile der Chef eines Betriebsrestaurants mit angeschlossener Cafeteria zu sein. Nein, nicht der Chefkoch, sondern der Chef des Chefkochs und seiner 15 Mitarbeiter. Mein Job war es, als ich die Aufgabe übernommen habe, den Zuschussbedarf des Unternehmens so weit zu senken, dass die im Raum stehende Überlegung, die „Kantine“ ganz zu schließen, guten Gewissens ad acta gelegt werden könnte. Erste Feststellung: Alles alt, unpraktisch, arbeitsintensiv und problematische hygienische Verhältnisse.

Nach einem halben Jahr stand der Plan. Umbau von Restaurant, Cafeteria und Küche, vollkommen neue Küchentechnik, neue Arbeitsorganisation – und neue Kalkulationsmethoden. Das alles fand 1998/99 statt.

Ziel der veränderten Kalkulation war es, pro Gast einen Mindestdeckungsbeitrag zu erzielen und dabei gleichzeitig unschlagbar günstige Angebote machen zu können.

Die Methode: Menü-Angebote, also Vorspeise oder Nachtisch + Getränk oder Extra-Beilage zusammen mit dem Hauptgericht so anzubieten, dass alle Komponenten mit dem reinen Wareneinsatz in die Kalkulation eingingen und dann ein fixer Betrag als Deckungsbeitrag zugeschlagen wurde, statt prozentual alle Komponenten zu belasten. Also:

ein Süppchen  oder eine Quarkspeise –                            Einstandspreis   0,35 DM
0,2 l Erfrischungsgetränk oder Pommes extra                  Einstandspreis 0,35 DM
Rindsroulade mit Thüringer Kloß und Rotkraut               Einstandspreis 1,80 DM
Deckungsbeitrag 1,50 DM
Angebotspreis Menü 4,00 DM

Vorsuppe, Nachtisch, 0,2 l Getränk und Beilage standen gleichzeitig  „solo“ mit Preisen von 0,90  bis 1,30 DM auf der Karte, so dass der gewünschte Deckungsbeitrag auch von dem Gast gezahlt wurde, der nur eine Portion Pommes und ein Glas Cola genommen hat.

So kam also – bei gut 250 Öffnungstagen pro Jahr und durchschnittlich 400 Tischgästen pro Tag – jährlich 150.000 DM als zusätzlicher Deckungsbeitrag herein – während die Personalkosten gleichzeitig um gut 200.000 DM gesunken sind, weil von den ehemals 15 Mitarbeitern im modernisierten und reorganisierten Betrieb nur noch 8 gebraucht wurden. Jährliche Kostenersparnis – und damit verminderter Zuschussbedarf: 350.000 DM, umgerechnet knapp 1.000 DM weniger Zuschuss für jeden Mitarbeiter, der die Gemeinschaftsverpflegung nutzte.

Jetzt aber wirklich zum Fernsehkoch und seiner Kalkulation.

Der Preis für ein Restaurant-Schnitzel

Die Kalkulation des Kochs beginnt mit dem Hinweis auf jene Kosten, die schon anfallen, bevor der Gast das Restaurant überhaupt betreten hat, nämlich

Heizung, Beleuchtung und Kühlung
4,80 Euro pro Schnitzel

Das erscheint verdammt hoch und reizt zum Nachrechnen. Ich rechne mit einem fiktiven Restaurant mit 80 Sitzplätzen, einer durchschnittlichen Auslastung von 75 Prozent, und einem Gästewechsel pro Öffnungszeit, so dass also pro Abend durchschnittlich 120 Gäste bedient werden. Dies bedeutet – Ruhetag berücksichtigt – dass monatlich 3.000 Gäste bedient werden. Die hier angeführten Kosten sind pro Gast berechnet und in den Schnitzelpreis eingerechnet, so dass damit monatlich 14.400 Euro an Energiekosten hereingespielt werden sollen.

Wie viele Quadratmeter müssen da denn beheizt, gekühlt und beleuchtet werden? Bei einem großzügig eingerichteten Restaurant kann pro Tischplatz mit einem Flächenbedarf von 2 m² gerechnet werden. Da bleibt viel Platz für die Wege, viel Platz zwischen den Tischen und auch noch genug Platz für großvolumige Dekorationen. Es ergibt sich folgende Flächenabschätzung:

160 m² Restaurant,
  80 m² Küche, Spülküche, Lager, Kühlraum
  20 m² Büro
  40 m² Sanitärräume
  20 m² Wegeflächen außerhalb des Restaurants

320 m² Gesamtfläche

  Es sollen also tatsächlich 45 Euro Energiekosten pro Quadratmeter und Monat anfallen?

Ein normaler Energiebedarf pro m² läge für Wärme bei 11 kWh pro Monat, ebenfalls bei 11 kWh für Strom, mit aktuellen Energiepreisen gerechnet wären das 5,17 Euro pro m², und bei 320 Quadratmetern rund 1.650 € pro Monat. Bei 3.000 Gästen würden also auf den Gast, bzw. sein Schnitzel, nur 0,55 Euro entfallen. Sehr viel mehr kann das übrigens nicht werden.

Es ist also anzunehmen, dass in den 4,80 Euro pro Schnitzel eben nicht nur Heizung, Kühlung und Beleuchtung, sondern auch die Pacht enthalten sind. Die Pacht kann sich durchaus auf 30 oder 40 Euro pro m² belaufen, und dann sind die Raumkosten insgesamt mit den 4,80 Euro pro Gast korrekt bemessen, nur eben nicht pro Schnitzel.

DENN: Der Gast kommt ja nicht nur, um ein Schnitzel zu essen, er ordert auch Getränke, und nicht selten übersteigen die Getränke auf der Rechnung sogar den Preis für das Essen. Vom Aperitif über die zwei Pils zum Schnitzel, das Schnapserl und den Espresso, kann das recht schnell gehen. Verdient wird in der Gastronomie sowieso an den Getränken am meisten.

 

Nun die Sache mit dem Personal
7,20 Euro Personalkosten pro Schnitzel

Gehen wir wieder davon aus, dass monatlich 3000 Gäste je ein Schnitzel verzehren, dann ergibt dies Personalkosten in Höhe von 21.600 Euro pro Monat. Davon bleiben als Brutto-Gehälter (ohne AG-Anteil zur Sozialversicherung) ca. 18.000 Euro. Das entspricht einer Personalstärke von 9 Personen, davon tatsächlich anwesend (Urlaub/Krankheit berücksichtigt) durchschnittlich 7,8 Personen.

In der Küche braucht es allerdings für die Schnitzelorgie nur einen einzigen Koch. Der richtet vor der Öffnung des Restaurants den Kartoffel-/Gurkensalat her, schneidet die Schnitzel aus der Oberschale, klopft sie ggfs. und wird einen Teil, wenn nicht gar alle, schon mal panieren. Sobald die Bestellungen eingehen, haut er sie in die Pfanne, wenn er Glück hat, verfügt er über eine schöne Kippbratpfanne, da passen 20 Schnitzel und mehr auf einmal rein, und während die ersten schon fertig sind und auf den Tellern mit dem Salat und ein bisschen Deko angerichtet werden,  brutzeln schon die nächsten in der gleichen Pfanne. Es sieht so aus, dass die 60 Gäste  jeweils innerhalb von 10 Minuten ihr Schnitzel auf dem Teller haben können. Wie gesagt: Ein Koch kann das schaffen, etwas ruhiger geht es zu, wenn ein Hilfskoch assistiert.

Wie viele Bedienungen braucht es? Der durchschnittliche Gast braucht, nachdem er sich in der Speisekarte kundig gemacht hat, nicht mehr als 30 Sekunden um seine Bestellung aufzugeben. Die Weiterleitung an die Küche nimmt weit weniger Zeit in Anspruch, nehmen wir durchschnittlich noch 5 Sekunden dazu.

Dann das Servieren. Den Teller an den Platz bringen, warten, bis der Gast sein Handy aus dem Weg geräumt hat, den Teller hinstellen, guten Appetit wünschen, und, unterstellt, dass durchschnittlich zwei Bestellungen gleichzeitig ausgeliefert werden, dann macht das 60 Sekunden pro Schnitzel. Dann das Abräumen des Geschirrs, noch einmal 30 Sekunden pro Schnitzel. Insgesamt also 125 Sekunden. Dies 120 mal pro Tag ergibt 4 Stunden und 10 Minuten.

Bei einer Öffnungszeit von 7 Stunden, z.B. von von 18 bis 01 Uhr, bleiben der Bedienung 2 Stunden und 50 Minuten fürs bezahlte Herumstehen.

Geschirrspülen

Eine Kraft in der Spülküche schafft, mit der geeigneten Spülmaschine – Haube oder Korbdurchschubmaschine –  den Abwasch von Tellern und Besteck, beginnend um 23.30 Uhr bis 02.00 Uhr locker und hat die Teller dann wieder in Vorwärmgestellen untergebracht.

Wir sehen auch hier die Problematik, dass die Personalkosten einzig auf das Schnitzel umgelegt werden.
Getränke bleiben außen vor. Damit ist die Küche zwar nicht belastet, wohl aber der Service und die Spülküche. Der Service muss für Getränke mindestens dreimal so viel Zeit aufwenden, so dass es statt 4 Stunden und 10 Minuten 17 bis 18 Stunden werden, und da sind drei Servicekräfte gut aus-, aber noch nicht überlastet.

In der Spülküche muss statt um 23.30 schon um 21.30 Uhr begonnen werden, aber dann sind auch alle Gläser und Tassen bis 02.00 wieder picobello sauber. Alles in Allem: Die 7,8 durchschnittlich anwesenden Beschäftigten passen zum Bedarf, wenn man von 2 Köchen, 1 Spülkraft, 3 Servicekräften und einem Chef am Tresen ausgeht und berücksichtigt, dass immer mindestens eine Person fehlt.

Doch auch die Personalkosten dürfen nicht einfach nur auf die Speisen (Schnitzel) umgelegt werden. Grob gerechnet entfällt nur die Hälfte der Personalkosten auf den Output der Küche.
Dem Schnitzel zurechenbare Personalkosten: ca. 3,60 Euro.

Butterschmalz, Panade, Kartoffel-Gurken-Salat
Einstandspreis 7,20 Euro

Wenn die 150 Gramm Kalbfleisch, die dieser Koch zum Schnitzel verarbeitet, mit 4,50 Euro angesetzt werden, dann kann das so ungefähr hinkommen. 7,20 Euro für Hilfsmittel und Beilage sind vollkommen illusorisch.

Ein Kilogramm Butterschmalz kostet, exklusive MwSt. ca. 16,80 Euro. Mehr als 20 Gramm zieht die Panade kaum aus der Pfanne, pro Schnitzel also  0,33 €.
Ein Ei, und mehr als ein Ei braucht man wirklich nicht um ein Schnitzel zu panieren, kostet – in bester Bio-Qualität – 0,38 €.
Semmelbrösel, glutenfrei!, sind für 16 Euro pro kg zu haben, wenn 20 g aufs Schnitzel kommen sind das 0,32 €
Den Kartoffel-Gurken-Salat liefert der Feinkosthändler fix und fertig an, das Kilo für 6 Euro, Portionsgröße 150 – 200 g, macht rund 1,00 Euro.

Gesamtkosten für Wareneinsatz außer Fleisch: ca. 2,00 Euro.

Stellen wir die beiden Kalkulationen nebeneinander:

der Fernsehkoch Egon W. Kreutzer
Heizung, Kühlung, Beleuchtung 4,80 € 0,55 €
Personalkosten 7,20 € 3,60 €
Fleisch 4,50 € 4,50 €
Material /Beilage 7,20 € 2,00 €
Sonstige Kosten (von GEMA bis Abwasser) 2,40 € 2,40 €
Pacht/Miete nicht kalkuliert ? 4,25 €
Summe Kosten 26,10 € 17,30 €
Preis 24,00 € 24,00 €
Gewinn/Verlust
– 1,90 €
6,70 €

Der Fernsehkoch hat übrigens bei der Addition der Gesamtkosten nach seiner Aufschlüsselung nur 21,20 Euro ermittelt.  Leider kann ich das nicht nachvollziehen.

Mir scheint, dass der Koch eine uralte Kalkulationsformel für Speisekartenpreise herangezogen hat, die lautet nämlich schlicht: Material x 3, bzw. Ein Drittel Material, ein Drittel Personal und ein Drittel sonstige Kosten.

Daher kommen die 7,20 Euro für Panat, Eier, Butterschmalz, Kartoffelsalat, in denen eben die Kosten für das Fleisch schon enthalten sind. Dann deckt sich das ungefähr mit meinen 6,50 Euro für den Materialeinsatz.

Daraus rechnerisch 7,20 für Personal entspricht dieser Kalkulationsformel, und das dritte Drittel sind die Raumkosten und die sonstigen Kosten, mit zusammen wieder 7,20 Euro.

Das ist eine Überschlagsrechnung, mit der die tatsächlichen Kosten über den dicken Daumen geschätzt werden können  – und die zugleich sicherstellt, dass am Ende des Tages Geld in der Kasse übrigbleibt. Auch dann noch, wenn die Auslastung ein Stück weit unter 75 Prozent absinkt und die Küche sehr viel anspruchsvollere, arbeitsintensivere Aufgaben erledigen muss als nur Schnitzel in die Pfanne zu hauen …

Schlimm wirkt sich diese Überschlagsrechnung dann aus, wenn der Steuerberater am Ende des Jahres bestätigt, dass sich die Kosten genau so verteilen, denn dann bleibt tatsächlich kein Gewinn mehr übrig, weil die Formel 1/3+1/3+1/3 dazu verführt, nicht mehr nach Einsparpotentialen unter den Kostenfressern zu suchen.

P.S.:
Ich habe 2003 ein Buch darüber geschrieben.

Gibt es hier noch antiquarisch; sowohl in der Erstausgabe bei „Deutscher Fachverlag“ als auch in der Neuauflage im EWK-Verlag:

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