PaD 7 /2024 – Hier auch als PFD verfügbar: Pad 7 2024 Entsichert rechtsextrem
Schlafgrübeln.
Kann sein, dass es in der Psychologie einen Fachausdruck dafür gibt, doch ich bin zu faul, um auch danach noch zu googeln. Ich beschreibe lieber, wie das ist.
In einem endlos erscheinenden Traum gefangen, gehetzt von der Notwendigkeit, eine bestimmte Aufgabe zu lösen, eine Erklärung zu finden, einen Beweis zu formulieren, während sich die Gedanken im Kreis bewegen, immer neue Ansätze ausprobieren, wenn aber alle Anstrengungen an einer undurchdringlichenenden Wand aus graubuntem Gewaber scheitern, deren Berührung die gesamte zurückgelegte gedankliche Wegstrecke wie Seifenblasen zerplatzen lässt und den Träumer zurück auf den Anfang verweist, von wo aus alles von vorne beginnt, ohne dass man dem Erfolg dabei auch nur um einen Schritt näher käme – das nenne ich Schlafgrübeln.
Endlich erwacht, verflüchtigen sich sowohl die Aufgabenstellung als auch die Fragmente der gefundenen Lösungsansätze. Zurück bleibt das Aufatmen: Es war ja nur ein Traum. Aber ein stilles, unterirdisches Rumoren bleibt zurück, der Kern des Rätsels, der sich von der zerfließenden Erinnerung an dem Traum löst und sich im Wachbewusstsein neu manifestiert. Heute Morgen war es diese Frage:
Woran erkennt man gesicherten Rechtsextremismus?
Das ist mir von der letzten Nacht übrig geblieben, zusammen mit der Doppeldeutigkeit der Zustandsbeschreibung „gesichert“.
Bei Schusswaffen, die über einen Sicherungsmechanismus verfügen, bewirkt die Betätigung des Abzugs so lange nichts, bis die Waffe entsichert wird. Erst dann kann man schießen.
Auf die Frage, ob sich dieser gedankliche Ansatz einer Analogie auch auf den gesicherten Rechtsextremisten übertragen lässt und wer es sein mag, der den Sicherungshebel betätigt, komme ich zum Schluss noch zurück. Jetzt will ich zunächst einmal im Wachzustand der Frage nachgehen, woran man ihn wohl erkennen könnte, den Rechtsextremismus als solchen, unabhängig von seinem Sicherungszustand.
Es gibt da zwei mögliche Herangehensweisen. Das ist einmal der Versuch, Rechtsextremismus zunächst sauber zu definieren und aus dieser Definition heraus Merkmale zu identifizieren, an denen er zu erkennen sein sollte. Zum anderen besteht die Möglichkeit, jene Exemplare der Gattung Mensch zu betrachten, denen gegenwärtig die Eigenschaft „rechtsextremistisch“ zugeschrieben wird und dann bei diesen nach den maßgeblichen gemeinsamen Merkmalen zu suchen.
Um Sie hier nicht mit den für beide Wege notwendigen Einzelschritten mehr als notwendig aufzuhalten, überspringe ich diese und komme unmittelbar zur Preisgabe des Ergebnisses:
Zwischen den Merkmalen des Rechtsextremismus
die sich aus den hier skizzierten Herangehensweisen ergeben,
ist keine nennenswerte Übereinstimmung festzustellen.
Der Prototyp des Rechtsextremisten, der sich aus dem Versuch, den Rechtsextremismus zu definieren ergibt, hat ein von keinen Zweifeln gestörtes, verfestigtes Weltbild, innnerhalb dessen er als Teil einer abstammungsgeschichtlich-ethnischen, auch multiethnischen Gemeinschaft, die er als das heilige, übergeordnete Ganze ansieht, das es zu bewahren gilt, die ihm übertragenen Aufgaben gewissenhaft wahrnimmt. Seine sinngebenden Weisheiten lauten: „Meine Ehre heißt Treue“, und, „Was du ererbt von deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen“. Er ist bestens an den Totalitarismus angepasst.
Der Typus des Rechtsextremisten, der sich aus der aktuell üblichen Zuschreibung „rechtsextrem“ herausschält, zeigt innerhalb der Gemeinschaft den Mut, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, Zweifel und Kritik zu äußern, wenn er das übergeordnete Ganze, dem auch er dienen will, durch Zielsetzungen und Maßnahmen der Führung oder einflussreicher Gruppierungen gefährdet sieht. Seine sinngebende Weisheit lautet: „Der eine fragt: ‚Was kommt danach?‘, der andre fragt nur: ‚Ist’s so recht?“, und also unterscheidet sich der Freie von dem Knecht“. Er ist bestens für die Demokratie gerüstet.
Nur in der Motivation beider findet sich eine wichtige Übereinstimmung, nämlich eine konservative Grundhaltung, gepaart mit einer Ethik, die auf den Gesamtnutzen aller Betroffenen innerhalb der Gemeinschaft abzielt (Utilitarismus) und dabei deutliche Schnittmengen mit der reinen Verantwortungsethik aufweist. Diese Ethik zerfällt allerdings, beachtet man die Fristigkeit von Zielen und Maßnahmen, in zwei widersprüchliche Elemente. Ist sie eher kurzfristig ausgerichtet, entwickelt sich aus ihr ein Sozialismus der sich vom Leistungsgedanken entfernt und im Recht auf gleiche Teilhabe am Gesamtnutzen mündet, was diesen regelmäßig reduziert. Sind ihre Zielsetzungen langfristig ausgerichtet, setzt sie auf die Belohnung der Leistung, woraus regelmäßig eine Anhebung des Gesamtnutzens resultiert, dessen ungleiche Verteilung insofern als noch gerecht empfunden wird, als lenkende staatliche Eingriffe nur zum Schutz der besonders Schwachen erfolgen sollen.
Eine weitere Übereinstimmung findet sich in der Überzeugung, dass die für die Rechten typische, konservative Grundhaltung nur im eigenen Nationalstaat sinnvoll wirksam werden kann. Dies wiederum macht sie, bei aller unvereinbaren Unterschiedlichkeit in den Verhaltensnormen, zum gemeinsamen Gegner jener, die den Nationalstaat zu überwinden trachten und in der Europäischen Union, oder in der Einordnung in eine „westliche Wertegemeinschaft“ bzw. in der Vision einer einzigen Weltherrschaft eine dem Nationalsstaat vorzuziehende Organisationsform sehen.
Diese gemeinsame Gegnerschaft macht es allerdings möglich, beide Gruppen unter diesem Vorzeichen in einen Topf zu werfen und das Argument des Strebens nach Totalitarismus gerade auch auf jene anzuwenden, die versuchen, ihre Vorstellungen mit demokratischen Mitteln zu verwirklichen.
Um die Ausbreitung beider Vorstellungen zu verhindern, entäußert sich die real existierende Demokratie momentan aller unerlässlichen Voraussetzungen für wirkliche demokratische Meinungs- und Willensbildungsprozesse. Ein großer Teil der Deutschen ist bereits überzeugt, mit der freien Äußerung der eigenen Meinungen Nachteile zu erleiden. Wen wundert dies, wenn aus dem Innenministerium verkündet und vom Verfassungsschutzpräsidenten bestätigt wird, dass man bestimmte Meinungen, auch unterhalb der schon recht niedrig hängenden Strafbarkeitsgrenze, unter Beobachtung stellen und „jeden Stein umdrehen“ wird, um selbst „Gedanken“ zu erkennen, die für illegitim gehalten werden, weil sie per Kritik zur Delegitimierung des Staates und seiner Repräsentanten führen könnten.
Dabei ist Deutschland bei diesem Furor zur Unterdrückung missliebiger Meinungen und Tatsachen nicht alleine. In Frankreich drohen seit Neuestem bis zu drei Jahren Haft für jeden, der von einer medizinischen Behandlung abrät, die von „der Wissenschaft“ befürwortet wird. Aus Kanada wird berichtet, dass ein Psychologe, der die Abbildung eines adipösen Badeanzug-Models mit der Bemerkung: „Sorry, not beautiful“, kommentiert und weiters kundgetan hatte, er hielte Ärzte, die Frauen die Brüste amputieren, weil diese sich „trans“ fühlen, für kriminell, wohl mit Berufsverbot zu rechnen habe. Wobei nicht klar ist, ob tatsächlich deshalb, oder weil er es auch gewagt hatte, auf Twitter die kanadische Regierung zu kritisieren. Aus dem gleichen Kanada wird ein Gesetzentwurf bekannt, der positive Darstellungen fossiler Energieträger kriminalisieren soll.
Wenn wir mit einiger Berechtigung davon ausgehen können, dass nur ein Bruchteil der Wähler überhaupt über Informationen verfügt, die das Bild der fortschreitenden Dedemokratisierung erkennen lassen, aber ein Großteil der Wähler schon verinnerlicht hat, dass es gefährlich sein kann, seine Meinung unbedacht zu äußern, ist es schon fast ein Wunder, wie viele sich bei den Umfragen der Demoskopen dazu bekennen, die Freien Wähler, die Werteunion, die AfD oder die Wagenknecht Partei wählen zu wollen.
Das Wunder beruht aber weniger auf der Würdigung der Ursachen als vielmehr auf der Wahrnehmung der Folgen einer dezidiert antivölkischen und Grundrechte beschneidenden, in Pandemie- und Klimathemen massiv autoritären, um nicht zu sagen „totalitären“ Politik, die nicht nur den Wohlstand im Lande aufs Spiel setzt – man höre nur Habecks Aussagen zum jüngsten Wirtschaftsbericht, sondern auch das für das Wohlergehen einer Gemeinschaft erforderliche Gefühl der Freiheit – ob nun zielstrebig oder zufällig, nach Art der Kollateralschäden – zerstört.
In den Reaktionen auf diese Wählerwanderungen fällt etwas auf, was bereits wie ein Rückzug aus dem grenzenlosen Globalismus in wieder nationalstaatlicheres Denken wirkt. Die bisherigen Feindbilder, die gesamte Weltgemeinschaft betreffend und mehr oder minder weit in die Zukunft projiziert, wie die Pandemie X und die Klimakatastrophe, rücken in den Hintergrund und machen Platz für isolationistische Feindbilder, den Wertewesten betreffend. Russland, das in der Ukraine Krieg führt, wird als Bedrohung für die „freie“ Welt dargestellt und mit Sanktionen überzogen während Deutschland zum zweitgrößen Unterstützer der Ukraine geworden ist und nach jüngsten Abschätzungen dabei bereits 200 Milliarden Euro für dieses Feindbild aufgewendet hat. Wie selbstverständlich wird die Aversion gegen Russland unter dem Druck der USA auch auf China übertragen, wo sich deutsche Unternehmen, die in China investiert haben bereits aus der Provinz Xinjiang zurückziehen, Volkswagen zum Beispiel, weil die USA rund 13.000 Autos in den Häfen festhalten, weil darin Teile verbaut sind, die in China unter Bedingungen der Zwangsarbeit hergestellt worden sein sollen.
Gegen diese äußeren Gefahren muss Deutschland bestehen, und um bestehen zu können, müssen jene, die über ein ein von keinen Zweifeln gestörtes, verfestigtes Weltbild verfügen, zusammenstehen, um das heilige, übergeordnete Ganze zu bewahren und wie ein Mann geschlossen aufstehen gegen die inneren Feinde.
Mögen die nicht enden wollenden Demonstrationen von Hundertausenden für den von der Regierung verordneten Kampf gegen rechte Querdenker, Schwurbler und Verschwörungstheoretiker auch noch so sehr mit regenbogenbunten Fähnchen und Gendersternchen verbrämt sein, erinnern sie in ihrer bedingungslosen Zustimmung unter dem Beifall der Regierung doch immer noch an jene Aufmärsche, die einst als Instrument genutzt wurden, die Volksgemeinschaft zusammenzuschmieden und zugleich unter den nicht Mitmarschierenden die Abweichler zu markieren und – zumindest – auszugrenzen.
Heute erhalten die so markierten Zeitgenossen den öffentlich sichtbaren Stempel „gesichert rechtsextremistisch“ aufgedrückt. Überlegungen, das Beamtenrecht zu modifizieren, um solche Abweichler leichter aus dem Staatsdienst entfernen zu können, laufen bereits. Überlegungen, solchen Abweichlern die bürgerlichen Ehrenrechte zu entziehen, um zu verhindern, dass sie das passive Wahlrecht ausüben können, wabern ebenfalls, wie auch Versuche, gleich ganze Parteien zu verbieten, durch die Köpfe.
Gesichert rechtsextremistisch heißt: Der Staat, aktuell in Gestalt des Meisters Haldenwang, hat die Gegner all dessen, was mit der Ampel in Verbindung gebracht werden kann, gesichert und sie damit soweit entwaffnet, dass keinerlei Kritik, und sei sie noch so konstruktiv, noch wirksam losgelassen werden kann. Und wo doch noch „nicht Gesicherte“ aktiv werden, prallen ihre Meinungen und Vorstellungen, ihre Kritik und ihre Zielsetzungen am neuen antifaschistischen Schutzwall, gebildet aus Antifa, Correctiv, der Antonio Amadeo Stiftung und unzähligen Faktencheckern, im festen Verbund mit der Armada der großen privaten und öffentlich-rechtlichen Medien, nahezu wirkungslos ab, während die „Absender“ erkannt und der Sicherung unterzogen werden.
Im Inneren dieser Verteidigungslinien, die rings um die Demokratie in die Höhe gezogen wurden, liegt ein verstaubtes Grundgesetz von 1949. Aus seinen zerlesenen Seiten rieseln die Buchstaben, weil es auf diese, nachdem der Sinn verloren gegangen ist, inzwischen auch nicht mehr ankommt.
Am 23. Mai 2024 soll es wieder einmal herausgeholt und im Rahmen eines Staatsaktes gewürdigt werden, vom 24. bis 26. Mai schließt sich ein Demokratiefest an, zu dem alle Bürger herzlich eingeladen sind.
Ich bin gespannt.
Denn das mit den Einladungen ist so eine Sache. Nicht einmal zu einer profanen Veranstaltung wie der Berlinale hat man alle Bürger eingelassen, ja selbst schon Eingeladenen wieder eine Absage erteilt. Sie mussten „gesichert“ draußen bleiben.
Noch zu Staatsakt:
In der Kunst steht der „Akt“ für die Abbildung von Nackten …