Wo man fliegt, da lass dich ruhig nügel, böse Wörter haben keine Flügel.
Worte sind, der Plural bringt es an den Tag, weit mehr als Wörter, aber deshalb dennoch keineswegs unaussprechlich. Die Gesellschaft für schon länger hier gesprochene Sprache hat, als Höhepunkt ihrer traditionellen, in diesem Jahr erstmals begangenen und der Zukunft zugewandten Winterfestfeier, die geflügelten Worte für das Jahr 2020 bekanntgegeben. Auf den dritten Platz schaffte es
„STEINWAY & SONS – gebraucht“
Die Entscheidung für den Sieger im zweiten Rang sei schwerer gefallen, hieß es bei der Preisverleihung, weshalb die Juri beschlossen habe, den Preis zu teilen und zweifach (nicht doppelt!) zu vergeben. Platz 2 teilen sich seither die geflügelten Worte
„Noch lebt sie ja, die Weihnachtsgans“, und
„Boeing 737 MAX“
Unangefochten und mit maximalem Abstand vor allen Mitbewerbern rangiert auf dem ersten Platz dieses asymmetrisch beflügelte Wort:
„Alternative für Diedieschonlängerhierwohnen“
Der ebenfalls zur Wahl und im Zimmer stehende „Schwarze Höckeschwan“ wurde von der Juri zwar als zumindest ebenso schön befunden, aber letztlich abgelehnt, mit der Begründung, man wolle PETA keine Gelegenheit bieten, sich neben dem Verband der Altphilologen und dem ARD-Presseclub sozusagen als Drittbrettbohrer an die Verleihung des „Geflügelten Wortes“ anzuhängen.
Unter den vielen Einsendungen bewegter Mitbürger, die von der Juri achtlos in die Tonne getreten wurden, weil sich, ihrer Einschätzung nach, keine alte Sau mehr für einen vierten Platz interessiert, befanden sich jedoch weitere Perlen (Flaubert: Perlen, immer matt schimmernd) denen allerdings der direkte Flügelbezug fehlte, ohne den ja leider nicht mehr nur die Massen mit geflügelten Worten nichts anzufangen wissen.
Preiswürdig wäre da zum Beispiel gewesen:
„NoWaBo und Esken. Ein Unglück kommt selten allein!“
Hier allerdings ist die Beliebigkeit der Füllmasse vor dem ersten Punkt so groß, dass dem geflügelten Wort die Originalität abgesprochen werden muss, könnte da doch mit gleicher Berechtigung stehen: „Dick und Doof“, oder „Habeck und Baerbock“, oder „Söder und Söder“, und aber auch: „und so weiter!“
Einen neuen Höhenflug bis fast in preiswürdige Höhen erlebte auch die etwas modizfizierte, alt-senecaische 50er-Jahre Weisheit:
„Nicht für die Schule, sondern für die Schüler streiken wir. „
Hier standen allerdings auch berechtigte Bedenken wie ein Granitklotz im Raume, die sinngemäß und verkürzt ungefähr so auf den wunden Punkt gebracht werden können:
„Jeder Banklehrling weiß, dass der Barwert der Zukunft umso geringer ausfällt, je zukünftiger sie ist.“
Als in keiner Weise preiswürdig wurden die geflügelten Worte
1) „Gesagt, getan“,
2) „Ein Mann, ein Wort“, und
3) „Hase, du bleibst hier!“
angesehen. Es schwänge darin unverhohlene Verehrung für Trump (1,2) und oder Putin (2,1) mit, sowie ein ebenso unverhohlener Rassismus (2) und Antifeminismus (2) sowie Hass (3), Hetze (3), und Hetzjagdenleugnung (2), Promaaßenismus (2,3) und knallharter Vernunftismus (1,2,3).
Zum Schluss noch eine Ermahnung für 2020:
Glück und Glas zerbrechen häufig gerade dann,
wenn sie auf besonders fruchtbaren Boden fallen.